Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2010) (2010)

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raum noch vier Stück frische Wolldecken 
anbot, drückte sie mir ein Schmützli auf 
den Mund, dass mir beinahe der Schnauf 
ausging. 
Das Nachtessen hatte indessen David be 
reits zubereitet. Es bestand aus Suppe, 
Polentabrei und Büchsenfleisch, was uns 
allen sehr schmeckte. Tonetti begab sich so 
fort nach dem Essen auf sein Lager im 
Stall, während seine Tochter noch unser 
Nachtlager inspizieren wollte. Ich begab 
mich früh aufs Heu, da meine Hände von 
der Schleglerei mit dem Bohren von 
Löchern schmerzten, während David, Hein 
rich und Ottilia vor der Hütte noch sehr 
schöne Lieder sangen, welche die beiden 
Burschen in ihrem Männergesangsverein 
Balzers gelernt hatten. Heinrich sang den 
ersten, David den zweiten Tenor, während 
das Mädchen mit einer sonoren Sopran 
stimme mitsang, wie ich es in solcher Weise 
noch nie gehört hatte. Nach diesem ereig 
nisreichen Tag schlief ich sofort auf mei 
nem mir bereits geliebten Heulager ein. Ich 
erwachte nur kurz nochmals, als Ottilia 
sich ganz nahe an mich drückte, um sich zu 
wärmen. 
Als ich am Lreitag erwachte, schlief das 
Mädchen auf dem Lager ihres Vaters, von 
welchem ich diesen Morgen nichts hörte. 
[Im Verlauf des Morgens stellte sich dann 
heraus, dass der alte Tonetti die Dosis der 
Medizin, die ihm seine Tochter auf die Alp 
hatte bringen müssen, etwas zu grosszügig 
berechnet hatte. Statt dreimal täglich einen 
Löffel nach dem Essen, wie die Anweisung 
lautete, hatte er den Inhalt von mehr als zwei 
Dezilitern in einem Zug zu sich genommen. 
Die Lolge: ein Durchfall, der ihm und seiner 
Tochter eine ziemlich unruhige Nacht berei 
tet hatte. Denn der junge Josef Azzola sah 
«den Alten nackt neben dem Brunnen, in 
welchem er offenbar gebadet hatte, was ihn 
offensichtlich sehr abkühlte. Prisch bekleidet 
kam er nachher in die Hütte, wobei er über 
seine Medizin fluchte».] 
Solange seine Tochter hier war, wollte ich 
ihm aber die Gebrauchsanweisung der Me 
dizin nicht erklären, da ich ein neues Hallo 
zwischen ihm und seiner Tochter befürch 
tete. Ich riet ihm, sich noch etwas hinzu- 
Zweimal David 
Eberle: David jun., 
der Bearbeiter der 
Azzola-Tagebücher, 
und David sen., des 
sen Tätigkeit in den 
Tagebüchern be 
schrieben wird. 
Sie posieren hier 
vor der Haustüre 
Obergass Nr 58Vz 
anno 1948. 
legen, was er auch tat... Vater Tonetti und 
seine Tochter hatten somit eine schlechte 
Nacht hinter sich, da beide bis Mittag ihren 
Schlaf nachholten. 
Zum Mittagessen waren wir wieder alle bei 
sammen, wobei Vater Tonetti seiner Toch 
ter die Anweisung gab, meine Aufgabe zu 
übernehmen, nachdem sie zuvor seine Klei 
der gewaschen hatte. Später gestand mir 
das Mädchen, dass sie die ganze Nacht 
nicht geschlafen und Angst gehabt habe, 
das Lager zu verlassen. 
So war ich diesen Preitagnachmittag wie 
der Hilfsarbeiter bei Tonetti, da er David 
oder Heinrich nicht wollte, weil diese das 
Heu nicht auf seiner Bühne hatten. Ich 
brachte den Arbeitern Tee, welchen Ottilia 
bereitgestellt hatte, und Munition, die der 
Fuhrmann heute mit seiner ersten Fuhre 
gebracht hatte. Sofort wurden alle Steine 
gesprengt, was ca. 60 Schuss erforderte. 
Die grossen Steinbrocken waren nun noch 
zu verkleinern, während David und
	        

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