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Von Segusino nach Balzers und wieder zurück
Ein Leben zwischen zwei Welten
Bernadette Brunhart
In der Fremde
Isidoro Minute erzählt gerne von der Zeit,
die er als «Fremdarbeiter» in Balzers ver
bracht hat. Am Anfang des Gesprächs hat er
etwas Mühe mit der deutschen Sprache, fin
det die Ausdrücke im Balzner Dialekt nicht
immer auf Anhieb, und Hochdeutsch hat er
nie gelernt. Dann aber wird seine Aus
drucksweise tliessender. Immer mehr fällt
ihm ein, und immer deutlicher und detail
lierter werden seine Erinnerungen.
Im Jahre 1959, mit knapp siebzehn Jahren,
kam Isidoro zum ersten Mal nach Balzers
und blieb etwa vier Jahre da. Zuerst war er
während drei Jahren bei Baumeister Louis
Brun hart, der ihn wie er mit Stolz berich
tet und mit Fotografien dokumentiert - ein
mal in Segusino besuchte. Es habe viel Ar
beit gegeben. Der Unternehmer habe auch
Aufträge über die Landesgrenzen hinweg
gehabt. Isidoro erinnert sich vor allem an
einen grossen Auftrag beim Bau der Garage
Kuhn in Buchs. Später habe er einige Zeit
bei Gipsermeister Josef Bürzle gearbeitet.
Es sei streng gewesen. Aber er hat viele gute
Erinnerungen an frühere Kollegen, so etwa
an Dominik Frick und Albin Kaufmann.
Wenn er hin und wieder nach Balzers kommt,
betrachtet er mit Stolz Gebäude, an denen
er mitgearbeitet hat. Dies gilt vor allem für
das neue Gemeindehaus.
Doch nicht allein
Als Siebzehnjähriger seine Heimat zu ver
lassen, in einen fremden Sprachraum zu
reisen und dort hart auf dem Bau zu arbeiten,
ist wohl nicht einfach gewesen. Erleichtert
worden sei es dadurch, dass er ja nicht zu
fällig nach Balzers gekommen sei. Beatrice
Frick habe als Erste diese Reise aus Segusino
gemacht, aus einem Dorf mit rund 2 000
Einwohnern in der Nähe von Bassano del Isidoro Minute mit
Grappa und der Prosecco-Gegend zwischen Frau Giuseppina vor
Valdobbiadene und Conigliano. Sie sei ihrem Haus
Schneiderin bei August Frick (Schnider
Gustl) gewesen, den sie dann heiratete. Als
Nächster sei Caterino Curto, der Cousin von
Beatrice, gefolgt. Er arbeitete während fast
zehn Jahren bei der Möbelschreinerei
Simon Brunhart, wo später auch Isidoros
Bruder Mario tätig war. Ebenfalls sei Lucio
de Biasi von Segusino nach Balzers ausge
wandert. Er war in einem Ingenieurbüro
angestellt und blieb in Balzers. Auch der
Vater von Isidoro arbeitete einige Zeit in
Balzers, und zwar bei Malermeister Werner
Gstöhl.
Isidoro hatte, wie seine Kollegen auch, privat
ein Zimmer. Eine Wohnung wäre zu teuer
gewesen, und Kleinwohnungen gab es in
Balzers damals sowieso nicht. Er logierte bei
Rosa Brunhart (Rosele) und ihrer Familie
in der Fürstenstrasse. Unvergesslich bleiben