Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2009) (2009)

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den einer Berechnung. 
Die älteste Angabe stammt aus dem «Leger 
buch» von 1584, einem Verzeichnis der Per 
sonen, die steuerpflichtig waren. Dieses 
enthält die Namen von 77 steuerpflichtigen 
Personen - inklusive Pfarrer, Gemeinde und 
Kirche, die ebenfalls unter den Schnitzzah 
lern aufgefühlt sind. 10 Wenn man die Zahl 
der Schnitzzahler mit den Haushalten 
gleichsetzt (was hier ohne weitere Begrün 
dung gemacht wird) und diese aufgrund 
von Vergleichswerten mit 6,0 (6 Personen 
pro Haus) multipliziert, so kommt man auf 
eine Einwohnerzahl von ca. 450 Personen. 11 
In einem Bericht über eine bischöfliche Vi 
sitation im Jahr 1595 heisst es, dass es in 
der Pfarrei Balzers 170 Kommunikanten 
gebe. 12 Die Kommunikanten wurden meist 
in der Osterwoche gezählt, in welcher es für 
jeden Katholiken Pflicht war, zur Kommu 
nion zu gehen. Das Alter, ab welchem man 
die Kommunion empfangen durfte, va 
riierte zwischen 12 und 14 Jahren. In rein 
katholischen Orten erlaubt die Zahl der 
Kommunikanten in der Regel eine relativ 
verlässliche Schätzung der Bevölkerungs 
entwicklung; leider ist aber für Balzers nur 
diese eine Zahl bekannt. Trotzdem soll eine 
Schätzung der Bevölkerungszahl versucht 
werden: Wenn man von der Annahme aus 
geht, dass 75 Prozent der Bevölkerung Kom 
munikanten waren, so hätte die Gesamt 
bevölkerung 226 Personen betragen. 13 
Wenn erst die 15-Jährigen zur Kommunion 
zugelassen waren und der Anteil der 1- bis 
15-Jährigen an der Gesamtbevölkerung 
etwa 38 Prozent ausmachte, so hätte die 
Balzner Bevölkerung sich immer noch auf 
nur 275 Personen belaufen. 14 Diese Zahlen 
sind zu tief, denn sie würden bedingen, 
dass sich die Bevölkerung in den folgenden 
hundert Jahren mehr als verdoppelt hätte. 
Peter Kaiser liefert eine weitere Angabe. Er 
schreibt, dass es in Balzers «313 Seelen» 
über 15 Jahre und «49 Feuerstätten» gab. 
Leider nennt er weder die Quelle noch eine 
genaue Jahreszahl. Aufgrund des Zusam 
menhangs ist davon auszugehen, dass die 
von ihm benutzte Quelle aus der Zeit um 
1600 stammt. Die Originalquelle ist leider 
nicht mehr zu finden. Kaiser rechnete pro 
Feuerstätte mit drei Kindern bis 15 Jahre. 
Nach dieser Schätzmethode hatte Balzers 
um 1600 eine Einwohnerzahl von 460. 15 
Diese Zahl passt auch gut zur Schätzung, 
die aufgrund der Angaben im «Legerbuch» 
von 1584 vorgenommen wurde. Zu denken 
gibt jedoch die extrem hohe Zahl von Per 
sonen (nämlich 9,4), die nach dieser Be 
rechnung in einem Haus gelebt hätten. Sie 
liegt deutlich über allen vergleichbaren 
Werten. Die Berechnungsmethode wirft zu 
mindest die Frage auf, was denn unter 
einer «Feuerstätte» zu verstehen ist. 
