Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2014) (2014)

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fallssämlingen [Kreuzungen zwischen verschiedenen 
Sorten, auch Wildapfelarten], die im Wald und auf 
Wiesen gefunden wurden. 
Alte Quellen und Statistiken belegen, dass Liech 
tenstein eine lange obstbauliche Tradition hat und 
dadurch auch über ein reiches genetisches Erbe an 
verschiedensten Obstsorten verfügt. Der grosse Auf 
schwung des Obstbaus kam mit der Industrialisierung 
und hielt bis Ende des Zweiten Weltkrieges an. Neben 
Tafelobst waren auch Sorten gefragt, die sich zum 
Kochen, Dörren, Mosten und Schnapsbrennen eigne 
ten. Es gab Regionalsortimente, die den Verhältnissen 
einzelner Landschaften [Klima, Boden, Geologie etc] 
Rechnung trugen. 
Ein radikaler Einschnitt erfolgte während der 1950er- 
Jahre. Es wurden mehr Zitrusfrüchte und Bananen 
konsumiert, die offizielle Obstbaupolitik setzte auf 
den Intensivanbau mit Niederstammplantagen. In der 
Schweiz wurden für jeden gefällten Hochstamm 
obstbaum Prämien ausbezahlt. Damit einher ging 
auch eine gewaltige Beschränkung der Sortenvielfalt: 
Auf dem Markt dominierten Cox Orange, Boskop und 
Golden Delicious. 
Waren damals alte Sorten sowie der damit verbundene 
Hochstammanbau nicht mehr zeitgerecht und standen 
einer modernen Landbewirtschaftung im Weg, so wer 
den alte Sorten mittlerweile als Kulturgut eingestuft 
und als Relikte aus der «guten, alten Zeit» geschätzt. 
Der Wert hinsichtlich des Naturhaushaltes wird er 
kannt. Die heutige Züchtung von Obstsorten ist auf 
die Anforderungen des Frischmarktes ausgerichtet. 
Diesen Anforderungen können ältere Sorten nicht ge 
recht werden. Trotzdem gibt es nach wie vor Anwen 
dungsbereiche, wie beispielsweise die Apfelsaftherstel 
lung, die auf die säurehaltigen älteren Sorten zwingend 
angewiesen sind. Wenn Monokulturen von Erregern 
befallen werden, kann ein wesentlich höheres Scha- 
densausmass verursacht werden, als dies in einer Misch 
pflanzung mit mehreren Sorten der Fall wäre. 
Alte Sorten wurden nicht zuletzt aufgrund ihres her 
ben Geschmacks, der durch die hohe Anzahl an phe- 
nolischen Verbindungen im Fruchtfleisch und in der 
Schale bedingt ist, von neuen Sorten verdrängt. Diese 
sekundären Pflanzenstoffe dienen unter anderem der 
Abwehr von Schädlingen. Sie haben auch eine posi 
tive Wirkung auf das menschliche Immunsystem. Alte 
Obstsorten und speziell jene zum Mosten haben einen 
deutlich erhöhten Anteil an phenolischen Substan 
zen. Sie besitzen damit Eigenschaften, die in Zukunft 
immer wichtiger werden und daher zu erhalten sind. 
Durch die Veränderungen der wirtschaftlichen Situa 
tion und des Anbaus hat die einst grosse Vielfalt an 
Obstsorten in den letzten Jahrzehnten - wie bereits 
ausgeführt - beängstigend abgenommen. Nach wie vor 
werden Obstbäume gerodet, was unweigerlich auch zu 
einem Verlust der Sortenvielfalt führt. Es ist höchste 
Zeit, dass Inventare erstellt, Erhaltungsprogramme 
lanciert und diese vor Ort durchgeführt werden. 
Wer handelt in Balzers? 
In den vergangenen fünf bis zehn Jahren sind in un 
serem Land verdankenswerterweise Initiativen zur 
Wiederbelebung der Obstbaumkulturen entstanden. 
So wurde 2005 der Verein HORTUS gegründet mit 
dem Ziel, die alten Kulturpflanzensorten, insbesondere 
die alten Obstsorten, im Fürstentum Liechtenstein zu 
erhalten. 
In Balzers engagieren sich in diesem Bereich vor allem 
der Verein Pro Obstbaum, die Bürgergenossenschaft 
sowie Walter Brunhart mit seiner Mosterei. Zudem 
unterstützt die Gemeinde die jährliche Obstbaum- 
Verkaufsaktion des Vereins HORTUS und leistet - 
gestaffelt nach Hochstamm, Halbstamm und Nieder 
stamm - einen bestimmten Zuschuss. 
Der 2009 gegründete Verein Pro Obstbaum hat für 
sich nachstehende Ziele definiert: 
• Unterstützung sowie Beratung bei der Pflanzung 
und beim Unterhalt von Obstbäumen 
• Inventarisierung von Obstbäumen 
• Förderung, Pflege und Erhalt von Obstbäumen 
• Erhalt der «Reihenstruktur» entlang der Wege mit 
Schwerpunkt im Landwirtschaftsgebiet 
• Förderung der Obstverwertung [Mosten, Dörren, 
Destillieren usw.] 
• Erhaltung und Nutzung regionaler und alter Sorten 
• Weiterbildung von interessierten Personen. 
Die Bürgergenossenschaft verfolgt ähnlich gelagerte 
Ziele und hat zu deren Umsetzung eine eigene Obst 
baumkommission bestellt. Diese führt jeweils im 
Herbst für die Mitglieder einen Frontag durch, welcher 
der Pflege der Obstbäume auf den Genossenschafts 
parzellen sowie Neuanpflanzungen gewidmet ist. Das 
geerntete Obst - Kirschen, Äpfel und Birnen - wird zu 
Most oder Schnaps verarbeitet.
	        

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