26
Strafsache gegen Albrecht Wolfinger und Cons.,
Balzers, wegen öffentlicher Gewalttätigkeit nach
§ 81 und ev. Aufruhr nach § 68 StGB
Paul Vogt
1 Alle Angaben in diesem
Beitrag stammen aus
folgendem Gerichtsakt
im Liechtensteinischen
Landesarchiv:
LILA J7/S 26/114. Die
biografischen Daten
sind dem Balzner
Familienbuch von
Fridolin Tschugmell
beziehungsweise den
Todesanzeigen in
den Landeszeitungen
entnommen.
2 Meyrhofer, gebürtig
aus Rohrbach (Ober
österreich), war
32 Jahre alt und ledig.
Zum Zeitpunkt, als
sich diese Geschichte
ereignete, wohnte er
in Balzers, danach in
Vaduz.
3 Emanuel Vogt: Mier
z Balzers, Bd. 3,
Vaduz 1998, S. 123 ff.
9|£w c • ' A m
W'. , o* %
Schmuggeln lohnte sich. Besonders heftig geschmuggelt wurde zwischen 1918 und 1923. Das Bild
zeigt neun Balzner Schmuggler und eine Schmugglerin, die übermütig posieren. Alle haben sich
festlich herausgeputzt und rauchen Zigarren oder Zigaretten. In der hinteren Reihe zwei Schwei
zer Grenzwächter und eine Sennertochter vom Wirtshaus Luziensteig, die ebenfalls mitfeiem.
Provokativ werden Schmuggelwaren gezeigt: Von der Schweiz nach Liechtenstein (bzw. nach
Österreich) geschmuggelt wurden beispielsweise Kaffee, Zigarren und Petrol, den umgekehrten Weg
nahmen landwirtschaftliche Geräte, Fahrräder, Wolldecken, Schuhe, Feldstecher, Werkzeuge usw.
Als Archivar stolpert man hin und wieder
über amüsante Geschichten, die tragisch
hätten enden können. Einen solchen Vor
fall möchte ich hier erzählen. 1 Es ist eine
Schmugglergeschichte, in welcher ein paar
Mälsner den österreichischen Finanzer
Rudolf Meyrhofer 2 fürchterlich ärgerten.
Der k.k. Finanzwach-Oberaufseher musste
die österreichisch-liechtensteinische Grenze
zur Schweiz kontrollieren. Die Geschichte
ereignete sich ausgerechnet an einem Fas
nachtsdienstag - Meyrhofer fand sie über
haupt nicht lustig und wird sie sein Leben
lang nicht mehr vergessen haben.
Die grüne Grenze an der Luziensteig
Der Schmuggel zwischen der Schweiz und
Liechtenstein erlebte vom Ende des Ersten
Weltkriegs bis zum Inkrafttreten des Zoll
vertrags mit der Schweiz 1924 seinen
Höhepunkt, wurde aber schon im ganzen
19. Jahrhundert betrieben. Gemäss Emanuel
Vogt 3 war Balzers gar ein «Schmugglerzen-
trum», wo viel geschmuggelt wurde - zum
Teil aus wirtschaftlicher Not, zum Teil aber
auch aus Abenteuerlust. Schmuggel wurde
von den Behörden zwar bestraft, galt aber
in der Bevölkerung nicht als unehrenhaft.
Schmuggler genossen sogar einen gewissen
Respekt für ihren Mut und ihre Schlauheit.