Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2011) (2011)

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Lieblich zur Sommerszeit 
auf hoher Alpen weid 
schwebt Himmelsruh, 
wo frei die Gemse springt, 
kühn sich der Adler schwingt, 
der Senn das Ave singt 
der Heimat zu. 
Von grünen Felsenhöhn 
freundlich ist es zu sehn 
mit einem Blick: 
wie des Rheins Silberband 
säumet das schöne Land, 
ein kleines Vaterland, 
voll stillem Glück. 
Hoch lebe Liechtenstein, 
blühend am deutschen Rhein 
glücklich und treu! 
Hoch leb’ der Fürst vom Land, 
hoch unser Vaterland, 
durch Bruderliebe Band 
vereint und frei! 
Dieser Text zeigt, dass sich Jauch eingehend 
mit der Geschichte Liechtensteins befasst 
hat. Bemerkenswert ist auch die Nennung 
des «Sennen-Ave» in der dritten Strophe. Es 
ist die erste schriftliche Erwähnung dieses 
sehr alten Brauchs und gleichzeitig ein 
Hinweis für dessen hohe Wertschätzung. 
Während seines Aufenthalts in London 
hatte Jauch die im Jahr 1745 erstmals auf 
geführte Hymne «God save the King» ken 
nengelernt. Diese galt zu jener Zeit als der 
Inbegriff einer Nationalhymne. Die Melo 
die hatte sich inzwischen über ganz Europa 
verbreitet und wurde in über dreissig Län 
dern mit jeweils eigenen Texten als Natio 
nalhymne verwendet. Es war für Jauch da 
her naheliegend, einen Text zu schreiben, 
der rhythmisch und im feierlichen Charak 
ter auf die englische Melodie passte. 
Jauch hatte zeitlebens mit Deutschen zu 
sammengearbeitet, und da Liechtenstein 
1806 Mitglied des von Napoleon gegründe 
ten Rheinbundes geworden war und nach 
dessen Auflösung dem 1815 auf dem Wie 
ner Kongress ins Leben gerufenen Deut 
schen Bund angehörte, hatten für ihn die 
Formulierungen «am Deutschen Rhein» 
oder «auf Deutschlands Wacht» nichts 
Nationalistisches an sich. 
Das einzige Zeugnis zur Annahme, dass der 
Text der liechtensteinischen Volkshymne 
mit grösster Wahrscheinlichkeit von Jakob 
Josef Jauch stammt, war bis vor einigen 
Jahren eine Stelle in einem Brief, den er am 
11. Februar 1858 (siehe dazu auch S. 34f.) 
aus Palermo an seinen Vertrauensmann 
Anton Kaufmann in Balzers geschrieben 
hat. Es handelt sich um die erstmalige 
Nennung des Anfangstextes: 
Dann meine gute Hatfe, auf der ich fromme 
Lieder spiele und singe. Als ich bei der 
Ankunft des letzten Briefes von Balzers 
«Oberst am Deutschen Rhein» zu singen an 
fing, versagte mir die Stimme unter Thränen 
der Wehmuth über das arme Völkchen von 
Liechtenstein und musste mehrere Male 
frisch ansetzen. 
Im Landesarchiv und im Fürstlichen Archiv 
in Wien fand ich bei meinen Recherchen 
einen Briefwechsel, der Jakob Josef Jauch 
eindeutig als Autor bestätigt. In einem 
Schreiben vom 14. Mai 1889 an die Hof 
kanzlei in Wien beantwortete Landesverwe 
ser In der Maur eine Nachfrage nach der 
liechtensteinischen Landeshymne wie folgt: 
Hochwohllöbliche Hofkanzlei! 
Über die gestellte Anfrage beehre ich mich 
mitzuteilen, dass eine allgemein anerkannte 
und bei offiziellen Ceremonien vorgetragene 
Hymne von Liechtenstein nicht existiert. Von 
privater Seite ist einige Male versucht wor 
den, eine solche Hymne einzuführen. So hat 
Anfangs der 50er Jahre ein in Balzers wohn 
haft gewesener Priester Jauch, der Erbauer 
des Schlosses Gutenberg, eine Hymne ge 
dichtet, welche nach der Melodie «Heil dir im 
Singerkranz [!]» gesungen werden sollte und 
mit den Worten begann «Oberst am 
Deutschen Rhein, da lieget Liechtenstein». 
Diese Hymne ist seither verschollen und 
auch in der hiesigen Registratur findet sich 
ein Akt über den fraglichen Gegenstand 
nicht. 
Vaduz, am 14. Mai 1889 
In der Maur 
Am 29. September 1895 wurde anlässlich 
der Eröffnung der Landesausstellung in Va 
duz die Hymne aufgeführt. Das «Liechten 
steiner Volksblatt» hielt dazu in seinem
	        

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