Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2003) (2003)

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Wenn wieder ein Fuder gedroschen 
war, wurde die Maschine für eine kur 
ze Weile abgeschaltet. Bei den Abfüll 
stutzen wurden die vollen Kornsäcke 
abgebunden und nachher gewogen. 
Die Entschädigung des Dreschers 
richtete sich nach dem Gewicht der 
gewonnenen Körner. Schliesslich wur 
den die Kornsäcke verladen; meist 
stand dafür ein Handwagen bereit. 
Im Estrich wurden alte Leintücher 
ausgelegt und das Korn zur weiteren 
Reifung und Härtung auf den Tü 
chern ausgebreitet. Von Zeit zu Zeit 
wurden die Körner mit einem Rechen 
«gestört». Nach einigen Wochen hatte 
die Wärme unter dem Ziegeldach das 
Korn gehärtet. Es wurde wieder in 
Säcke abgefüllt und stand dann be 
reit, im Herbst oder Winter gemahlen 
zu werden. 
Die Familie vom Säger Jörgle war 
während der Kornernte stark in die 
Drescharbeit eingebunden. Wenn das 
Korn reif war, summte an trockenen 
Erntetagen die Dreschmaschine vom 
Montagmorgen bis Samstagabend. 
Das Einlegen der Ähren, das Kontrol 
lieren der sich füllenden Kornsäcke, 
das Wägen des gedroschenen Korns 
und schliesslich das Notieren der aus 
geführten Arbeiten verlangten viel- 
stündigen Einsatz. 
Einmal bat mich eine Frau, ihr beim 
Dreschen am späten Samstagabend zu 
helfen. Es war fast gegen Mitternacht, 
bis Korn und Stroh im Haus abgeladen 
waren. Ich war stolz auf den Zweifränk- 
ler, den sie mir in die Hand drückte. 
Schliesslich gelangte ich auch noch in 
die Küche zu Rosa, um den Durst zu 
löschen. Jörgle sass am Tisch, gebeugt 
von der vielstündigen Arbeit und das 
Gesicht gezeichnet von Staub und 
Müdigkeit. So werden sie am späten 
Abend immer ausgesehen haben, 
Rosa und Jörgle, die grösseren Kinder 
und ihre Tanten Berta und Theres. 
Ende der Fünfzigerjahre kaufte Georg 
Vogt, s Mesmerle, einen grossen Mäh 
drescher mit eingebauter Strohpresse. 
Die Dreschereien an der Rheinstrasse 
und im Stadel verstummten. Der Mäh 
drescher machte alles in einem Ar 
beitsgang. 
Wenn ich heute im Frühsommer die 
reifenden Kornäcker sehe, taucht vor 
mir das starke Bild des Mähers und 
der Kornbinderin auf. Dieses Bild ist 
aus unserem Dorf verschwunden wie 
das Summen der Dreschmaschine und 
die langen Reihen der kornbeladenen 
Leiterwagen an der Rheinstrasse. 
Es ist gut, wenn wir uns an diese Zeit 
erinnern, da die Arbeit um unser täg 
liches Brot unseren Alltag bestimmte. 
Und es ist sinnvoll, wenn auch heute 
die Eltern beim Anschneiden des Bro 
tes ein Kreuz auf die braune Rinde 
zeichnen, Zeichen des Dankes und 
der Bitte für unser tägliches Brot. 
Karl (links) und David (rechts), 
Söhne von Georg Vogt, mit ihrem 
Schwager Alois Wille auf dem 
Ende der 1950er Jahre erworbenen 
Mähdrescher
	        

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