Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2013) (2013)

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Der Lokalaugenschein 
Zur Klärung der Sachlage fand am 10. April 
ein Lokalaugenschein statt, bei welchem 
neben Landrichter Carl Blum Schriftfüh 
rer Gregor Nigg, als Sachverständiger Lan 
destechniker Gabriel Hiener, als Zeugen 
die beiden Finanzwach-Oberaufseher Meyr- 
hofer und Holzhammer, drei weitere Finanz 
wach-Oberaufseher, Oltsvorsteher Heinrich 
Brunhart und als Beschuldigte Albrecht 
und Heinrich Wolhnger, Andreas Vogt sowie 
Klemens Gstöhl zugegen waren. 
Um den Grenzverlauf genau feststellen zu 
können, waren bei den Grenzsteinen am 
St. Katrinabrunna und am Tschingelkopf 
Signalstangen aufgestellt worden. So konnte 
der Grenzveriauf eindeutig bestimmt wer 
den: Der Kampfplatz lag auf Schweizer 
Seite, der Abstand zur Grenze betrug ge 
rade mal 26,7 Meter. Auch der Platz, der 
als Zwischenlager für die Schmuggelware 
genutzt worden war, wurde identifiziert: 
Er befand sich an einer Stelle, «wo durch 
eine vorspringende Felspartie ein natürlich 
geschützter Aufbewahrungsort für Waren 
gerichtlicherseits gefunden» wurde. Die 
Entfernung zur Grenze wurde nicht gemes 
sen, doch betrug sie nur 200 bis 250 Meter. 
Schliesslich wurde Johann Holzhammer 
noch befragt, ob er unter den Anwesenden 
jemanden erkenne, der ihn an der Grenze 
für den Fall eines Übertritts bedroht habe. 
Holzhammer erwiderte, niemanden zu er 
kennen, es seien noch andere Leute anwe 
send gewesen - und ging dann in seinem 
Bemühen, den Konflikt zu entschärfen, 
noch einen Schritt weiter: Keiner der Anwe 
senden habe eine drohende Miene gezeigt. 
Kein Wort mehr davon, dass er sich be 
droht gefühlt hatte. Er habe auch von sich 
aus erklärt, nicht über die Grenze gehen zu 
wollen. 
Die österreichischen Finanzer zeigten of 
fensichtlich keine Lust an einem Prozess und 
gaben sich mit der Feststellung zufrieden, 
dass der Grenzverlauf nicht leicht erkenn 
bar sei. Damit konnte ihnen kein offensicht 
liches Dienstvergehen vorgeworfen werden. 
Das Desinteresse in der Schweiz 
Das Landgericht erkundigte sich sowohl 
beim Kreisamt in Maienfeld wie auch bei 
der Direktion des III. schweizerischen Zoll 
gebiets in Chur, ob der Vorfall schweize- 
rischerseits untersucht worden sei. Sollte 
dies der Fall sein, bat es um die entspre 
chenden Protokolle. Doch beide Behörden 
zeigten keinerlei Interesse an der Grenzver 
letzung. Die Direktion des III. schweizeri 
schen Zollgebiets erwiderte, sie habe bloss 
an ihre Oberbehörde Anzeige über die Ab 
gabe der Waffen gemacht. Diese habe dann 
die Rückgabe an die k.k. Finanzbezirks 
direktion verfügt. Damit war die Sache aus 
Schweizer Sicht erledigt. Tatsächlich war 
die Rückgabe der Waffen bereits erfolgt. 
Die Einstellung des Verfahrens 
Nachdem die Anweisungen des Appellations 
gerichts ausgeführt waren, stellte Landrich 
ter Carl Blum am 17. April 1907 an das 
fürstlich liechtensteinische Appellations 
gericht in Wien erneut den Antrag, das Ver 
fahren einzustellen. Begründet wurde dieser 
Antrag vor allem damit, dass Rudolf Meyr- 
hofer «bei seiner irrtümlichen Dienstver 
richtung auf schweizerischem Gebiet die 
Eigenschaft einer obrigkeitlichen Person 
im Sinne des § 68 StGB» nicht zukam. 
Diesmal folgte das Appellationsgericht der 
Argumentation des Landrichters. In seinem 
Beschluss vom 10. Juni 1907 hielt es fest, 
dass sich Meyrhofer in der Schweiz befun 
den und deshalb als Privatperson gehandelt 
habe. Den Eigentümern der Ware müsse 
daher zugestanden werden, sich gegen 
einen nicht gesetzmässigen Eingriff in ihre 
Rechte zu verteidigen - gegebenenfalls 
sogar mit Notwehr. Stehe dies fest, sei auch 
eine Hilfeleistung der übrigen Beschuldig 
ten, die selber nicht Eigentümer der Ware 
waren, keine strafbare Handlung. Das Ver 
fahren gegen Albrecht Wolhnger und «Con- 
sorten» wurde daher eingestellt. So waren 
zum Schluss nur noch diverse Spesen zu 
bezahlen, auf welche die österreichischen 
Finanzer für ihre Aufwendungen Anspruch 
hatten. Dafür musste die Landeskasse auf- 
kommen.
	        

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