Es gibt eine dritte, an sich recht naheliegende 
Möglichkeit, die Angabe «313 Seelen» über 
15 Jahre für eine Schätzung der Ein 
wohnerzahl zu nutzen: eine Berechnung 
aufgrund des mutmasslichen Altersauf 
baus. Betrug die Balzner Bevölkerung, wie 
von Peter Kaiser geschätzt, 460 Personen, 
so entsprach der Anteil der «bis zu 15-Jäh 
rigen» 32 Prozent der Gesamteinwohner 
zahl - dies ist eine nicht unwahrscheinliche 
Grössenordnung. Auf eine höhere Einwoh 
nerzahl kommt man, wenn man von der 
Altersstruktur ausgeht, die sich aus den Be 
völkerungszählungen der Jahre 1809 und 
1815 ergibt: Hier lag der Anteil der «bis zu 
15-Jährigen» bei 38 Prozent. Mit diesem 
Prozentsatz käme man um 1600 auf eine 
Einwohnerzahl von 505. Für diese höhere 
Zahl spricht zumindest, dass die Kluft zur 
berechneten Bevölkerungszahl von 1728/29 
damit kleiner wird. Da im benachbarten 
Kanton St. Gallen das Bevölkerungswachs 
tum im 17. Jahrhundert auf ein Drittel ge 
schätzt wird, ist ein grösseres Wachstum 
für Balzers unwahrscheinlich. Aufgrund 
der schlechteren Wachstumschancen müsste 
es eher (wie in den südlichen Teilen des 
Kantons St. Gallen) darunter liegen. 
Eine weitere Interpretation dieser Angaben 
findet sich bei Otto Seger. Ob er die Quelle 
kannte, ist nicht geklärt. Er ging davon aus, 
dass die Angabe «313 Seelen» der Gesamtbe 
völkerung entsprach. Damit kommen wir 
auf eine Zahl von 6,4 Personen pro Haus, 
was immer noch sehr viel ist. Diese niedri 
gere Einwohnerzahl passt aber schlecht in 
das Bild, das man sich von der Gesamtent 
wicklung im 17. Jahrhundert machen muss. 
An der Huldigung von 1718 nahmen aus 
Balzers «101 haushäbliche Männer» teil. 16 
11 Vgl. zu dieser Proble 
matik Markus Matt 
müller: Bevölkerungs 
geschichte der 
Schweiz. Teil I: Die 
frühe Neuzeit 
1500-1700, Bd. 2, 
Basler Beiträge zur 
Geschichtswissenschaft. 
Basel 1987, S. 86. 
12 Arthur Brunhart: 
1150 Jahre Balzers 
und Mäls - 650 Jahre 
Grafschaft Vaduz. 
Balzers 1992, ohne 
Seitenangabe. 
13 Klein meint, dass in 
Vorarlberg ein Zu 
schlag von 20 bis 40 
Prozent zu machen 
sei, um die Gesamtbe 
völkerung zu erhalten. 
Am wahrscheinlichs 
ten seien 25 Prozent. 
Kurt Klein: Die Bevöl 
kerung Vorarlbergs 
vom Beginn des 16. bis 
zur Mitte des 18. Jahr 
hunderts. In: Montfort 
21 (1969), S. 67. - Zu 
dieser Berechnung vgl. 
Markus Mattmüller: 
Bevölkerungsgeschichte 
der Schweiz. Teil I: 
Die frühe Neuzeit 
1500-1700, Bd. 1, 
Basler Beiträge zur 
Geschichtswissenschaft. 
Basel 1987, S. 93. 
14 Um 1815 gehörten 
38 Prozent der Bevöl 
kerung in Liechten 
stein der Altersklasse 
«1-15 Jahre» an. Aus: 
Ospelt, wie Anm. 1, 
S. 50. Wenn man den 
von Mattmüller vorge 
schlagenen Reduk 
tionsfaktor von 1,33 
nimmt, kommt man 
gar nur auf 226 Ein 
wohner. 
15 Peter Kaiser: Ge 
schichte des Fürsten 
thums Liechtenstein. 
Chur 1847, S. 362. 
16 Albert Schaedler: 
Huldigungs-Akte bei 
dem Übergang der 
Herrschaft Schellen 
berg und Grafschaft 
Vaduz an die Fürsten 
von Liechtenstein. In: 
JBL 10 (1910), S. 29.
	        

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