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diese Grenzen hinaus weidete oder der an
deren etwas zufügte, so sollte ihr die andere
das Vieh pfänden. 12
Die Ortsnamen in diesem Schiedsspruch
helfen wenig beim Versuch, die Grenzen der
Nutzungsrechte Ende des 14. Jahrhunderts
festlegen zu wollen, da sie nicht mehr im
Einzelnen identifiziert werden können.
Gemäss Liechtensteiner Namenbuch bedeu
tet «Rote Rüfe» eine «Geröllhalde, die rotes
Gestein führt»; welche Stelle damit aber ge
nau gemeint war, ist unbekannt. 13 Der Name
«Brataserna» wird als «Wiese, die zur Taver
ne [auf der Steig] gehört» gedeutet. 14
Zur Bestimmung der genauen örtlichen
Lage des Grenzsteins kann diese Deutung
nicht verwendet werden; immerhin wissen
wir, dass er in einer Wiese in einem Abhang
(«Rhain») 15 stand. Aufgrund der späteren
Schiedssprüche ist davon auszugehen, dass
ein Stein in der unteren Steigwiese in der
Nähe der Mörderburg gemeint war. Mit
«Spitzagud» war, wie aufgrund des Schieds
spruchs von 1507 behauptet werden darf,
der Regitzerspitz gemeint.
Die alte Letzi und der Grenzverlauf
Beim Versuch, den Verlauf der Grenze im
14./15. Jahrhundert zu bestimmen, muss si
cher auch die Letzi auf der Steig erwähnt
werden. Spärliche Reste dieser alten Wehr
anlage sind noch in einer Baumreihe in den
unteren Steigwiesen (Ortsname «bim Mürle»)
zu erkennen. Wenn die (Nutzungs-)Grenze
dieser Letzi entlang verlaufen wäre, dann
wäre vermutlich ein entsprechender Hinweis
in der Quelle vorhanden, da die Letzi ja in
anderen Quellen des 15. Jahrhunderts er
wähnt wird. 16 H. Rudolph Inhelder schreibt
über die Letzi; «Sichtbar sind grosse Stein
blöcke im schmalen Wäldchen westlich der
Strasse, nun grösstenteils überwachsen. Der
einstige Verlauf ist durch grosse, mehrheit
lich eingewachsene Steinhlöcke markiert, die
auf megalithische Bauweise schliessen lassen.
Gegen den Guschaberg ist der gekrümmte
Verlauf noch an einem Wall zu erkennen,
unter dem sich die einstige Mauer verbergen
dürfte.» 17
Als Ergebnis können wir festhalten, dass der
Wortlaut der Urkunde von 1389 es nicht zu-
Reste der alten Letzi
«bim Mürle»
12 LUB 1/4, Nr. 19, S. 104,
Urkunde vom 22. Au
gust 1389.
13 Liechtensteiner Namen
buch, Bd. 1, S. 204.
14 Liechtensteiner Namen
buch, Bd. 1, S. 192.
Im Spruchbrief vom
4. Februar 1813 (GAB
3100, Markenbuch von
1841, S. 51 ff.) heisst es,
dass 1784 bei Strassen-
arbeiten ein Stein ge
funden worden sei,
den die Fläscher als
Markstein bezeichnen
wollten. Das Schieds
gericht anerkannte die
sen Stein jedoch nicht
und hielt daran fest,
dass ein grösserer Stein,
der um «einige fünfzig
Klafter höher oben»
lag und bis dahin von
beiden Seiten als der
im Spruchbrief von
1389 gemeinte Grenz
stein anerkannt worden
war, der richtige Grenz
stein sei. Wie aus den
Regelungen zu Beginn
des 19. Jahrhunderts
hervorgeht, war da
mals klar, welcher
Stein mit dem Grenz
stein in der «Brata
serna» gemeint war.
15 Liechtensteiner Namen
buch, Bd. 1, S. 194.
16 H. Rudolph Inhelder:
Die Burgen, Befesti
gungen und Ansitze
Unterrätiens. In:
Werden berger Jahr
buch 1994,"s. 32.
17 Ebenda, S. 31.