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stammenden Pfarrer Thomas Wolfinger und
berichtete ihm über seine Pläne. In einem
Brief vom 2. Januar 1854 schrieb Pfarrer
Wolfinger an seinen Vetter Rheinberger 1 in
Vaduz über das Zusammentreffen:
Herr Jauch von Balzers besuchte mich auf sei
ner Reise von Wien her. - Wenn alle die gross
artigen Projekte, über die er mich in nicht
geringes Erstaunen setzte, in Erfüllurig gehen,
gratuliere ich dem ganzen Lande. - Balzers
dürfte in kurzer Zeit das alte «Athen» werden.
Der ehemalige Balzner Gemeindevorsteher
Emanuel Vogt, der viel über das Leben und
Wirken von Jakob Josef Jauch geforscht
hat, beschreibt diese Zeit wie folgt: «Unser
Land und Balzers waren damals sehr arm.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren
schwierig. Die Balzner Bevölkerung hatte
früher stark vom Durchgangsverkehr ge
lebt. Der Verkehr hatte sich verlagert, vor
allem durch den Bau der Eisenbahn auf der
anderen Rheintalseite. Der Verkehr über
den Rhein erfolgte noch über Fähren. Es
war die Zeit der grossen Auswanderungen.
So waren von 1845 bis 1857 117 Personen
aus Balzers nach Übersee ausgewandert.
Die Einwohnerzahl von Balzers sank von
1852 bis 1861 von 1*128 auf 1*014.»
Zurück in Balzers, machte sich Jakob Josef
Jauch mit Feuereifer an die Umsetzung sei
ner Pläne. Er brachte den Balzner Gemeinde
rat dazu, der Fürstin Franziska einen grossen
Bauplatz unterhalb der Burg Gutenberg zu
verkaufen. Der Kaufvertrag wurde am
8. Dezember 1854 unterzeichnet. In seiner
Ungeduld hatte Jauch mit dem Bau der Bil
dungsanstalt allerdings schon vor Vertrags
abschluss begonnen, was zu Kritik und Ver
stimmungen führte.
Jauch versuchte nach Kräften, die wirt
schaftliche Lage zu verbessern. Um die
Landwirtschaft produktiver zu machen und
die Versorgung der Bevölkerung zu sichern,
liess er aus Ungarn Agrarfachleute kommen,
die neben dem Ackerbau, dem Gemüsean
bau und der Viehzucht auch die Handwerks
betriebe modernisieren sollten. Mit seinem
offenbar cholerischen Temperament wollte
er seine Ziele schnell, offenbar zu schnell,
erreichen. Er eckte deswegen bei manchen
Bauern und Handwerkern an, und es ent
standen Gruppen pro und contra Jauch.
Burghügel Gutenberg
mit der 1863 für den
Weinbau angelegten
Terrassierung. Links
das Bildungshaus
Gutenberg, rechts am
Fuss des Burghügels
die von Jauch er
baute Kapelle.
Aufnahme von 1870.
Zusammen mit den Fachleuten aus Ungarn
entwickelte er auch die Pläne zur Terrassie
rung des Burghügels für den Weinbau. Die
Fertigstellung dieses Projekts konnte er
selbst nicht mehr miterleben. Die Ausfüh
rung der Stützmauern und die Bestockung
mit Reben erfolgten erst 1863.
Für den hochgebildeten und weltgewand
ten Geistlichen, der Russisch, Deutsch,
Französisch, Italienisch, Englisch und
Kirchenlatein sprach, war der niedrige Bil
dungsstand der Bevölkerung der Anstoss,
die Schulpflicht rigoros durchzusetzen. Da
mit brachte er offensichtlich erneut man
che Bauern gegen sich auf. Waisenkinder
liess er in ein Kloster-Institut nach Judenau
im Bezirk Tulln, Niederösterreich, bringen,
damit sie dort eine höhere Bildung erfah
ren könnten, um dann eventuell als Lehre
rinnen und Lehrer zurückzukehren.
Der Balzner Pfarrer Josef Bahl von Tschag-
guns beobachtete Jauchs Aktivitäten mit
Misstrauen, vielleicht auch mit Eifersucht.
Aus späteren Briefen der Bischöflichen
Kanzlei in Chur geht hervor, dass er sich
beim Bischof über mangelnde Entlastung
durch Frühmesser Jauch beschwerte, «zu
mal er kränklich sei». Nach und nach ent
stand auch ein Graben innerhalb der
Kirchenbesucher.
Die Situation in der Gemeinde eskalierte
vollends, als der Churer Bischof Kaspar de
Carl ab Hohenbalken dem Frühmesser-
Provisor Jakob Josef Jauch die Inkardina-
tion im Bistum Chur verweigerte. Damit
wurde ihm das Recht aberkannt, im Bistum
Chur als Seelsorger tätig zu sein. Ein Brief
1 Vermutlich handelt
es sich um Johann
Peter Rheinberger
(1798-1874), den Vater
des grossen Kompo
nisten Josef Gabriel
Rheinberger.