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Der schöne Ehrensold, den ihm in Aner
kennung seiner grossen Uneigennützig
keit und seiner vielen Verdienste zum
teil der Landtag, zumteil auch die Huld
Sr. Durchlaucht gewährte, und die liebe
volle Pflege, die ihm das von barmh.
Schwestern geleitete Bürgerheim zuteil
werden liess, hätten ihm einen ange
nehmen Lebensabend bereiten können,
wenn nicht die Last der Jahre immer
drückender geworden wäre. Wiederholte
Schlaganfälle wurden zwar mit stau
nenswerter Zähigkeit überwunden, ver
ursachten jedoch eine teilweise Läh
mung und hatten eine raschere Abnahme
der geistigen und körperlichen Kräfte
zur Folge. Die letzten Wochen waren
besonders leidensvoll, bis diese riesige
Natur vom allgewaltigen Tode niederge
rungen war. Er starb am 10. Januar zur
Mittagsstunde im 83. Lebensjahre.
Als die Trauerglocke dieses Ereignis
kundgab, sagte sich jeder, mit dem gu
ten Kanonikus ist ein edler Mann, ein
würdiger Priester aus unserer Mitte ge
schieden. Sein Andenken wird noch
lange unter uns fortleben. Seine Freige
bigkeit war allbekannt, sowie seine
grosse Einfachheit und Genügsamkeit.
Viel besass er nie; aber von dem, was er
hatte, gab er immer gerne. In wie man
chen Condolenzschreiben an den Ver
fasser dieser Zeilen wird er «Wohltäter»
genannt. Was er von dem Ehrensolde
erübrigte, ging zu wohltätigen Zwecken
hinaus. Im Testament ist fast die ganze
Hinterlassenschaft für solche Zwecke
bestimmt worden.
Kanonikus Büchel war ein hochgebilde
ter Mann, ein klarer Kopf, der gründli
che philosophische und theologische
Kenntnisse besass, die er durch Lektüre
fortwährend vertiefte und erweiterte;
dabei war er eine eminent praktische
Natur, die mit ruhigem und klarem Bli
cke Menschen und Verhältnisse beur
teilte. Vielleicht war er zu sehr Opti
mist. Seine religiösen Vorträge waren
einfach, aber klar und überzeugend, sei
ne Christenlehren mustergültig. Auch
in den letzten Jahren noch wurde jeder
Vortrag vollständig niedergeschrieben.
Der sei. Kanonikus war ein Frühaufste
her. Im Sommer um 4 Uhr, im Winter
um 4 1/2 Uhr begann er sein priesterli-
ches Tagewerk, indem er sich durch
Gebet, Betrachtung und Brevier auf den
Dienst des Altares vorbereitete. Der
Vormittag war dann dem Studium oder
der Katechese, der Nachmittag dem
Krankenbesuche u. a. gewidmet. Besu
che, besonders von geistlichen Mitbrü
dern, waren ihm immer willkommen,
und durch sein aussergewöhnliches Er
zählertalent wusste er dann die Unter
haltung anregend und angenehm zu
machen. Es braucht wohl nicht erst ge
sagt zu werden, dass sein Ansehen bei
der Geistlichkeit sehr gross war und
dass bei seiner anerkannt kirchlichen
Gesinnung, seiner vieljährigen und viel
seitigen Praxis, seiner gründlichen Ver
trautheit mit unseren Verhältnissen
sein Rat vielfach in Anspruch genom
men wurde. In den Pastoralkonferenzen
war seine Stimme massgebend. Aber
auch bei der Laienwelt, bei Volk und
Behörden stand Kanonikus Büchel in
hohem Ansehen. Man ehrte in ihm den
würdigen Priester von exemplarischem
Wandel und den hochgebildeten, edlen
Mann; das ehrt die Verehrer und den
Verehrten in gleichem Masse.
Mit dem liebenswürdigen Priestergreise
ist ein Zeuge vergangener Tage, ein mar
kanter Charakter, ein dem kleinen
Vaterland treu ergebener Liechtenstei
ner, oder - wie ein Landsmann aus wei
ter Ferne geschrieben hat - ein Stück
Heimat, ein Stück Alt-Liechtenstein zu
Grabe gegangen. Ehre seinem Andenken!
Liechtensteiner Volksblatt, 25. Januar 1907
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Liechtensteiner Volksblatt, I. März 1907