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Der Anblick von Osten ist besonders kurz
weilig: das Giebeldach über der Sakristei,
das Pultdach über den Beichtzimmern und
dem Laubengang, der Dachaufbau ober
halb des dritten Fensters. An der Ostfassade
fallen mir einige leere Sockel und Nischen
auf, die nie mit den dafür geplanten Heiligen-
figuren beziehungsweise einer Kreuzigungs
gruppe versehen wurden. Einzig in der
Nische der Nordostecke steht seit knapp
dreissig Jahren eine Steinfigur des hl. Do
natus, eine Nachbildung einer Holzfigur aus
der ehemaligen Donatuskapelle der Burg
Gutenberg. Das vorgesehene Kreuz auf dem
östlichen Dachaufbau wurde ebenfalls nie
realisiert. Von daher ist unsere Kirche auch
nach hundert Jahren noch «eine Unvoll
endete», wie sich Altvorsteher Mane Vogt
schon zum 75-Jahr-Jubiläum ausdrückte.
Ich finde das nicht schade, sondern es ist
mir ganz sympathisch. Es erinnert mich
daran, dass nichts, was wir Menschen er
schaffen können, wirklich vollkommen sein
kann und auch nichts vollendet sein muss.
Trotz der Vielfältigkeit in der Fassade wirkt
die Kirche auf mich dennoch schlicht und
zeitlos: ein hohes Satteldach, ein niedrigerer
Chor mit Apsis, der Turm, gegliedert durch
ein Gesims und das Zinnenfries unter den
Drillingsfenstern mit Schallöffnungen im
Osten und Westen. Am Schluss der Umran
dung folgt im Nordwesten nochmals eine
attraktive Ecke mit einem kleinen Turm
und dem torhausähnlichen Gebäude mit
Fachwerk.
Das imposante Äussere macht neugierig
auf das Innere. Wertvolles muss darin auf
gehoben sein. Das Äussere birgt das Innere
und weist auch schon wie eine Verpackung
auf den Inhalt hin. Die nach oben weisen
den Türme und Giebel lassen erahnen, dass
im Innern eine Verbindung von Erde und
Himmel angeboten wird; die hohen Rund
bogenfenster sowie die vielen kleinen Licht-
und Schallöffnungen lassen durchblicken,
dass Licht im Dunkel und Klänge in der
Stille erlebt werden können. Die festen
Mauern und der Bau auf Fels versprechen
eine Erfahrung von Verlässlichkeit, Sicher
heit, Geborgenheit. - Das Wort Kapelle
wird aus dem Lateinischen «cappa» abge
leitet, was «Mantel» bedeutet. Eine Kirche
ist wie ein Mantel, der uns umhüllt, wärmt
und schützt. Ein Mantel für die Seele.
Das Portal. Von aussen nach innen.
Der Haupteingang ist wie die Öffnung des
Mantels, die einlädt, sich von Göttlichem
umhüllen zu lassen, oder wie der Eingang
zu einer Höhle, der lockt, den darin verbor
genen Schatz zu bergen. In meinen Kinder
jahren war die Eingangstür noch aus Holz
und im Winter wurde jeweils ein Holzwind
fang mit Schwenktüren aufgestellt. Seit der
Renovation von 1981/82 tritt man nicht
mehr ins Dunkle hinein. Die Glastür und
der Windfang aus farbigem, hellem Glas
mit Metall gewähren bereits Einblick und
Transparenz. Sie helfen, von aussen nach
innen zu kommen. Sowohl körperlich wie
spirituell ist es ein Übergang. Das Aussen-
licht kann mit eintreten in den Eingangs
bereich. Das Innere darf herausschimmern.
Die Glastür gewährt
Einblick ins Innere.
Das Aussenlicht kann
mit eintreten.
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Der Windfang. Der Empfang.
Die Glaswände mit dem früheren Taufstein
(1935) aus schwarzem Balzner Marmor als
Weihwasserbehälter in der Mitte bilden den
Empfang. Es ist mehr als ein Windfang, es
ist ein Eintreten in eine andere Wirklichkeit.
Innehalten, stehen bleiben, still werden -
das geschieht fast automatisch in diesem
Dazwischen von draussen und drinnen.