Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2014) (2014)

20 
dem König beziehungsweise zum königlichen Lehen. 
An welche der beiden Kirchen der Zehnt ging, ist aus 
dem Text nicht ersichtlich. Wichtiger ist die Erkenntnis, 
dass das Zehntwesen im 9. Jahrhundert bereits ausge 
bildet war; die genauen Zehntpflichten lassen sich aber 
nicht mehr rekonstruieren. Es ist davon auszugehen, 
dass auch freie Bauern, die in keiner oder einer losen 
Bindung zum königlichen fJof standen [z. B. über die 
Gerichtszuständigkeit], den Zehnt an die Kirche ab- 
liefern mussten. Der Zehnt gehörte dem Besitzer der 
Kirche, also dem Lehensträger, der umgekehrt auch 
Verpflichtungen gegenüber der Kirche hatte. 
Einzugehen ist schliesslich auf die Namen der genann 
ten Personen. Auffallend ist, dass beide königlichen 
Lehensträger deutsche Namen hatten, was darauf hin 
weist, dass sie Alemannen waren oder dass sie zumin 
dest deutsche Namen angenommen hatten. Auch die 
Empfänger der Huben hatten mehrheitlich deutsche 
Namen. Sprachgeschichtlich ist für das Frühmittelalter 
von einer Zweisprachigkeit auszugehen; erst um 1300 
verlagerte sich die deutsche Sprachgrenze bis an die 
Luziensteig. Die deutsche und romanische Kultur leb 
ten nebeneinander, vermischten sich aber zusehends. 
Oskar Baldauf kam aufgrund einer Analyse der Perso 
nennamen im Churrätischen Urbar zum Schluss, dass 
zum Zeitpunkt der Abfassung des Urbars im Ministe 
rium in Planis ein gutes Drittel der Bevölkerung deutsch 
und knapp zwei Drittel romanisch waren. 6 Allerdings 
ist auch diese Berechnung mit Vorsicht zur Kenntnis 
zu nehmen. 
Ebenfalls mit Vorbehalten aufzunehmen ist eine These 
von Benedikt Bilgeri zu den sozialen Umwälzungen 
in diesen Jahren. Er hat beobachtet, dass der Verfasser 
des Urbars unterschiedliche Zeitformen verwendet. Bei 
Palduin, Adamar und Vuolfprecht benutzte er die Ver 
gangenheitsform [«Dies war das Lehen...»], in anderen 
Fällen die Gegenwartsform. Bilgeri erklärt dies damit, 
dass der an die Macht gekommene König Ludwig [der 
Deutsche], der sich mit kriegerischen Mitteln gegen 
seinen Bruder Kaiser Lothar durchgesetzt hatte, mit 
harter Hand regiert habe und viele Würdenträger ge 
stürzt und enteignet beziehungsweise durch eigene 
Anhänger ersetzt habe. Demnach wären Palduin und 
Adamar Anhänger von Kaiser Lothar und des Bischofs 
von Chur gewesen und hatten deshalb ihr Lehen 
verloren. 7 
Und nun zur Streitfrage 
Anlass für diesen Beitrag war der Gemeindeartikel 
Balzers im «Historischen Lexikon für das Fürstentum 
Liechtenstein». Dort kam es zwischen dem Verfasser 
des Artikels [also mir] und Mitgliedern des Beirats 
zu einer Diskussion, ob es sich bei Meilis im Chur 
rätischen Reichsurbar um Mäls [FL] oder Meis [SG] 
handelt. 
Mit Palazoles ist unbestritten Balzers gemeint. Der 
Name wird sprachgeschichtlich vom lateinischen pala- 
tiolum abgeleitet, was mit «kleine Pfalz» oder «kleiner 
Königshof» übersetzt wird. Hans Stricker schlägt auch 
die Variante palatiola vor, was mit «kleiner Herrensitz, 
Zwischenstation» übersetzt werden kann. Diese Va 
riante wäre dann möglicherweise wieder ein Indiz da 
für, dass mit Magia auf der Peutingerschen Karte Bal 
zers gemeint sein könnte. 8 
Bei Meilis ist die Namenforschung zum Ergebnis ge 
kommen, dass der Name vorrömischen Ursprungs ist 
und sich nicht sicher deuten lässt. Welche Ortschaft 
meint Meilis im Churrätischen Reichsurbar? 
Schauen wir uns zuerst die Argumentation in der liech 
tensteinischen Literatur, vor allem im «Liechtensteini 
schen Urkundenbuch», an. Franz Perret, der Bearbeiter 
der Bände 1 und 2, argumentierte, dass das Churrä- 
tische Reichsurbar einer bestimmten Reiseroute [Iti 
nerar] folgte. Dahinter steckt die Vermutung, dass die 
Aufzeichnungen durch einen königlichen Beamten 
oder Boten erfolgten, der die verschiedenen Orte be 
reiste. Die Reihenfolge der erwähnten Ortschaften im 
Urbar ist nicht zufällig: Von Schaan ging die Reise über 
den Rhein nach Rähs, dann folgten Grabs, Buchs und 
Oberschan, darauf Flums, Sargans, Vilters, Maienfeld 
und schliesslich Balzers und Meilis. Daraus schloss 
Perret: «Es kann sich hier [bei Meilis] also nur um Mäls, 
nicht aber um Meis handeln. Das Urbar bricht leider 
gerade nachher ab, sodass wir den Rest des Ministerium 
in Planis nicht mehr haben.» 9 Auch die liechtensteini 
sche Flurnamenforschung hat keinerlei Zweifel ange 
meldet, dass es sich bei Meilis um Mäls [FL] handelt. 10 
Umgekehrt das «Bündner Urkundenbuch»: Für dieses 
steht fest - wie das schon Aegidius Tschudi in einer 
Randanmerkung vertreten hat -, dass es sich bei Meilis 
um Meis [SG] handelt. 11 Dieser Auffassung war auch 
der Beirat des Historischen Lexikons für das Fürsten 
tum Liechtenstein. Argumentiert wurde vor allem 
damit, es sei undenkbar, dass es im Siedlungsbereich
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.