Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2005) (2005)

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8 Jacob Grimm, Wilhelm 
Grimm (Brüder Grimm): 
Deutsche Sagen. Kas 
sel 1816/18, Nr. 287. 
Zu finden unter; http:// 
www. sagen. at/texte/ 
sagen/schweiz/uri/ 
dergrenzlauf.html. 
9 Zu finden unter: http:// 
friedentext.ch/www/ 
text/leseprobe_7. ht m. 
10 Der gallo nero wurde 
später zum Markenzei 
chen des Consorzio 
Chianti Classico (Gre 
mium für die Quali 
tätskontrolle des 
Chianti-Weins) und ist 
deshalb auf der Bande 
role an der Weinfla 
sche abgebildet. 
11 LUB 1/4, Nr. 19, 
S. 100 ff. Urkunde vom 
22. August 1389, aus 
gestellt in Balzers. Ab 
schriften in den beiden 
Kopialbüchem von 
1 780 und 1841 im Ge 
meindearchiv Balzers. 
sagte betrübt der von Glarus, <sei gerecht und 
gib mir noch ein Stück von dem Weidland, 
das du errungen hasth Doch der Urner wollte 
nicht, aber der Glarner liess ihm nicht Ruh, 
bis er barmherzig wurde und sagte: «Soviel 
will ich dir noch gewähren, als du mich an 
deinem Hals tragend bergan läufst. > Da fasste 
ihn der rechtschaffene Sennhirt von Glarus 
und klomm noch ein Stück Felsen hinauf, 
und manche Tritte gelangen ihm noch, aber 
plötzlich versiegte ihm der Atem, und tot 
sank er zu Boden. Und noch heutigestages 
wird das Grenzbächlein gezeigt, bis zu wel 
chem der einsinkende Glarner den siegrei 
chen Urner getragen habe. In Uri war grosse 
Freude ob ihres Gewinstes, aber auch die zu 
Glarus gaben ihrem Hirten die verdiente 
Ehre und bewahrten seine grosse Treue in 
steter Erinnerung.» 8 
Wie kommt ein schwarzer Hahn auf die 
Weinflasche? 
Die italienische Variante 9 dieser Legende er 
klärt den Grenzverlauf zwischen den ehema 
ligen Stadtrepubliken Florenz und Siena: 
Die Florentiner und Sieneser hatten zu Be 
ginn des 13. Jahrhunderts genug von ihren 
Grenzstreitigkeiten und beschlossen, dass 
beim ersten Hahnenschrei je ein Reiter von 
Florenz und einer von Siena aus aufbrechen 
sollte. Dort, wo sie aufeinander trafen, sollte 
fortan die Grenze verlaufen. Die Florentiner 
Hessen ihren schwarzen Hahn hungern, so 
dass er schon früh krähte und der Reiter aus 
Florenz lange vor Tagesanbruch losreiten 
konnte. Die Sieneser hingegen meinten es 
gut mit ihrem Hahn und fütterten ihn - mit 
dem Ergebnis, dass dieser erst erwachte, als 
die Sonne schon hoch am Himmel stand. So 
kam es, dass die beiden Reiter erst fünfzehn 
Kilometer vor Siena aufeinander trafen. Die 
Republik Florenz sicherte sich so einen 
Grossteil des Chianti-Gebietes. Der gallo nero 
(der schwarze Hahn) wurde zum Marken 
zeichen des Chianti-Weins. 10 
Sage und historische Aktenlage 
Die Sagen befassen sich offensichtlich mit 
Grenzen, die nicht einem Bergkamm oder 
einem Fluss entlang verlaufen und damit 
nicht «natürlich» bestimmt waren. Der Ver 
lauf der Grenzen war umstritten und wurde 
in einem friedlichen Wettstreit festgelegt. In 
beiden Versionen zum Grenzstein am 
St. Katrinabrunna entwickelten die Helden 
Riesenkräfte und wuchsen über sich hi 
naus. Schliesslich bezahlten sie ihren Ein 
satz für die Gemeinschaft mit dem Tod. Das 
Ergebnis wurde als eine Art Gottesurteil 
von beiden Seiten akzeptiert. 
Die Sagen über die Entstehung der Grenze 
bei St. Katrinabrunna stimmen natürlich 
nicht mit den Vorgängen überein, wie sie in 
den Akten dargestellt werden - im Gegenteil: 
Aus den Dokumenten geht vielmehr hervor, 
dass die Erhaltung der Grenzsteine eine 
wichtige, wenn auch nicht einfache Aufga 
be war, der sich die beiden Obrigkeiten mit 
ausgesuchter Höflichkeit widmeten. Immer 
wieder wurde betont, dass die gegenseitigen 
Beziehungen gut waren und die Grenzsteine 
im gegenseitigen Einvernehmen aufgestellt 
und unterhalten werden sollten, was ein 
wichtiger Beitrag zur Pflege der guten Nach 
barschaft und Freundschaft sei. 
Der Schiedsspruch vom 22. August 1389 
Der älteste dokumentarische Hinweis auf 
eine Regelung eines Grenzstreits zwischen 
Balzers einerseits und Maienfeld und Fläsch 
andererseits stammt aus dem Jahre 1389. 
Von Bedeutung ist dabei, dass es nicht um 
eine Regelung des Grenzverlaufs zwischen 
den Herrschaften ging, sondern um die Re 
gelung der Nutzungsrechte der Gemeinden 
Balzers einerseits und Maienfeld und Fläsch 
andererseits. Ein Schiedsgericht mit Graf 
Johann von Werdenberg zu Sargans als Vor 
sitzendem und vier Beisitzern entschied 
nach Anhörung von sechzehn Zeugen zu 
gunsten von Balzers. 11 Der Stein, der in der 
Wiese, genannt «Brataserna», im «Rhain» 
stehe, sei ein rechter Markstein. Von dort 
solle die Grenze auf der einen Seite in die 
«Rote Rüfe» und auf der anderen Seite zum 
Berg, der zuoberst «Spitzagud» genannt wer 
de, gehen. Die Balzner sollten ihr Vieh nicht 
über diese Marken hinauf weiden dürfen 
oder darüber etwas zu schaffen haben. Um 
gekehrt sollten die von Maienfeld und von 
Fläsch weder weiter hinunter weiden dürfen 
noch darunter etwas zu schaffen haben. 
Wenn aber eine der beiden Parteien über
	        

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