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nach unten. Sie bewegte sich meist zwischen
20 und 40 Promille. Die Bevölkerung war
äusserst anfällig für Krisen aller Art: anstek-
kende Krankheiten, schlechte Ernährungs
und Versorgungslage sowie Teuerung.
Besonders auffallend ist, dass die Kurve ex
treme Ausschläge aufweist; am stärksten sind
diese für die Jahre 1771 und 1796. Von 1771
bis 1773 herrschte in der ganzen Region eine
grosse Hungersnot: Allein im Jahr 1771
starben in Balzers 68 Personen, was etwa
13,6 Prozent der Bevölkerung entsprach.
Auch in den Jahren davor und im Jahr da
nach starben ungewöhnlich viele Menschen.
— Anzahl Geburten absolut
Geburtenrate (pro Г000 Einwohner)
1796 wurden 73 Todesfälle verzeichnet
(11,5% der Bevölkerung). Auch hier sind
die Hintergründe bekannt: Seit 1794
herrschte eine Hungersnot; 1796 kam eine
Pockenepidemie dazu. Ausserdem führte
Napoleon seinen Italienfeldzug, österrei
chische Truppen kamen in unser Land.
Möglicherweise brachten die Soldaten die
Pocken mit, denn auch bei anderen Trup
peneinquartierungen wurden oft Krankhei
ten eingeschleppt.
Die liechtensteinische Geschichte ist noch
zu wenig erforscht, als dass wir in den übri
gen Krisenjahren die Ursachen der hohen
Sterberate erklären könnten. Wir dürfen
aber davon ausgehen, dass die Verhältnisse
in Liechtenstein nicht anders waren als im
benachbarten Kanton St. Gallen: Dort führ
ten von 1739 bis 1741 ungünstige Witte
rungsverhältnisse zu schlechten Ernten
und damit zu einer Hungersnot, ebenso in
den Jahren 1768 bis 1771. In Graubünden
dauerte die Hungersnot gar bis 1773.
In Balzers kam es immer wieder zu Epide
mien und Hungerjahren, in denen die Zahl
der Toten jene der Neugeborenen um das
Doppelte oder gar Dreifache überstieg, was
im Vergleich mit anderen Gebieten sehr viel
ist. Die Jahre 1730 bis 1751 waren geprägt
von einer langen Krisenzeit, aber auch
danach folgten sich bis 1772 die Krisen in
kurzen Abständen. Von den Epidemien wa
ren jeweils die Kinder am meisten betrof
fen: Sie waren mangelhaft ernährt, wurden
schlecht gepflegt und wiesen deshalb kaum
Widerstandskraft auf. Aus den Aufzeich
nungen im Balzner Pfarrbuch geht hervor,
dass bei Epidemien meist mehr als die
Hälfte der Verstorbenen Kinder waren.
Die Geburtenrate wies bis 1758 eine fallende
Tendenz auf; danach stieg sie an und er
reichte 1775 mit 63,5 einen extrem hohen
Wert. Dies deutet auf eine gewisse Selbstre
gulierung hin: Nach Krisen mit einem Be
völkerungsschwund nahm die Zahl der
Geburten rasch zu. Es ist daher nicht un
wahrscheinlich, dass einfache Methoden
der Geburtenregulierung schon bekannt
waren. Nach 1776 ging dann die Geburten
rate wieder etwas zurück, blieb aber insge
samt trotz der schlechten Verhältnisse im
letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts auf
einem hohen Niveau.
Bemerkenswert ist, dass es einige Jahre
dauerte, bis sich die Trendwende bei den
Geburten (um 1766) in einer Zunahme der
Bevölkerung (ab 1773) niederschlug. Diese
ist jedoch trotz der schweren Krise von
1770 bis 1772 bereits 1772 festzustellen: In
den Jahren nach 1771 (als 13,6% der Balz
ner starben) war die Geburtenrate extrem
hoch - wiederholt lag sie über 60 Promille.
Dies führte zu einem starken Bevölkerungs
wachstum. In nur 23 Jahren nahm die Be
völkerung um fast 40 Prozent zu.