Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2006) (2006)

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Zollvertrag mit Österreich und schloss 1923 
einen neuen mit der Schweiz. Zur gleichen 
Zeit fand der von der Volkspartei forcierte 
Kampf um den Ausbau der Volksrechte 
statt, an dessen Ende die Verfassung von 
1921 stand. Das Volk honorierte den 
Einsatz der Volkspartei. Sie gewann die 
Landtagswahlen 1922 und diejenigen vom 
Januar 1926. Ein Streit um die Regie 
rungsbildung führte jedoch zur Auflösung 
des Landtags, und so kam es im April des 
selben Jahres zu Neuwahlen, in welchen 
der Status quo bestätigt wurde. 1928 ging 
die Sparkassa (heute Liechtensteinische 
Landesbank) durch Betrügereien praktisch 
Bankrott. Für den Schuldenberg in Höhe 
von 1,8 Millionen Franken 5 musste das 
Land geradestehen, da die Bank Staats 
garantie versprach. Die Sparkassa-Affäre 
führte zu einem politischen Beben. Da so 
wohl der Hauptverantwortliche, Anton 
Walscr-Kirchthaler, als auch der Sparkassa- 
Verwalter Mitglieder der Volkspartei waren 
und diese zudem den Verwaltungsrat der 
Bank dominierte, lasteten Fürst Johann II. 
und die FBP ihr die Affäre an. Der Fürst 
löste den Landtag auf und zwang die Regie 
rung zur Demission. Die Neuwahlen ge 
wann die oppositionelle Bürgerpartei, die 
in der Folge bis 1970 ununterbrochen die 
Mehrheit in Landtag und Regierung stellte. 
Balzers - eine rote Gemeinde 
Für Auswärtige ist unser politisches Farben 
system bisweilen etwas verwirrend. Die 
Linken sind weder rot noch grün 6 , sondern 
weiss; der eine Teil der Bürgerlichen ist rot, 
der andere schwarz. Hier war nicht etwa ein 
Farbenblinder am Werk. Das Durcheinander 
rührt daher, dass es sich bei den heute so 
selbstverständlich gebrauchten Bezeich 
nungen «Rot» und «Schwarz» ursprünglich 
um Beschimpfungen des politischen Geg 
ners handelte. Die Volkspartei-Anhänger ver 
unglimpften die Bürgerpartei-Sympathisan 
ten als «rückständig-reaktionäre Schwarze». 
Letztere konterten, die Anhänger der Volks 
partei seien sozialistische, unchristliche und 
republikanische Rote 7 , wie etwa folgende 
Passage aus dem «Volksblatt» von 1918 zeigt: 
«In Balzers kommen viele junge Leute mit 
roten Bändchen im Knopfloch oder mit ro 
ten Krawatten zur Wahl. Diese Leute nennen 
sich <Christlichsoziale>, vergessen aber ganz, 
dass sie die Abzeichen der Sozialdemokraten 
trugen [sic] und wohl auch in Gesinnung mit 
diesen gehen.» (LV, 15.3.1918). 1926 appel 
lierte das «Volksblatt» an die «katholischen 
Landsmänner von Balzers u. Triesenberg», 
sich nicht auf Abwege bringen zu lassen: 
«Männer der Volkspartei haben im letzten 
Wahlkampfe die eigene Partei zu revolutio 
nären Sozialisten gestempelt... Ihr seid 
Katholiken, hütet Euch, Verbündete der Um 
sturzmänner zu Euren Vorgesetzten zu wäh 
len.» (LV, 27.3.1926). 
Die Volkspartei wehrte sich heftig gegen 
diese Vorwürfe: «Der Ruf <hie schwarz - hie 
rot> wirkt im Lande lachhaft und im Aus 
lande weiss man es nur zu gut, dass diese 
Bezeichnung ursprünglich von den Gegnern 
unserer Partei angehängt worden ist, und 
seither von diesen Leuten von Zeit zu Zeit 
immer wieder ans Licht gezogen wird. Wir 
haben mit unserem Parteiprogramm und 
durch mehr als zehn Jahre bewiesen, dass 
diese Vorwürfe uns nicht treffen können. 
Sie sind ein billiges und nicht mehr verfäng 
liches Wahlmanöver.» (LN, 16.1.1926). 
Vor allem den in der Schweiz arbeitenden 
Saisonniers wurde unterstellt, sie «huldig 
ten <zumeist sozialdemokratischen, wenn 
nicht noch weiter nach links hinneigenden 
Ansichten).» 8 Das bekannteste dieser linken 
Schreckgespenster und sicherlich der schil 
lerndste Balzner Politiker bis 1932 war 
Andreas Vogt, alias «Sozi-Vogt». Über ihn 
hatte das «Volksblatt» bereits 1918 ge 
schrieben, er gelte «allgemein als Sozialist» 
(LV, 22.3.1918). Während der Landtagssit 
zung vom 25. November 1919 rief Vogt von 
der Zuschauertribüne aus; «Hoch die Re 
publik! Nieder mit der Regierung!» Dies 
brachte ihm im fürstentreuen Liechtenstein 
viel Kritik ein. Er war auch innerhalb der 
Volkspartei umstritten. 1920 appellierten 
Mitglieder aus Schaan und Vaduz an die 
Parteileitung, Vogt aus der Partei auszu- 
schliessen, falls er sich künftig mit radika 
len Äusserungen nicht zurückhalte. Vor den 
Wahlen von 1922 wurde parteiintern be 
schlossen, Vogt nicht als Kandidaten aufzu 
stellen. 1926 stand sein Name dann auf der 
Liste der Volkspartei. Die FBP nahm dies 
zum Anlass, ihn heftig zu attackieren. 
Andreas Vogt wurde nicht nur seine Aus- 
5 Diese Summe war 
etwa doppelt so hoch 
wie ein damaliges 
Jahresbudget Liech 
tensteins (vgl. Geiger, 
wie Anm. 2, Bd. 1, 
S. 94). 
6 «Grün» war bereits 
an die in den 1960er- 
und 1970er-Jahren 
bestehende Christlich 
soziale Partei vergeben 
worden. 
7 Geiger, wie Anm. 2, 
Bd. 1, S. 65. Die Farbe 
Rot wird seit 1936 der 
Vaterländischen Union 
zugeordnet. 
8 Geiger, wie Anm. 2, 
Bd. 1, S. 63.
	        

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