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der auch Alois Brunhart und der spä
tere Polizeichef Josef (Pepe) Brunhart
gehörten, zusammen.»
Andreas Brunhart brachte von seiner
Tätigkeit als Saisonnier ebenfalls ein
sprachliches Souvenir mit heim. Hans
Brunhart erinnert sich noch heute da
ran, dass sein Vater mit «merde», sel
ten zwar, aber hin und wieder, auf
Französisch geflucht habe. Nachdem
man daheim sowieso nicht gewusst
habe, was das bedeute, habe sich das
wesentlich eleganter angehört als das
entsprechende deutsche Wort und sei
offensichtlich auch von kirchlicher
Seite nicht direkt kritisiert worden.
Als bedeutendstes Mitbringsel für die
Entwicklung unseres Landes können
aber wohl aus heutiger Sicht die ver
schiedenen Impulse der Saisonarbei
tertätigkeit für die Vorwärtsentwick
lung des Landes gewertet werden. Die
Saisonniers kamen im Ausland mit
demokratischen, liberalen, gewerk
schaftlichen und sozialdemokrati
schen Ideen in Berührung. Viele von
ihnen begannen sich deshalb für poli
tische, soziale und wirtschaftliche
Fragen zu interessieren und brachten
ihre Ideen in die im Land laufenden
Diskussionen ein.
Der Weg zu der Verfassung von 1921
und möglicherweise schon zu ihrer
Vorgängerin von 1862 5 ging auch über
die Saisonniers. Rupert Quaderer be
merkt: «Die Beziehungen zwischen
späteren politisch aktiven Führungs-
kräften - wie etwa Wilhelm Beck - und
politisch interessierten Arbeitern dürf
ten in ihren Anfängen, vor dem Ersten
Weltkrieg, in der Schweiz entstanden
sein. Zu bemerken ist auch, dass ein
beträchtlicher Anteil der Arbeiter poli
tisch aktiv war und sich für die Belan
ge der Arbeiterschaft einsetzte.»
Auch für die Entwicklung hin zum
Sozialstaat sowie den Ausbau des Ar
beiterschutzes zeichneten laut Alfons
Schädler die Saisonarbeitskräfte zu
einem grossen Teil verantwortlich:
«Die Saisonarbeiter [haben] zurück
gebracht, was sie in der Fremde erfah
ren haben, Gutes und Schlechtes, und
das ist natürlich in die Aktivitäten des
Arbeiterverbandes eingebracht wor
den. Die haben natürlich versucht, die
Entlohnung besser zu stellen, die so
ziale Absicherung, Unfallversiche
rung, Krankenversicherung.»
Laut Quaderer erwarteten die Arbei
ter «von der Annäherung an die
Schweiz auch eine Verbesserung der
Arbeitsbedingungen, wie etwa eine
Verkürzung der Arbeitszeit und eine
stärkere soziale Absicherung durch
eine verbesserte Versicherungsgrund
lage, vor allem im Bereich der Unfall
versicherung.»
Alfons Schädler sieht in den Saison
arbeitskräften auch einen der Fakto
ren, welche den Wechsel des Zollver
tragspartners herbeiführten: «Ich bin
der Meinung, dass die Hinwendung
zur Schweiz eigentlich nicht zuletzt
vielleicht auch durch die jahrelange
Fremdarbeiter-, Gastarbeiter-, Sai
sonarbeitertätigkeit [erfolgt ist], die
dort von Liechtensteinern ausgeführt
worden ist. Sie haben gesagt: <Dort
sind wir besser aufgehoben, dort ist
das und das geordnet, ich habe das
selber erlebt und gesehen.)»
Die Saisonarbeit ist konjunkturab
hängig. Mit anderen Worten: Je nach
dem, wie gut oder schlecht die wirt
schaftliche Lage war, konnten mehr
oder weniger Leute aus Liechtenstein
ins Ausland reisen, um dort zu arbei
ten. Besonders schlecht war die Lage
weltweit in den Dreissigerjahren des
letzten Jahrhunderts. Aber die 1930er
Jahre bildeten nicht die einzige Durst
strecke für die Saisonniers. Trüb wa
ren die Aussichten u.a. auch während
der Revolution 1848/49 sowie in den
Jahren davor, dann in den Rezessions
jahren von 1873 bis zum Beginn der
1890er Jahre, in denen Europa von ei
ner Wirtschaftskrise heimgesucht wur
de, und in der Zeit des Ersten Weltkrie
ges. In diesen Krisenzeiten suchten die
Bewohner Liechtensteins zum Teil ihr
Heil in der Auswanderung.
Peter Geiger hat in «Krisenzeit» die
Probleme in Liechtenstein und ihre
Folgen erstmals eingehend analysiert.
Ausführlich wird auch die schlechter
werdende Lage der Saisonniers ge
schildert. Die Länder, in denen sie bis
her stets Arbeit fanden, verschlossen
sich ihnen grösstenteils, weil sie eben
falls mit grosser Arbeitslosigkeit zu
kämpfen hatten.
Die Not war in Liechtenstein teilweise
sehr gross. In der Landtagssitzung
vom 23. Juli 1936 berichtete der
Balzner Vorsteher und Abgeordnete
Basil Vogt, «in seiner Gemeinde seien
viele arbeitslos, der Hunger schaue ih
nen zu den Fugen heraus und nie
mand kümmere sich um sie.» Die Re
gierung schaltete sich ein. Sie sprach
in den Nachbarländern vor und ver
suchte, möglichst viele Arbeiter dort
zu platzieren - mit geringem Erfolg:
«In den Jahren der tiefen Krise, als die
Saisonarbeit im Ausland am drin
gendsten nötig gewesen wäre, war die
Schweiz fast ganz verschlossen und
das Reich, dem man sich hoffend zu
wandte, blieb es auch. Die Bemühun
gen der Regierung, beträchtliche Teile
der liechtensteinischen Arbeiterschaft
zu versorgen, blieben weitgehend er
folglos.» Allerdings wird wohl man
cher Saisonnier auch auf eigene Faust
ins Ausland gezogen sein oder wurde
weiterhin von seinem alten Meister
beschäftigt.
Um so vielen Arbeitslosen wie mög
lich einen Verdienst bieten zu können,
wurden in der Krisenzeit in Liechten
stein umfangreiche Notstandsarbei
ten durchgeführt: «Die Liste der im
Krisenjahrzehnt realisierten öffentli
chen Bauvorhaben ist lang, sie um
fasst die Rheinbauten im Gefolge der
Überschwemmung [von 1927], den
Binnenkanal, weitere Entwässerungs-