Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2008) (2008)

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Welche Entwicklung machte dir Freude 
und welche eher Angst? 
Vom Fortschritt habe ich das Positive gese 
hen. Ich war nie eine «ewig Gestrige» und 
habe mich immer am guten Neuen gefreut. 
Was mir bleibt, sind die vielen schönen 
Erinnerungen. 
Es gab sicher auch harte Zeiten? 
Ich habe zwei Weltkriege und die entbeh 
rungsreichen Zwanziger- und Dreissiger- 
jahre erlebt, auch die Geldentwertung. Im 
Ersten Weltkrieg hörte ich das Bummera, 
das Dröhnen der Geschosse, und im 
Zweiten Weltkrieg die Flieger. Es waren 
dramatische Zeiten. Hart war zudem, dass 
man nicht viel hatte; wir machten aber 
immer das Beste daraus. 
Was bedeutet für dich die Familie, die 
Verwandten, Freunde? 
Die Gemeinschaft bedeutet mir viel. Das 
Gefühl haben, dazuzugehören, war mir im 
mer wichtig. Eine besonders gute Bezie 
hung hatten wir zu den Leuten der Balzner 
Mühle, es waren die Äägna. D’Möle-Bäse, 
sMerätle (Emerita), war die Schwester mei 
nes Vaters. Emil Schaedler, mein ältester 
Cousin, der Vater des späteren Regierungs 
sekretärs gleichen Namens, war mein 
«Standgötte», da der richtige Taufpate, dr 
Manzele Sepp, im Ausland war. Später ein 
mal sollte ich dem Emil Schaedler, als er zu 
Besuch kam, einen Kuss geben. Ich war zu 
scheu: I trau halt ned, i trau halt ned! 
Ich brauche aber auch meine Zeit für mich 
alleine, die ich immer schon gerne mit 
Lesen ausgefüllt habe. Wichtig ist die rich 
tige Mischung von Gesellschaft und dem 
Alleinsein. 
Wie hast du es nur gemacht, 100 Jahre 
alt zu werden? 
Alltag nee, wia’s kunnt, und dem Herrgott 
für die Jahre und für die Gesundheit dan 
ken, es woll. Ich hatte drei Hüftoperatio- 
nen; dadurch wurde mein Ischiasnerv zer 
stört, was mich beim Gehen behindert. 
Ansonsten war ich nie krank. Und Runzla 
hane o zwäneg. 
Es braucht eine gewisse Gelassenheit, und 
man muss das Alleinsein aushalten. Kurz: 
Man muss das Leben annehmen, wie es 
kommt. 
Was magst du besonders gerne? 
Ich bin eine zufriedene Person und habe 
gerne positive Menschen um mich. A Reisle 
macha, tuane scho gärn. Zusammen mit 
meinem Mann habe ich viel von der Welt 
gesehen. Wir waren mit dem Flugzeug in 
Amerika und in vielen Ländern Europas. 
Auch die verschiedenen Busreisen habe ich 
sehr genossen. 
Ich schätze ein feines Essen mit einem Glas 
Wein. Auch schöne Musik höre ich gerne, 
aber ka klepperegs Züüg. Und natürlich 
freut es mich, wenn ich wääch angezogen 
und gepflegt bin. 
Im Nachhinein betrachtet: Würdest du 
vieles wieder gleich machen? 
Was wettescht, wänn’d ned anderscht 
kascht? Ich würde im Rahmen meiner 
Möglichkeiten im Grossen und Ganzen 
mein Leben wieder gleich gestalten. Und 
ich bin zufrieden damit. 
Für was lohnt es sich besonders, sich 
einzusetzen? 
Mama wünschte, dass ich sie im Alter nicht 
alleine lassen würde. Es freute mich dann, 
dass Vater und Mutter diese Pflege sehr 
schätzten. Ich wurde dafür mit schönen 
späteren Jahren, besonders auch zusam 
men mit meinem Mann Ferde belohnt. 
Was ist aus deiner heutigen Sicht speziell 
wichtig im Alter und im Leben? 
Es liegt auf der Hand: Jeder Mensch muss 
sein Leben annehmen, wie es kommt, das 
ist vom Herrgott der Wille. Ein genereller 
Rat ist schwierig zu erteilen, da jeder 
Mensch sein eigenes Schicksal hat. Es 
kommt, wie es kommen muss. 
Ich bin dem Herrgott dankbar für mein 
Leben und meine Situation. 
Was war und ist dein «Leitspruch»? 
Dr Härrgott still’s gee und nee, wia’s äär 
mänt! Mehr kannst du nicht verlangen; es 
kommt sowieso, wie er es will. Darum 
musst du es halt annehmen, Gutes und 
Schlechtes.
	        

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