Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2014) (2014)

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Eine besondere Herausforderung stellte der Übergang 
vom Volkstheater zu den Singspielen bis hin zu den 
ersten Operetten ab 1946 dar, in denen sie teils als 
Darsteller mitwirkten. Unvergessen sind die Rollen 
von Ludwig als «Sigismund» und Leo als «Giesecke» 
[Berliner] 1949 «Im weissen Rössl». Unter der sehr 
strengen Regie von Lrau Minna Senges-Laust vom 
Stadttheater Chur [siehe Lestschrift «50 Jahre Ope 
rette Balzers»] wurde den Laienschauspielern einiges 
abverlangt; daraus resultierten aber auch entsprechend 
grosse Erfolge und Anerkennung. 
Aufführungsort war das alte Gemeindehaus, das heu 
tige Probelokal der Harmoniemusik Balzers. Wie mit 
Erfindergeist und Engagement optische und akustische 
Effekte erzeugt wurden, illustrieren folgende Beispiele: 
Als für eine Szene Windgeräusche imitiert werden 
mussten, fertigten Ludwig und Julius eine drehbare 
Holztrommel - ähnlich einem Butterfass - an. Mit 
der linken Hand musste man ein Leintuch über die 
Trommel spannen, mit der rechten Hand wurde ge 
kurbelt. Diese einfache Windmaschine entwickelte je 
nach Drehgeschwindigkeit sehr naturnahe Geräusche. 
Donner wurde durch Schütteln einer mit Draht auf 
gehängten Blechtafel [1 x 1000 x 2000 mm] erzeugt 
und Feuer mit einem Luftblasebalg, gelben und roten 
Papierstreifen in einem losen Holzhaufen sowie mit 
elektrischem oder bengalischem Licht. 
In bester Erinnerung ist mir auch noch die Hebebühne, 
welche die Brüder Wolhnger mit primitiven Mitteln 
wie Hanfseil, Holzrollen und Drehkurbel bastelten. 
Diese wurde von Hand betätigt. Bei der ersten Auffüh 
rung des Stücks «Das Zauberschloss» im Jahr 1944 mit 
Simon Frömmelt als schwebendem Schlossgeist und 
Berta Wolhnger [verheiratete Bürzle] als schweben 
der Fee soll die Hebebühne fürchterlich gequietscht 
haben. Dieses Übel wurde energisch mit reichlich 
«Wagaschmörbe» [tierisches Fett] bekämpft, wovon 
mangels Platz auf und hinter der Bühne leider auch 
die schönen Theaterkostüme etwas abbekamen. 
Ihr technisches Meisterstück war die dimmbare Be 
leuchtung auf der kleinen Bühne des Gemeindesaals, 
die jedoch aus heutiger Sicht mit einem unvorstellba 
ren Gefahrenpotenzial verbunden war. Diese bestand 
aus einer Rampenbeleuchtung vorne am Boden mit 
rund vierzig 60-Watt-Lichtbirnen und aus drei Licht 
gassen oben mit je circa vierzig verschiedenfarbigen 
60-Watt-Birnen. Die Drahtverbindungen führten alle 
zur «Schaltzentrale». In einem Holzgestell waren vier 
braune zylindrische Steingutbehälter mit jeweils fünf 
zehn bis zwanzig Litern Salzsäure in Reih und Glied auf 
gestellt. Von oben herab wurde je ein Paar, nach unten 
spitz zugeschnittene Kupferbleche von circa 1 mm Dicke 
mittels einer Drahtkurbel an einer Schnur langsam in 
die Säure getaucht. Das Gefährliche dabei war, dass 
die Kupferbleche permanent unter mindestens 2,5 kW 
Strom standen, das heisst, beim Eintauchen in das 
Säurebad begann bei einem gewissen Widerstand 
Strom von einer Kupferplatte zur anderen zu fliessen. 
Dauerte eine solche Dämmerstimmung mehrere Mi 
nuten, wurden die Säurebehälter empfindlich heiss. 
Hier gilt es zu bedenken, dass die ganze Konstruktion 
ohne Schutzvorrichtung, Abdeckung oder dergleichen 
auskam. Zum Glückfunktionierte sie j edoch über meh 
rere Jahre unfallfrei. So entstanden manch dramati 
sche, aber auch sehr romantische Lichteffekte. Unüber 
troffen sind die Liebesszenen in der Abenddämmerung. 
Durfte man als Bub ausnahmsweise einmal bei den 
Proben hinter den Kulissen dem Beleuchter zuschauen, 
hiess es gleich am Anfang laut und bestimmt: «Buab 
due mer jo nia do drii langal» Übrigens, die beiden 
letzten Beleuchter, die diese hochgefährliche «Schalt 
zentrale» noch bedienten, waren Franz Wolhnger und 
Kaspar Loser. 
Wenn die Kurbeln nicht gleichmässig gedreht wurden, 
war dies gerade in einer dramatischen Szene peinlich, 
denn das Licht wurde ruckartig heller oder dunkler. 
Andererseits bleibt solch unfreiwilliger Humor oft län 
ger im Gedächtnis des Publikums haften als die erns 
ten Szenen. 
Auch wenn diese originellen «wolhngerschen Entwick 
lungen», von denen es noch mehr zu berichten gäbe, 
aus heutiger Sicht ziemlich primitiv erscheinen, so 
setzten die Brüder mit viel Energie und Engagement 
im wahrsten Sinne des Wortes Träume in Taten und 
Taten in Bewegungen um. Ein humorvoller Spruch 
des Originals Jule, wie wir Julius nannten, den man 
im fortgeschrittenen Alter oft von ihm hörte, lautete: 
«Wänn duppege Gedanka öberhand nöönd, muescht 
d Problem äfach sälber id Finger nee.» So manch tech 
nisches Problem führte dank diesem «id Finger nee» 
immer wieder zu originellen und einzigartigen Lösun 
gen. Hut ab! 
Diesen drei unvergesslichen Balzner Pionieren Leo, 
Julius und Ludwig Wolhnger sei ein Kränzlein inklusive 
«Firmenschildchen» gewidmet - natürlich mit eingra 
viertem Logo: «Made by Züghüüsler, Balzers».
	        

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