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41 Liechtensteiner Volks
blatt, 12. März 1936,
S. 1.
42 Liechtensteiner Vater
land, 29. Februar
1936, S. 2f.
43 Ebenda.
44 Liechtensteiner Vater
land, 14. März 1936,
o. S.
45 Liechtensteiner Volks
blatt, 12. März 1936,
S. 1.
43 GAV.
47 Ebenda.
Kritische Pressestimmen
Vor allem die Wandmalereien wurden nach
Abschluss der Innenausstattung der Pfarr
kirche im Jahr 1936 von der lokalen Presse,
dem «Liechtensteiner Vaterland» und dem
«Liechtensteiner Volksblatt», weitestge
hend abgelehnt. Laien auf dem Gebiet der
Kunst meldeten sich mit ihren persönli
chen Eindrücken in schriftlicher Form zu
Wort. Der feindliche Ring um die Kunst
maler hatte sich nun völlig geschlossen. Im
«Volksblatt» war zwar von gut stimmend
zueinander abgetönten Farben im Innern
zu lesen, schade nur, «dass die perspekti
visch gezeichneten, in Masse vorhandenen
Balken und Bänder so unruhig wirken.» Im
Chor «schlagen die organe Farbabstufung
und die umeinander fliegenden Sterne die
ganze Architektur des Chorgewölbes tot.» 41
Vom Korrespondenten «X.B.» wurde Nü-
scheler im «Liechtensteiner Vaterland» zwar
als «sorgfältiger Arbeiter und trefflicher
Dekorationsmaler» gelobt und die frische
helle Farbe der Decke als stimmungsvoll
empfunden; die Farbtöne der unteren Hälfte
der Seitenwände bewertete er jedoch als we
niger ansprechend. Die Heiligenbilder an der
Emporenseite hatten ihn ebenfalls «nicht
recht befriedigt». 42 Auch bei Hämmerle, dem
grösseres Geschick in der Darstellung des
menschlichen Körpers und im Ausdruck des
Seelischen bescheinigt wurde, suchte der
Schreiber vergeblich die «grosse Kunst».
Hämmerles Wandbilder über den Seiten
altären wurden als «einfache und würdige
Darstellungen» eingestuft, aber nicht in die
Reihe erstklassiger Kunstwerke aufgenom
men. Er vermisste zudem die hoheitsvolle
Madonna, wie sie ein Raffael, ein Tizian und
andere berühmte Meister gemalt haben.
Balzers musste sich mit einer grossen, schlan
ken Frau mit gütigem Lächeln zufriedenge
ben. Dem Chorgemälde mit der hl. Drei
faltigkeit bescheinigt X. B. in technischer Hin
sicht eine hohe Qualität, doch hier vermisste
er «das Innige, Bezwingende, den überwälti
genden Schmerz, die souveräne Meisterschaft
im Ausdruck innerer, geistiger Vorgänge
durch Pinsel und Farbe... Von klassischer
Feinheit der Zeichnung, von glänzender Cha
rakteristik jeder einzelnen Persönlichkeit die
ser Gruppe [Heilige unterhalb des Gnaden
stuhls] kann kaum die Rede sein.»
Was war der tiefere Sinn dieser «Künstler
jagd»? Bei der Berufung eines dritten
Malers wäre es wenig wahrscheinlich gewe
sen, «dass ein Matthias Grünewald oder gar
ein Raffael kommen würde». 43 «Kunstwerke
oder Werke, die als Kunstwerke angesehen
werden wollen», werden «immer und über
all einer Kunstkritik unterzogen. Eine sol
che Kritik ist nicht etwa wertlos. Sie dient
dazu, das Kunstverständnis zu heben und
allfällige Fehler für die Zukunft zu vermei
den.» 44 Doch hinterher seine Meinung zu
sagen, habe selten einen praktischen Wert
und führe meist nur zu Spannungen, wusste
die Gegenstimme im «Liechtensteiner
Volksblatt» die Lage einzuschätzen. Kri
tisch beurteilte dieser Schreiber, dass «Neu
anschaffungen und Neubauten vorbereitet
werden, ohne dass die Öffentlichkeit etwas
davon erfährt... Man steht meist immer nur
vor vollendeten Tatsachen.» 45 Ein Mitspra
cherecht für alle - eine beängstigende Vi
sion für Künstler und Architekten.
Der für den Bau des Vaduzer Rathauses
1932/33 verantwortliche Architekt Franz
Röckle fasste seine Einstellung in dieser
Angelegenheit folgendermassen zusammen:
«Es ist nirgends auf der Welt möglich, dass
alle Menschen mit einem Kunstwerk ein
verstanden sind.» 46 Es ist aber Pflicht,
«einem ernsthaften Künstler die Wege zu
ebnen und ihm keine unnützen Hinder
nisse zu bereiten. Ich halte es für durchaus
abwegig, wenn Nicht-Fachleute und Nicht-
Künstler sich zu Urteilen vorwagen, die
nicht mindestens Gleichwertiges in ihrem
Leben nachzuweisen haben... Eine Zurück
haltung der Laien erschiene mir sehr ange
bracht.» 47
Dialog von Kirche und Kunst
Erfahrung war in unterschiedlichem Masse
bei allen Beteiligten vorhanden. Auf keiner
Seite waren Anfänger am Werk, doch fehlte
offenbar ein zufriedenstellendes Gesamtkon
zept. Pfarrer Hollweck hatte Kenntnis von
der Deutschen Gesellschaft für christliche
Kunst in München, die 1893 im Auftrag der
Generalversammlung der Katholiken als
Verein gegründet worden war. Die heute
noch aktive Gesellschaft versteht sich als