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Links:
Anwesen von Ferdi
nand und Katharina
Frick auf der Kohl
bruck (heute Iramali,
Haus Nr. 39)
Rechts:
Auf Guschgfiel, 1949
(v.l):
Josef Büchel (Senn),
Andreas Bürzle (Zu-
senn),
David Büchel (Hirt),
Arnold Vogt (Mister),
Anton Senn (Klein
küher)
Das Frühjahr neigte sich dem Ende zu, als
mir der Alpvogt von Guschgfiel ein lukratives
Angebot unterbreitete. Ach, schon wieder
hüten! Eigentlich hatte ich das Viehhüten
satt. Wie mir der Alpvogt jedoch dreihundert
Franken in Aussicht stellte, machte mein
Herz einen recht sportlichen Luftsprung.
Er gab zu verstehen, dass er Viehhändler
sei und in seinem Stall ganzjährig vier bis
fünf Stück Vieh stünden, zum Fuhrwerken
auch ein Ochse. Das mit dem Ochsen hat
mir weniger imponiert, aber ich habe doch
zugesagt. So sollte ich die nächsten drei
Jahre Knecht beim Sennabuaba Fränzle in
der Iradug in Mäls sein.
Der Sommer 1949 auf Guschgfiel
Im Gegensatz zu den Almen, auf denen ich
bisher mein Hirtenleben verbracht hatte,
war Guschgfiel eine Schönheit sonderglei
chen: sanfte grüne Matten, auf denen man
kaum einen Stein fand, um ihn einer un
folgsamen Kuh nachzuwerfen.
Es gab nicht viel zu tun beim Hüten, aber
es gab gutes Essen. Jeden Tag bekam ich
Milchmus, das der Senner Josef Büchel
extra für mich kochen musste. Die anderen
Kollegen mochten es nach drei Tagen schon
nicht mehr anschauen.
Der Sommer war sehr schön. Trotzdem be
kam ich ein bisschen Heimweh, da die Alp
doch etwas abgelegen war und wir nicht viel
Besuch hatten. Einmal jedoch, da tauchte
eine Schönheit auf; sie kam ihren Bruder
Noldi besuchen. Diese Frau hat mir fast den
Kopf verdreht. Leider war sie aber zwei,
drei Jahre älter als ich. Nach fünfzig Jahren
habe ich sie wieder getroffen, und zwar wie
der auf Guschgfiel - welch ein Zufall!
Tapetenwechsel
Ende Saison, beim Alpabtrieb, kam ein
seriöser Herr auf mich zu und bot mir sieb
zig Franken Monatslohn, wenn ich bei ihm
die Stelle als Stallmeister antreten würde.
Doch vorerst fuhr ich für ein paar Tage
nach Hause, nach Grins ins Oberinntal.
Herzlich verabschiedete ich mich bei der
Familie Frick und bedankte mich für die
liebevolle Aufnahme, das nette Zuhause
und das Zudrücken beider Augen nach dem
geschilderten Fahrradschaden. Ferde und
Katharina hatten inzwischen, da sie kinder
los waren, ein herziges zweijähriges Mäd
chen namens Ruth bei sich aufgenommen.
Ein neuer Arbeitsbereich
Obwohl ich kein Laie in Sachen Landwirt
schaft war - wir hatten zu Hause in Tirol ja
auch ein paar Tiere im Stall -, war die neue
Arbeitsstelle doch eine Herausforderung
für mich. Ich kam in eine Familie mit vier
erwachsenen Geschwistern, alle über fünf
zig Jahre alt und ledig: Marie, Theres, s Vik-
törle und s Fränzle, Viehhändler von Beruf,
nebenbei Hobby-Sänger und vor allem
auch ein feuriger Fussballfan. Im Dorf wa
ren sie unter dem Hausnamen s Sennabuaba
bekannt. Da passte ich mit meinem Nach
namen «Senn» natürlich bestens dazu! In
dieser Familie fühlte ich mich richtig wohl,
wenn auch ab und zu die Erziehung eines
Sechzehnjährigen etwas laut über die
Bühne ging.
Mein Chef hielt Wort, denn ich bekam mo
natlich sage und schreibe siebzig Franken.