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Meine dreizehn Jahre
als Leiterin der Poststelle Balzers
Hedy Jung-Schädler
Zu einem Bericht über meine Tätigkeit als
Poststellenleiterin gehört auch eine Vor
geschichte, die für die heutige Zeit - zum
Glück - unvorstellbar ist: Nachdem ich
einige Jahre in verschiedenen Bereichen
der PTT gearbeitet hatte, entschloss ich
mich, die Möglichkeit einer Weiterbildung
wahrzunehmen. Das war 1986, also vor
zwanzig Jahren. Damals stiess ich als Frau
auf wenig Unterstützung seitens der Kreis
postdirektion St. Gallen. Der Personalchef
machte mich darauf aufmerksam, dass ich
dann wieder die Schulbank drücken müsste
und meine Mitschüler etwas jünger wären
als ich. Zudem würde ich - so seine Mei
nung - nachher wahrscheinlich heiraten
und wegen Mutterschaft auch bald meine
Arbeit aufgeben. Ich schlug jedoch all diese
Argumente in den Wind. Wie ich ihn darauf
hinwies, dass kürzlich drei Männer nach
ihrer Ausbildung die Post verlassen hätten,
beugte er sich schliesslich meiner Hart
näckigkeit. Im Selbststudium bereitete ich
mich während eines Jahres intensiv auf die
erforderliche Prüfung vor. Als ich diese
bestanden hatte, konnte ich ins letzte Lehr
jahr für diplomierte Postbeamte einsteigen.
Vier Jahre nach meinem Abschluss wurde
in Balzers die Stelle des Posthalters ausge
schrieben, für welche ich mich bewarb. Es
war damals noch Bedingung, verheiratet zu
sein, und mein Mann Michael musste mich
zum Bewerbungsgespräch bei der Kreis
postdirektion begleiten. Auf deren Vor
schlag hin wurde ich dann von der liechten
steinischen Regierung zur Posthalterin von
Balzers ernannt.
Nach einer Einführungsphase durch mei
nen Vorgänger Remo Vogt nahm ich meine
Tätigkeit Anfang Januar 1993 auf. Als Ers
tes kaufte ich mir eine Taschenlampe, denn
neben einer 54-Stunden-Woche war ich
auch für die Zustellung der Expresssendun
gen verantwortlich. Die letzte Auslieferung
I
erfolgte um zwanzig Uhr. Da es im Winter Das Postgebäude
um diese Zeit bereits stockfinster war und Balzers
die Hausnummern noch nicht nach der
Lage in der Strasse vergeben waren, suchte
ich mit meiner neuen Taschenlampe und
einem Ortsplan im Auto die jeweiligen
Adressaten. Mein Mann unterstützte mich
oft bei meiner Arbeit. Manchmal übernahm
er am Abend oder an den Wochenenden
diese Zustellungen für mich.
Ungefähr ein halbes Jahr nach meinem
Amtsantritt beschloss die Regierung die
längst fällige Renovation der Poststelle Bal
zers und vor allem deren Vergrössemng.
Ich war von Anfang an in die Planung invol
viert und konnte meine Ansichten und
Vorschläge einbringen. Es war für mich
eine sehr intensive Zeit, galt es doch, den
Postbetrieb während eines Jahres auf einer
Baustelle aufrechtzuerhalten. Da mich der
Umbau ziemlich beanspruchte, verbrachte
ich an den Wochenenden viele Stunden auf
der Post, um Unerledigtes aufzuarbeiten.
Mein Team und ich freuten uns auf die neuen
Räumlichkeiten, sodass wir bereit waren,
einige Strapazen auf uns zu nehmen.