Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2003) (2003)

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Dass die Saisonniertätigkeit auch im 
Land ein Thema war, ersieht man aus 
Artikeln und Leserbriefen in den Zei 
tungen von damals. Im Beitrag «Der 
Franken unseres Arbeiters» in den 
«Oberrheinischen Nachrichten» vom 
30. Mai 1914 wird die Bedeutung der 
durch die Saisonniers verdienten Fran 
ken für unser Land hervorgehoben: 
«Unverkennbar liegt die Verdienst 
quelle Liechtensteins zum grössten 
Teil über dem Rhein.» Die Lobeshym 
ne auf den Franken überrascht doch 
sehr; schliesslich war damals noch die 
österreichische Krone die Landeswäh 
rung. Eine Entgegnung im «Liechten 
steiner Volksblatt» vom 13. Juni 1914 
mit dem Titel «Franken und Krone» 
versuchte dann auch, die Ehre der 
Krone zu retten. Diese beiden Artikel 
führten zu weiteren «Eingesandt», 
also Leserbriefen, in denen das The 
ma diskutiert wurde und welche 
eindrücklich aufzeigen, wie hart das 
Leben damals für die Saisonar 
beitskräfte war. 
Der folgende Ausschnitt stammt aus 
«Der Franken unseres Arbeiters». Er 
stellt einen typisierten Lebenslauf ei 
nes Saisonniers dar und hebt vor al 
lem die negativen Seiten dieser Tätig 
keit hervor. 
Hans ist in unserem Dorfe aufgewachsen, ging dort in die Schule als kleiner Gernegross. Seine Mutter sagt 
ihm schon von Kindesbeinen an: «Hänsle, du musst, wenn du gross bist, in die Schweiz gehen, um den 
Franken zu verdienen.» - «Und Gipser will ich werden!» meint unsere Stütze der Zukunft. Seine Familie ist 
eben wie so manch andere in Liechtenstein] auf die Lohneinnahmen aus der Schweiz angewiesen. - Das 
Kind plapperts der Mutter nach: «Geld verdienen». Die Schule lässt unser Hans mit hoffnungsvollen Segeln 
hinter sich. Pläne entstehen und vergehen. Hinaus! In die Gaue des Schweizerlandes zieht es mächtig un- 
sern Jungen, wo er den Beruf des Gipsers erlernt, mit dem Hammer und der Kelle sich vertraut macht. ... Es 
wird von seinem Lehrmeister, gar oft ein Bekannter oder Verwandter, hart mitgenommen. Der Ernst des 
Lebens! Bald bemerkt unser Jüngling die etwas trocken aussehende Wirklichkeit, verschieden von den Träu 
men seiner Kinderseele. Die Gefahren seines Berufes kommen ihm auf den hohen Gerüsten, wo er Leib und 
Leben wagen muss, zum Bewusstsein. - Matt und abgearbeitet kehrt er abends in sein billiges Dach 
stübchen heim. Sein Essen macht er sich selbst aus Kaffee und Brot, oder wenn’s hoch geht, nimmt er sich 
einen billigen Kostort. Das Geld spart sich unser Hans fleissig auf, denn im Gedanken an die heimatlichen 
Verhältnisse erstickt jedes Bedürfnis nach unnötigen Auslagen. Ein oder zwei Monate sind vergangen; dem 
Hans wird sein Dienst vom Mittwoch auf den Samstag gekündigt. Um gleich wieder Verdienst zu haben, 
sucht er anderswo Arbeit. Seinen sauer verdienten Rappen muss er ... im Hin- und Herfahren [ausgeben] 
und obendrein [verliert er auch noch viel von] seiner Arbeitszeit. ... Endlich findet er Arbeit, aber damit ihm 
neue, unbekannte Lebensverhältnisse, keine heimischen! ... Ach, wie bald muss eres auch empfinden, dass 
er nur ein Arbeiter ist und als solcher von hochtrabenden, unverständigen Menschen zurücksetzend behan 
delt wird. Noch mehr Ernst des Lebens! Darf man sich da noch wundern, wenn sich unser Arbeiter fremd in 
der Schweiz fühlt. ... Jahre sind vergangen, unser Arbeiter ist Familienvater geworden. Aber er muss jedes 
Frühjahr seinen trauten Kreis verlassen und kann ihn oft erst mit des Herbstes Neige wieder begrüssen. ... 
Mit dem Alter zeigen sich dann oft noch die dem Berufe eigentümlichen Krankheiten, so z.B. bei den viel am 
Luftzug arbeitenden Gipsern Rheumatismus, Fusskälte u.a. Der Arbeiter wird im Alter weniger mehr begehrt, 
man hat lieber junge, kräftige Arme. Das ist dann der bittere Ernst des Lebens.
	        

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