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dem Gasthaus 2. Engel
v. Andreas Brunhart
in Balzers
Bevölkerungswachstum. Die Missernte und
die Rheinüberschwemmung des Jahres
1846 hatten zudem gezeigt, dass das kleine
Land seine wachsende Bevölkerung nicht
mehr ernähren konnte. 34
Das Ende des Rodfuhrwesens ging indes
nicht einher mit einem Rückgang der Um
geldzahlungen, welche die Balzner Wirts
häuser jährlich ablieferten. Lediglich in
ausgeprägten Krisenjahren wie 1816/17
oder 1846 zeitigten sich zum Teil Ein
brüche in den Umgeldzahlungen. Im Ver
gleich zum Wirtshaus in Mäls, das 1794
erstmals als Umgeld zahlende Gaststätte
genannt wurde, zeigt sich die bevorzugte
Position der Balzner Gasthäuser entlang
der Landstrasse. Die Balzner Wirtshäuser
profitierten zwar sehr wohl vom Durch
gangsverkehr; das Ende des Rodfuhrwe-
sens in den 1820er-Jahren wirkte sich
jedoch nicht auf die Höhe der Umgeldzah
lungen aus. Das ist ein eher überraschender
Befund. Die Wirtshäuser in Balzers verkraf
teten das Ende des Rodfuhrwesens, so
scheint es, relativ unbeschadet. Jedenfalls
lassen die vorliegenden Zahlen für die
Jahre 1785 bis 1848 betreffend Umgeld
(Tabellen auf S. 14) diese vorsichtige Ver
mutung zu. Es trat aber bestenfalls eine von
konjunkturellen Schwankungen begleitete
Phase der Stagnation ein. Ein spürbarer
Aufschwung stellte sich erst ein, als Liech
tenstein im Jahr 1852 einen Zollvertrag mit
Österreich abschloss. Dieser führte zu einer
Belebung des Handels und schuf die
Grundlage für die beginnende Industria
lisierung. Die erste konstitutionelle Verfas
sung von 1862, die den fürstlichen Absolu
tismus beseitigte, wirkte sich positiv auf
das politische und kulturelle Leben in
Liechtenstein aus. Es entstanden Vereine,
was sich mit Sicherheit auch belebend auf
die lokalen Wirtshäuser auswirkte. 35
Quellen
Liechtensteinisches Landesarchiv Vaduz, insbeson
dere LLA RA 20/1-48 (Das Rodwesen 1593 bis 1789)
und LLA RA 21/1-589 (Das Rodwesen 1789 bis 1808).
Ebenso: Rechnungsbücher des Fürstlichen Rentamtes
von 1750 bis 1848.
Das Wirtshaus
«Engel», um 1910.
«Engel»-Wirt Andreas
Brunhart (1875-1933)
mit seinen drei Söh
nen Christian, Oskar
und Josef in der
Zuschg.
Aufnahme um 1912.
34 Vgl. Ospelt, wie
Anm. 7, S. 56-60.
Zwischen 1784 und
1852 stieg die Liech
tensteiner Bevölkerung
von 4300 auf 7400 Per
sonen. Das entspricht
einer Zunahme von
68 Prozent, während
die Schweizer Bevölke
rung von 1800 bis
1850 lediglich um
42 Prozent wuchs.
35 Vgl. Paul Vogt: Brü
cken zur Vergangen
heit. Ein Arbeits- und
Textbuch zur liechten
steinischen Geschichte.
17. bis 19. Jahrhun
dert. Vaduz 1990, hier
besonders S. 169-202.