Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2003) (2003)

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der auch Alois Brunhart und der spä 
tere Polizeichef Josef (Pepe) Brunhart 
gehörten, zusammen.» 
Andreas Brunhart brachte von seiner 
Tätigkeit als Saisonnier ebenfalls ein 
sprachliches Souvenir mit heim. Hans 
Brunhart erinnert sich noch heute da 
ran, dass sein Vater mit «merde», sel 
ten zwar, aber hin und wieder, auf 
Französisch geflucht habe. Nachdem 
man daheim sowieso nicht gewusst 
habe, was das bedeute, habe sich das 
wesentlich eleganter angehört als das 
entsprechende deutsche Wort und sei 
offensichtlich auch von kirchlicher 
Seite nicht direkt kritisiert worden. 
Als bedeutendstes Mitbringsel für die 
Entwicklung unseres Landes können 
aber wohl aus heutiger Sicht die ver 
schiedenen Impulse der Saisonarbei 
tertätigkeit für die Vorwärtsentwick 
lung des Landes gewertet werden. Die 
Saisonniers kamen im Ausland mit 
demokratischen, liberalen, gewerk 
schaftlichen und sozialdemokrati 
schen Ideen in Berührung. Viele von 
ihnen begannen sich deshalb für poli 
tische, soziale und wirtschaftliche 
Fragen zu interessieren und brachten 
ihre Ideen in die im Land laufenden 
Diskussionen ein. 
Der Weg zu der Verfassung von 1921 
und möglicherweise schon zu ihrer 
Vorgängerin von 1862 5 ging auch über 
die Saisonniers. Rupert Quaderer be 
merkt: «Die Beziehungen zwischen 
späteren politisch aktiven Führungs- 
kräften - wie etwa Wilhelm Beck - und 
politisch interessierten Arbeitern dürf 
ten in ihren Anfängen, vor dem Ersten 
Weltkrieg, in der Schweiz entstanden 
sein. Zu bemerken ist auch, dass ein 
beträchtlicher Anteil der Arbeiter poli 
tisch aktiv war und sich für die Belan 
ge der Arbeiterschaft einsetzte.» 
Auch für die Entwicklung hin zum 
Sozialstaat sowie den Ausbau des Ar 
beiterschutzes zeichneten laut Alfons 
Schädler die Saisonarbeitskräfte zu 
einem grossen Teil verantwortlich: 
«Die Saisonarbeiter [haben] zurück 
gebracht, was sie in der Fremde erfah 
ren haben, Gutes und Schlechtes, und 
das ist natürlich in die Aktivitäten des 
Arbeiterverbandes eingebracht wor 
den. Die haben natürlich versucht, die 
Entlohnung besser zu stellen, die so 
ziale Absicherung, Unfallversiche 
rung, Krankenversicherung.» 
Laut Quaderer erwarteten die Arbei 
ter «von der Annäherung an die 
Schweiz auch eine Verbesserung der 
Arbeitsbedingungen, wie etwa eine 
Verkürzung der Arbeitszeit und eine 
stärkere soziale Absicherung durch 
eine verbesserte Versicherungsgrund 
lage, vor allem im Bereich der Unfall 
versicherung.» 
Alfons Schädler sieht in den Saison 
arbeitskräften auch einen der Fakto 
ren, welche den Wechsel des Zollver 
tragspartners herbeiführten: «Ich bin 
der Meinung, dass die Hinwendung 
zur Schweiz eigentlich nicht zuletzt 
vielleicht auch durch die jahrelange 
Fremdarbeiter-, Gastarbeiter-, Sai 
sonarbeitertätigkeit [erfolgt ist], die 
dort von Liechtensteinern ausgeführt 
worden ist. Sie haben gesagt: <Dort 
sind wir besser aufgehoben, dort ist 
das und das geordnet, ich habe das 
selber erlebt und gesehen.)» 
Die Saisonarbeit ist konjunkturab 
hängig. Mit anderen Worten: Je nach 
dem, wie gut oder schlecht die wirt 
schaftliche Lage war, konnten mehr 
oder weniger Leute aus Liechtenstein 
ins Ausland reisen, um dort zu arbei 
ten. Besonders schlecht war die Lage 
weltweit in den Dreissigerjahren des 
letzten Jahrhunderts. Aber die 1930er 
Jahre bildeten nicht die einzige Durst 
strecke für die Saisonniers. Trüb wa 
ren die Aussichten u.a. auch während 
der Revolution 1848/49 sowie in den 
Jahren davor, dann in den Rezessions 
jahren von 1873 bis zum Beginn der 
1890er Jahre, in denen Europa von ei 
ner Wirtschaftskrise heimgesucht wur 
de, und in der Zeit des Ersten Weltkrie 
ges. In diesen Krisenzeiten suchten die 
Bewohner Liechtensteins zum Teil ihr 
Heil in der Auswanderung. 
Peter Geiger hat in «Krisenzeit» die 
Probleme in Liechtenstein und ihre 
Folgen erstmals eingehend analysiert. 
Ausführlich wird auch die schlechter 
werdende Lage der Saisonniers ge 
schildert. Die Länder, in denen sie bis 
her stets Arbeit fanden, verschlossen 
sich ihnen grösstenteils, weil sie eben 
falls mit grosser Arbeitslosigkeit zu 
kämpfen hatten. 
Die Not war in Liechtenstein teilweise 
sehr gross. In der Landtagssitzung 
vom 23. Juli 1936 berichtete der 
Balzner Vorsteher und Abgeordnete 
Basil Vogt, «in seiner Gemeinde seien 
viele arbeitslos, der Hunger schaue ih 
nen zu den Fugen heraus und nie 
mand kümmere sich um sie.» Die Re 
gierung schaltete sich ein. Sie sprach 
in den Nachbarländern vor und ver 
suchte, möglichst viele Arbeiter dort 
zu platzieren - mit geringem Erfolg: 
«In den Jahren der tiefen Krise, als die 
Saisonarbeit im Ausland am drin 
gendsten nötig gewesen wäre, war die 
Schweiz fast ganz verschlossen und 
das Reich, dem man sich hoffend zu 
wandte, blieb es auch. Die Bemühun 
gen der Regierung, beträchtliche Teile 
der liechtensteinischen Arbeiterschaft 
zu versorgen, blieben weitgehend er 
folglos.» Allerdings wird wohl man 
cher Saisonnier auch auf eigene Faust 
ins Ausland gezogen sein oder wurde 
weiterhin von seinem alten Meister 
beschäftigt. 
Um so vielen Arbeitslosen wie mög 
lich einen Verdienst bieten zu können, 
wurden in der Krisenzeit in Liechten 
stein umfangreiche Notstandsarbei 
ten durchgeführt: «Die Liste der im 
Krisenjahrzehnt realisierten öffentli 
chen Bauvorhaben ist lang, sie um 
fasst die Rheinbauten im Gefolge der 
Überschwemmung [von 1927], den 
Binnenkanal, weitere Entwässerungs-
	        

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