36
heidnische Vorzeit zurückreicht und
nur entfernte Parallelen mit den
Gräueln der Inquisition aufweist.
Die Fasnacht war selbstverständlich
gerade für Kinder genau richtig, um
Verse aufzusagen, für die sie in dieser
närrischen Zeit nicht gerade stehen
mussten. Dementsprechend grob wa
ren deshalb auch die Zurufe, die den
prügelnden Maskierten galten;
Fasnätbutze, tumma Hund,
wääscht jo ned, wänn d Fasnät kunnt!
D Fasnät kunnt im Fäbruar,
und du bischt än tumma Narr.
Fiel die Fasnachtszeit in den Monat
März, wurde der Text dem Monat ent
sprechend abgewandelt:
... D Fasnät kunnt im Miarza,
und du bischt a (tumme) Kiarza!
Aprilkalb und Maikäfer
Woher die Sitte stammt, am 1. April
seine Mitmenschen zum Besten zu
halten, indem man sie «in den April
schickt», ist unklar. Gerade Kinder
und Jugendliche haben sich aber seit
jeher einen Spass daraus gemacht,
wenigstens einmal im Jahr ungestraft
Leute zu veralbern - mit Vorliebe er
wachsene Respektspersonen. Wer den
Schaden hat, braucht bekanntlich für
den Spott nicht zu sorgen; denn dieser
wurde mit folgendem Spruch gleich
nachgereicht;
Brellakalb, Schottakalb
scheckt än aalta Narr i d Alp!
Das Maikäferlied ist wohl das am wei
testen verbreitete Kinderlied über
haupt und weist im ganzen deutsch
sprachigen Raum einen identischen
Text auf, d.h. es existiert meines Wis
sens keine Dialektfassung. Die Worte
stammen angeblich aus der Zeit des
Dreissigjährigen Krieges (1618-1648):
Maikäfer, flieg!
Der Vater ist im Krieg.
Die Mutter ist in Pommerland.
Pommerland ist abgebrannt.
Maikäfer flieg!
Herbst und Winter
Früher war es üblich, dass sich vor al
lem die Buben während der Herbstfe
rien als «Pfööler» (Viehhüter) bei ei
nem Bauern verdingten. Weil die we
nigsten der Burschen eine eigene Uhr
hatten, rief man einander gegen
Abend die Uhrzeit zu, damit man mit
dem «Häämfaara» - so nannte man
den abendlichen Viehtrieb Richtung
heimatlichen Stall - nicht zu spät
dran war.
Nicht immer aber erhielt man die ge
naue Zeit zugerufen. Auf die Frage ei
nes «Pföölers», wie spät es denn sei,
lautete der wohl beliebteste, weil auch
unanständigste Spruch:
Viertel öbara Zuustägga
Wänn ds ned globscht
kascht mr äm A... lägga!
Der Jahreskreis beginnt sich zu
schliessen. Der Winter naht, und mit
ihm fallen die ersten weissen Flocken.
Ein Wintergedicht, das oft und gern
bei beginnendem Schneefall aufge
sagt wurde, ist das folgende:
Ä5 schnäielet, äs bäielet,
äs goot än küala Wind.
D Määtla legend d Häntscheg a
und d Buaba laufend gschwind.
Es lässt sich wohl nicht mehr klären,
ob das unterschiedliche Rollenver
halten von Mädchen und Buben in
diesem Gedicht auch zum Hänseln
verwendet worden ist. Doch kann ich
mir nicht vorstellen, dass Buben (oder
Mädchen) je eine Gelegenheit ausge
lassen haben, das andere Geschlecht
aufzuziehen.
Wenn sich dann aber der 6. Dezember
und somit der Besuch von St. Niko
laus mit seinem Gehilfen, dem
«Krampus», ankündigte, hätte wohl
manch einer (oder eine?) gewünscht,
im verflossenen Jahr mit dem Necken
und Streiten etwas zurückhaltender
gewesen zu sein. Und den Spottvers
auf den Nikolaus liess man mit Si
cherheit erst vernehmen, nachdem
sein Glöcklein längst in der Nacht ver
klungen war:
Nigge, Nägge!
Hosaggägge!
Hinderem Ofa stägge!
Schliesslich kam Weihnachten - die
Zeit der Wünsche. Wenn diese zu
gross und für die Eltern unerschwing
lich wurden, setzte man dem kindli
chen Drängen einen Dämpfer auf.
Wurde von neugierigen Verwandten
gefragt, was das Kleine denn «vom
Chreschtkindle» erhalten würde, ant
wortete die Mutter, um dem Kind mit
seinen zu hohen Ansprüchen zuvor
zukommen:
A Nianawägele med
ama Nüütele druuf.
Und wenn das Kind doch noch zu
Wort kam und sich «viel» wünschte,
kam ebenso prompt die Antwort:
Viil füart ma uf da Wäga.
Diese letzten Beispiele gehören aber
bereits in die Rubrik «Sprüche und
Redensarten zur Erziehung», und
über dieses Thema liesse sich ein eige
nes Kapitel schreiben.