Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2013) (2013)

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Der Anblick von Osten ist besonders kurz 
weilig: das Giebeldach über der Sakristei, 
das Pultdach über den Beichtzimmern und 
dem Laubengang, der Dachaufbau ober 
halb des dritten Fensters. An der Ostfassade 
fallen mir einige leere Sockel und Nischen 
auf, die nie mit den dafür geplanten Heiligen- 
figuren beziehungsweise einer Kreuzigungs 
gruppe versehen wurden. Einzig in der 
Nische der Nordostecke steht seit knapp 
dreissig Jahren eine Steinfigur des hl. Do 
natus, eine Nachbildung einer Holzfigur aus 
der ehemaligen Donatuskapelle der Burg 
Gutenberg. Das vorgesehene Kreuz auf dem 
östlichen Dachaufbau wurde ebenfalls nie 
realisiert. Von daher ist unsere Kirche auch 
nach hundert Jahren noch «eine Unvoll 
endete», wie sich Altvorsteher Mane Vogt 
schon zum 75-Jahr-Jubiläum ausdrückte. 
Ich finde das nicht schade, sondern es ist 
mir ganz sympathisch. Es erinnert mich 
daran, dass nichts, was wir Menschen er 
schaffen können, wirklich vollkommen sein 
kann und auch nichts vollendet sein muss. 
Trotz der Vielfältigkeit in der Fassade wirkt 
die Kirche auf mich dennoch schlicht und 
zeitlos: ein hohes Satteldach, ein niedrigerer 
Chor mit Apsis, der Turm, gegliedert durch 
ein Gesims und das Zinnenfries unter den 
Drillingsfenstern mit Schallöffnungen im 
Osten und Westen. Am Schluss der Umran 
dung folgt im Nordwesten nochmals eine 
attraktive Ecke mit einem kleinen Turm 
und dem torhausähnlichen Gebäude mit 
Fachwerk. 
Das imposante Äussere macht neugierig 
auf das Innere. Wertvolles muss darin auf 
gehoben sein. Das Äussere birgt das Innere 
und weist auch schon wie eine Verpackung 
auf den Inhalt hin. Die nach oben weisen 
den Türme und Giebel lassen erahnen, dass 
im Innern eine Verbindung von Erde und 
Himmel angeboten wird; die hohen Rund 
bogenfenster sowie die vielen kleinen Licht- 
und Schallöffnungen lassen durchblicken, 
dass Licht im Dunkel und Klänge in der 
Stille erlebt werden können. Die festen 
Mauern und der Bau auf Fels versprechen 
eine Erfahrung von Verlässlichkeit, Sicher 
heit, Geborgenheit. - Das Wort Kapelle 
wird aus dem Lateinischen «cappa» abge 
leitet, was «Mantel» bedeutet. Eine Kirche 
ist wie ein Mantel, der uns umhüllt, wärmt 
und schützt. Ein Mantel für die Seele. 
Das Portal. Von aussen nach innen. 
Der Haupteingang ist wie die Öffnung des 
Mantels, die einlädt, sich von Göttlichem 
umhüllen zu lassen, oder wie der Eingang 
zu einer Höhle, der lockt, den darin verbor 
genen Schatz zu bergen. In meinen Kinder 
jahren war die Eingangstür noch aus Holz 
und im Winter wurde jeweils ein Holzwind 
fang mit Schwenktüren aufgestellt. Seit der 
Renovation von 1981/82 tritt man nicht 
mehr ins Dunkle hinein. Die Glastür und 
der Windfang aus farbigem, hellem Glas 
mit Metall gewähren bereits Einblick und 
Transparenz. Sie helfen, von aussen nach 
innen zu kommen. Sowohl körperlich wie 
spirituell ist es ein Übergang. Das Aussen- 
licht kann mit eintreten in den Eingangs 
bereich. Das Innere darf herausschimmern. 
Die Glastür gewährt 
Einblick ins Innere. 
Das Aussenlicht kann 
mit eintreten. 
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Der Windfang. Der Empfang. 
Die Glaswände mit dem früheren Taufstein 
(1935) aus schwarzem Balzner Marmor als 
Weihwasserbehälter in der Mitte bilden den 
Empfang. Es ist mehr als ein Windfang, es 
ist ein Eintreten in eine andere Wirklichkeit. 
Innehalten, stehen bleiben, still werden - 
das geschieht fast automatisch in diesem 
Dazwischen von draussen und drinnen.
	        

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