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toriker Martin Bundi rechnet damit, dass ein Joch bei
uns 36 Aren entsprach. Der Hof Balzers hätte damit
also etwa 36 Hektaren, der Hof Meilis 48 Hektaren
Ackerland gehabt. Sicher hatten die Menschen in der
Zeit eine ungefähre Vorstellung von der Grösse eines
Jochs. Auffallend ist trotzdem, dass oft runde Zahlen
[100] verwendet wurden, was ein Hinweis dafür ist,
dass die Flächen nicht wirklich vermessen wurden.
Unabhängig davon, wie genau solche Umrechnungen
sind: Die beiden Höfe hatten eine beachtliche Grösse.
Um sie bewirtschaften zu können, brauchte es etliche
unfreie Bauern.
Ähnliche Schwierigkeiten gibt es bei der Grössenan
gabe «Fuder» (carrata). Auch hier werden Umrechnun
gen nur mit grössten Vorbehalten gemacht. Ein Fuder
entsprach der Idee nach einer Wagenladung. Die Wie
sen vom Hof Palazoles erbrachten einen Ertrag von
100 Fudern Heu, jene von Meilis lieferten 160 Fuder.
Die Hube [auch Hufe] ist ein altes Flächenmass: Sie
entsprach der Fläche, die ausreichte, um eine Familie
ernähren zu können, beziehungsweise der Fläche, die
eine Familie bewirtschaften konnte [bestehend aus
Acker- und Wiesland, oft auch aus Wald]. Eine Um
rechnung in Hektaren ist wieder nur mit vielen Unsi
cherheitsfaktoren möglich. Die Umrechnungen in der
Fiteratur schwanken zwischen 6 und 25 Hektaren. Die
Huben in Balzers lagen wohl eher beim unteren Wert.
Der Begriff Hube war nicht zuletzt auch eine fiskalische
Grösse, nach der sich die Abgaben und Feistungen
berechneten, die an den Inhaber des königlichen Hofs
zu entrichten waren. Über die Rechtsstellung der ab
hängigen Bauern erfahren wir aber aus diesem Text
nichts Genaues.
Festzuhalten ist, dass auf beiden Höfen in beträcht
lichem Umfang Ackerbau und Viehzucht betrieben
wurden. Man kann davon ausgehen, dass nicht nur
Schweine, Schafe und Ziegen, sondern auch Rinder
gezüchtet wurden. Darauf verweist die Erwähnung der
Alpen, über die wir aber ansonsten nichts erfahren.
Aus den Forschungsergebnissen der Mediävisten 4
wissen wir, dass mit Alpen sowohl Tal- wie Bergalpen
gemeint sein konnten. Es gibt ausreichend Hinweise,
dass auch Alpen im Gebirge genutzt wurden. Dass
die Siedlungs- und Nutzflächen im Frühmittelalter
ausgedehnt wurden, ergibt sich zudem aus den Er
gebnissen der Flurnamenforschung: Die Deutung der
alträtoromanischen Flurnamen zeigt, dass Wälder ge
rodet und Kulturflächen erweitert wurden. In diesem
Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass das
Dorf Balzers vermutlich nicht nur aus dem Königshof
bestand, sondern dass es auch andere Bauern gab, die
zwar den Zehnt an die Kirche entrichten mussten,
aber vermutlich keine anderen Abgaben an den Kö
nigshof zu leisten hatten. Doch darüber soll hier nicht
spekuliert werden. 5
Über den Weinbau lässt sich anhand dieser paar Zei
len nicht viel sagen, ausser dass er - auch im Vergleich
zu anderen im Reichsurbar erwähnten Orten - recht
bedeutend gewesen sein muss. Eine Umrechnung in
Fiter ist nicht möglich, da ein Fuder [als Hohlmass] je
nach Region sehr unterschiedlich gross war. Man kann
davon ausgehen, dass sich der Verfasser des Urbars vor
allem deshalb für den Wein interessierte, weil damit
Abgaben verbunden waren.
Zu den beiden Höfen gehörten ferner Mühlen und je
ein Wald. Die Erwähnung der Mühlen belegt, dass der
Getreidebau [wohl vor allem Dinkel und Gerste] ver
breitet war. Wo die beiden Mühlen in Balzers lagen,
lässt sich nicht mehr feststellen.
Die Wälder waren lebensnotwendig. Holz wurde für
den Hausbau gebraucht, aber auch als Brennholz und
zum Errichten von Zäunen. Ausserdem ermöglichten
Buchen- und Eichenwälder die Schweinemast. Der
Wert eines Waldes wurde im Reichsurbar auch danach
beurteilt, wie viele Schweine zur Eichelmast in den
Wald getrieben werden konnten. Beim Hof Palazoles
heisst es, dass ein «guter» Wald dazugehörte, beim Hof
Meilis wird die Zahl der Schweine [100] angegeben.
Zum Königshof Meilis gehörten schliesslich noch -
was selten war - ein Fischteich und eine Reuse zum
Fischfang. Dies ist ein früher Beleg für Fischzucht in
unserer Region.
Beim Hof Palazoles werden zwei Kirchen erwähnt,
bei Meilis keine. Die Erwähnung der Kirchen ist zu
nächst einmal ein Beleg für die erfolgte Christianisie
rung. Zwei Kirchen bei einem königlichen Hof sind im
Reichsurbar eine Ausnahme, meistens war es eine oder
keine. Die Archäologen vermuten, dass es sich bei der
einen Kirche um die Kapelle auf Gutenberg gehandelt
haben muss. Dort befand sich seit dem 8./9. Jahrhun
dert auch ein Friedhof. Bei der zweiten Kirche handelt
es sich mit Sicherheit nicht um die Kapelle St. Peter in
Mäls, da diese nach den archäologischen Befunden erst
um 1300 entstanden ist. Die zweite Kirche befand sich
wahrscheinlich im alten Dorfteil von Balzers. Beide
Kirchen waren Eigenkirchen, das heisst, sie gehörten