Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2011) (2011)

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stammenden Pfarrer Thomas Wolfinger und 
berichtete ihm über seine Pläne. In einem 
Brief vom 2. Januar 1854 schrieb Pfarrer 
Wolfinger an seinen Vetter Rheinberger 1 in 
Vaduz über das Zusammentreffen: 
Herr Jauch von Balzers besuchte mich auf sei 
ner Reise von Wien her. - Wenn alle die gross 
artigen Projekte, über die er mich in nicht 
geringes Erstaunen setzte, in Erfüllurig gehen, 
gratuliere ich dem ganzen Lande. - Balzers 
dürfte in kurzer Zeit das alte «Athen» werden. 
Der ehemalige Balzner Gemeindevorsteher 
Emanuel Vogt, der viel über das Leben und 
Wirken von Jakob Josef Jauch geforscht 
hat, beschreibt diese Zeit wie folgt: «Unser 
Land und Balzers waren damals sehr arm. 
Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren 
schwierig. Die Balzner Bevölkerung hatte 
früher stark vom Durchgangsverkehr ge 
lebt. Der Verkehr hatte sich verlagert, vor 
allem durch den Bau der Eisenbahn auf der 
anderen Rheintalseite. Der Verkehr über 
den Rhein erfolgte noch über Fähren. Es 
war die Zeit der grossen Auswanderungen. 
So waren von 1845 bis 1857 117 Personen 
aus Balzers nach Übersee ausgewandert. 
Die Einwohnerzahl von Balzers sank von 
1852 bis 1861 von 1*128 auf 1*014.» 
Zurück in Balzers, machte sich Jakob Josef 
Jauch mit Feuereifer an die Umsetzung sei 
ner Pläne. Er brachte den Balzner Gemeinde 
rat dazu, der Fürstin Franziska einen grossen 
Bauplatz unterhalb der Burg Gutenberg zu 
verkaufen. Der Kaufvertrag wurde am 
8. Dezember 1854 unterzeichnet. In seiner 
Ungeduld hatte Jauch mit dem Bau der Bil 
dungsanstalt allerdings schon vor Vertrags 
abschluss begonnen, was zu Kritik und Ver 
stimmungen führte. 
Jauch versuchte nach Kräften, die wirt 
schaftliche Lage zu verbessern. Um die 
Landwirtschaft produktiver zu machen und 
die Versorgung der Bevölkerung zu sichern, 
liess er aus Ungarn Agrarfachleute kommen, 
die neben dem Ackerbau, dem Gemüsean 
bau und der Viehzucht auch die Handwerks 
betriebe modernisieren sollten. Mit seinem 
offenbar cholerischen Temperament wollte 
er seine Ziele schnell, offenbar zu schnell, 
erreichen. Er eckte deswegen bei manchen 
Bauern und Handwerkern an, und es ent 
standen Gruppen pro und contra Jauch. 
Burghügel Gutenberg 
mit der 1863 für den 
Weinbau angelegten 
Terrassierung. Links 
das Bildungshaus 
Gutenberg, rechts am 
Fuss des Burghügels 
die von Jauch er 
baute Kapelle. 
Aufnahme von 1870. 
Zusammen mit den Fachleuten aus Ungarn 
entwickelte er auch die Pläne zur Terrassie 
rung des Burghügels für den Weinbau. Die 
Fertigstellung dieses Projekts konnte er 
selbst nicht mehr miterleben. Die Ausfüh 
rung der Stützmauern und die Bestockung 
mit Reben erfolgten erst 1863. 
Für den hochgebildeten und weltgewand 
ten Geistlichen, der Russisch, Deutsch, 
Französisch, Italienisch, Englisch und 
Kirchenlatein sprach, war der niedrige Bil 
dungsstand der Bevölkerung der Anstoss, 
die Schulpflicht rigoros durchzusetzen. Da 
mit brachte er offensichtlich erneut man 
che Bauern gegen sich auf. Waisenkinder 
liess er in ein Kloster-Institut nach Judenau 
im Bezirk Tulln, Niederösterreich, bringen, 
damit sie dort eine höhere Bildung erfah 
ren könnten, um dann eventuell als Lehre 
rinnen und Lehrer zurückzukehren. 
Der Balzner Pfarrer Josef Bahl von Tschag- 
guns beobachtete Jauchs Aktivitäten mit 
Misstrauen, vielleicht auch mit Eifersucht. 
Aus späteren Briefen der Bischöflichen 
Kanzlei in Chur geht hervor, dass er sich 
beim Bischof über mangelnde Entlastung 
durch Frühmesser Jauch beschwerte, «zu 
mal er kränklich sei». Nach und nach ent 
stand auch ein Graben innerhalb der 
Kirchenbesucher. 
Die Situation in der Gemeinde eskalierte 
vollends, als der Churer Bischof Kaspar de 
Carl ab Hohenbalken dem Frühmesser- 
Provisor Jakob Josef Jauch die Inkardina- 
tion im Bistum Chur verweigerte. Damit 
wurde ihm das Recht aberkannt, im Bistum 
Chur als Seelsorger tätig zu sein. Ein Brief 
1 Vermutlich handelt 
es sich um Johann 
Peter Rheinberger 
(1798-1874), den Vater 
des grossen Kompo 
nisten Josef Gabriel 
Rheinberger.
	        

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