Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2009) (2009)

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6 Ein von Norbert 
Jansen 2007 aktuali 
siertes Verzeichnis ist 
auf der Homepage des 
Liechtensteinischen 
Landesarchivs abruf 
bar (www.la.llv.li). 
7 Balzner Pfarrbuch 
1717-1837, fol. 287 v. 
Die Nummerierung ist 
teilweise falsch; in der 
Endsumme ist die 
Zahl 117 aber wieder 
richtig. 
Ehen. 1828 wurde bei den Eheschliessun 
gen für den hier untersuchten Zeitraum 
erneut ein Höchststand verzeichnet. Da es 
keine einfache Erklärung dafür gibt, könnte 
die Ursache durchaus im Bemühen der 
Obrigkeit gesucht werden, kirchlich ge 
schlossene Ehen nicht mehr ohne Weiteres 
anzuerkennen. Dann hätten die Leute nach 
dem Motto gehandelt: Heiraten wir, solange 
wir noch können. 1842 wurde dann der po 
litische Ehekonsens wieder gelockert; 
gleichwohl zeigte der Trend bei den Ehe 
schliessungen in den folgenden zwanzig 
Jahren abwärts. 
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Anzahl nach Amerika 
ausgewanderter Personen 
Als Folge der schlechten wirtschaftlichen 
Situation wurde die Auswanderung zuneh 
mend ein Thema. Eine bescheidene saiso 
nale Auswanderung gab es schon im 18. Jahr 
hundert. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts 
nahm sie stark zu. Man schätzt, dass Mitte 
des 19. Jahrhunderts etwa 10 Prozent der 
liechtensteinischen Bevölkerung vom Früh 
jahr bis zum Herbst in der Schweiz, in Süd 
deutschland oder Frankreich einem Erwerb 
nachgingen (darunter auch viele Kinder als 
sogenannte Schwabengänger). 
Eine dauernde Auswanderung war bis 1848 
verboten beziehungsweise an Auswande 
rungsgebühren gebunden. Sie kam deshalb 
nur selten vor, am ehesten bei heiratswilli 
gen Frauen. Die Zahl der Auswanderer war 
vor 1848 relativ klein, aber es gab sie. 1845, 
drei Jahre vor der Aufhebung des Auswan 
derungsverbots, setzte die erste grosse 
Emigrationswelle nach Amerika ein. Dank 
der Arbeit von Norbert Jansen sind die Aus 
wanderungen sehr gut dokumentiert. Bal- 
zers verzeichnete von allen liechtensteini 
schen Gemeinden mit Abstand am meisten 
Auswanderungen: Jansen zählte - das 
19. und 20. Jahrhundert zusammengenom 
men - in Balzers 223 «Auswanderungs 
fälle», in Schaan 156, in Mauren 151, in 
Vaduz 140 usw. Bei einem «Auswande 
rungsfall» kann es sich um eine Einzelper 
son oder auch eine ganze Familie handeln. 6 
Das älteste Balzner Pfarrbuch enthält eine 
Liste mit den Namen von 117 Balznern und 
Balznerinnen, die in den Jahren 1845 bis 
1857 nach Amerika ausgewandert sind. 7 Nor 
bert Jansen hat eine noch grössere Zahl von 
Auswanderern ermittelt: Im Zeitraum von 
1845 bis 1874 hat er 82 «Auswanderungs 
fälle» dokumentiert. Wenn man anhand sei 
ner Liste die Einzelpersonen auszählt, so 
kommt man auf 145 Personen, die in diesen 
Jahren von Balzers nach Amerika ausgewan 
dert sind. Die Grafik zeigt die Verteilung die 
ser 145 Personen auf die einzelnen Jahre. 
Im Rahmen dieser Arbeit kann nicht auf 
alle interessanten Aspekte der Bevölke 
rungsgeschichte eingegangen werden. Er 
wähnt werden soll aber doch noch die 
widersprüchliche Haltung der Obrigkeit: 
Auf der einen Seite betrachtete man im 
Sinne der Wirtschahstheorien des 17. Jahr 
hunderts eine hohe Bevölkerungszahl als 
Quelle von Reichtum und verhinderte oder 
erschwerte bis zur Jahrhundertmitte Aus 
wanderungen. Auf der anderen Seite sah 
man das Bevölkerungswachstum als Bedro 
hung, als Ursache für eine sich ankün 
digende allgemeine Verarmung. Armen 
Leuten, die kein ausreichend grosses 
landwirtschaftliches Anwesen besassen, um 
eine Familie ernähren zu können, wurde 
das Heiraten verboten (politischer 
Ehekonsens von 1804). Um den Anteil der 
einzelnen Haushaltung am 
Gemeindenutzen nicht verkleinern zu müs 
sen, hielt man trotz des starken 
Bevölkerungswachstums bis in die 1830er- 
Jahre an einem Hausbauverbot fest. Ebenso 
wehrten sich die Balzner vehement gegen 
eine Aufteilung des Gemeindebodens, was 
eine Intensivierung der Landwirtschaft 
ermöglicht hätte. Die konservative Haltung 
der Balzner behinderte die wirtschaftliche 
Entwicklung der Gemeinde.
	        

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