33
Dabei kam es zu einem Problem: Nach
Angaben von Gemeindevorsteher Heinrich
Brunhart stand eine Grenztafel nicht an der
richtigen Stelle, sondern zu weit nördlich.
Er selbst habe sie vor mehreren Jahren um
einige Meter in Richtung Balzers versetzt,
sodass diese Tafel nicht mehr in gerader
Linie zwischen den beiden Grenzsteinen
beim St. Katrinabrunna und am Tschingel-
kopf stehe. Der Landweibel kam deshalb
zum Schluss: «Es ist also noch nicht fest
gestellt, ob die Entwaffnung Meyrhofers
durch die Brüder Wolfinger auf liechten
steinischem oder schweizerischem Gebiet
erfolgte; es handelt sich um eine Differenz
von zirka 40 Metern.» Die Gebrüder Wolfin
ger und auch der Ortsvorsteher seien aller
dings der Meinung, die Entwaffnung habe
auf Schweizer Territorium stattgefunden.
Das Appellationsgericht lehnt
die Einstellung des Verfahrens ab
Am 20. Februar 1907 wurde Meyrhofer als
Erster vom Landgericht einvernommen.
Dieser anerkannte, dass der Streit auf
Schweizer Territorium stattgefunden hatte.
Er behauptete, die genaue Lage des Grenz
zeichens am Tschingelkopf nicht gekannt
zu haben und deshalb der Meinung gewe
sen zu sein, auf liechtensteinischem Gebiet
«amtzuhandeln». Umgekehrt hätten die
Balzner die Grenze aber genau gekannt,
«denn als ich den Heinrich Wolfinger ...
gegen die österreichische Grenz zerrte,
riefen alle sofort: Halt nicht mehr weiter,
da kommt die Grenze.» Offenbar war dem
Finanzer die Lust am Prozessieren bereits
abhanden gekommen, denn er verzichtete
ausdrücklich auf eine Anklage wegen Eh
renbeleidigung, obwohl ihn die Mälsner
als Dieb beschimpft hatten. Auch bestätigte
er, dass die ihm abgenommenen Waffen
bereits an die k.k. Finanzbezirksdirektion
geschickt worden seien.
Aufgrund dieser Aussage wollte Landrich
ter Blum den Prozess einstellen: Gemäss § 5
der Strafprozessnovelle von 1881 beantragte
er noch am gleichen Tag beim fürstlich
liechtensteinischen Appellationsgericht in
Wien, das dafür zuständig war, die «Ablas-
sung» (Einstellung) des Verfahrens. Dieses
5«r frommen Erinnerung
an unfern lieben Tkter, ©tofenatec «nb Onfet
1?etimi$ Bntnljart
mHDorftdjcr
geboren am 27. -Diai 1S58
gefforben am 27. 3uii 1935.
<Sv eut)c tit Reichen J
O Äerr, allmächtiger ®otf, mir bitten btcb,
im woliefi burtf) betn Oergoffeneö foftbareö
'Stuf bic Seele beineö ©ienetg fieinrict) in
bte ewigen fyreuben einfitbren burch Sefutn
Stwiftum unfern Äerrn. ‘älmen.
■öerr gib ihm bte ewige gtufw unb ©ein
einige^ etr£)t leuchte iimi!
Äerj 3cfu, äÖffnung alter, bie in ®ir fterben,
erbarme Sich unfer.
©üfje$ ßers Sefu, fei meine 9?cttung!
QJater unfer ec, Sluc SDiaria ec.
Heinrich Brunhart
war von 1897 bis
1900 und von 1903
bis 1912 Vorsteher
in Balzers. 1898 bis
1910 und 1914 bis
1922 war er auch
Landtagsabgeordne
ter. Das Geburtsjahr
auf dem Sterbe
bildchen ist falsch,
richtig wäre 1857.
lehnte jedoch am 7. März die Einstellung
ab, da keineswegs mit Sicherheit davon
ausgegangen werden könne, dass kein straf
barer Tatbestand vorliege. Für die Anwend
barkeit von § 81 StGB sei nicht die Frage
der Gesetzmässigkeit der Amtshandlung,
sondern die formelle Berechtigung zu die
ser Amtshandlung entscheidend. Die Frage,
ob Amtspersonen, die sich nicht mehr auf
liechtensteinischem Boden befänden, dieses
Schutzes entkleidet seien, müsse geprüft
werden. Das Landgericht müsse daher die
Beschuldigten einvemehmen und die genaue
Lage des Tatorts klären.
Die Einvernahme der Beschuldigten
Die Beschuldigten wurden auf den 22. März,
halb neun Uhr, in die Amtskanzlei des
Landgerichts vorgeladen. Diese Vorladung
hat ihnen offensichtlich einen gehörigen
Schrecken eingejagt. Jedenfalls suchten sie
nun einen Anwalt, und zwar den besten,