Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2006) (2006)

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Die USA im Wandel 
der Zeit: vom Retter 
Europas zur eigen 
nützigen Hegemo- 
nialmacht. 
• In Augenblicken gesteigerter Kontrollbe- 
flissenheit brüten manche Staatsbeamte 
insgeheim über eine Revision der Revisio 
nen. Dann haben wir in unseren Firmen 
eine interne Revision, eine gesetzliche Re 
vision, eine Standesrevision, eine Sorg 
faltspflichtrevision und eine Revision der 
Revisionen. Produktive Arbeit leistet nur 
noch eine Minderheit. Das ist wirklich 
sehr nahe an Orwells «1984». 
• Cyril Northcote Parkinson (1909-1993), 
ein englischer Organisationstheoretiker, 
ist mit seinem ironischen Buch «Parkin 
sons Gesetz» zum Vater der Kritik an der 
Bürokratie geworden. Nach Parkinson 
führen die Grösse einer Organisation und 
fehlender Wettbewerb fast zwangsläufig 
zum Wachstum und damit zur Schwerfäl 
ligkeit des Apparates sowie zur Verwal 
tung als Selbstzweck. Die Bürokratie 
schlägt um sich, wenn sich Leben ver 
sucht zu entfalten. 
• Die Bürokratie bedarf zu ihrer Absiche 
rung machiavellistischer Strukturen. Die 
ses Krebsgeschwür bemächtigt sich des 
Staates in einer Eigengesetzlichkeit. Und 
damit erfährt Machiavelli eine späte Eh 
rung. Ich liebe Reinhard Meys Lied «An 
trag auf Antrag eines Antragsformulars.» 
• Ein Nebenprodukt der Bürokratie ist die 
Akademisierung des Banalen, einherge 
hend mit dem Verlust der Verständlich 
keit. Geläufige deutsche Begriffe werden 
mit Anglizismen gespickt und in Sätze 
verpackt, die ein Normalleser nicht mehr 
versteht. Man will den Inhalt durch ang- 
lizistischen Sprachwulst verheimlichen. 
Von tausend akademischen Schriften 
werden keine hundert wirklich gelesen. 
Der Staat subventioniert diese bürokrati 
schen Kunstgebilde. Die Vermittlung von 
Geist gerät ins Hintertreffen. Wir subven 
tionieren viel zu viel Bürokratie und viel 
zu wenig Geist. 
Vom Körperbewusstsein 
Ein heutiger Mitteleuropäer ist dem Buch 
staben nach frei. Doch was fängt er mit die 
ser Freiheit an? Mit Machiavelli befürchte 
ich, wie bereits erwähnt, dass der heutige 
Mensch - ich gehöre auch dazu - noch 
nicht freiheitstauglich ist. Hintergrund für 
den Umgang mit der Freiheit ist Harmonie. 
Fehlende Harmonie verführt uns, Eigenver 
antwortung abzutreten. Wir erhoffen von 
aussen Heilung, die grundsätzlich in uns 
selbst liegt. Von aussen dürfen wir nur auf 
Hilfe hoffen, nicht auf Heilung an sich. Ich 
unterscheide zwischen Lindern und Heilen. 
Lindern kann die Hilfe von aussen, heilen 
muss ich mich selbst. 
Die Selbsthingabe des Menschen an die 
Medizin hat verheerende Folgen: Der sich 
der Medizin prostituierende Mensch ver 
liert sein Körperbewusstsein. Von kaum je 
mandem bemerkt, laufen wir mit dem 
Verlust des Körperbewusstseins in den Zer 
fall der Persönlichkeit hinein. Zusammen 
mit der Eigenverantwortung wurde das 
Körperbewusstsein an den Staat, die Versi 
cherungen und die Medizin verpachtet. 
Körperbewusstsein aber ist der Anfang zur 
Entwicklung menschlicher Grösse, denn 
Seele und Geist bedürfen zu ihrer Entfal 
tung eines gesunden Körpers. 
Wir gehen zum Arzt, um eine Pille zu holen, 
damit wir so weitermachen können wie 
bisher. Jeder gesunde, dynamische Mensch 
muss von Zeit zu Zeit sein Verhalten än 
dern. Verhaltensänderung erzeugt im an 
gepassten Menschen existenzielle Ängste. 
Mit der Verpachtung unseres Körperbe 
wusstseins verdrängen wir unsere Krank-
	        

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