Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2002) (2002)

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Hermine Rheinberger (1864-1932) 
und ihr Roman «Gutenberg-Schalun» 
Petra Brunhart-Eichele 
Einleitung 
Eine aussergewöhnliche Frau, die in 
Liechtenstein noch immer nicht recht 
zur Kenntnis genommen wird, ist 
Hermine Rheinberger, Schwester von 
Egon Rheinberger und Nichte des 
Komponisten Josef Gabriel Rhein 
berger. Egon Rheinberger mag noch 
einigen Liechtensteinerinnen und 
Liechtensteinern bekannt sein, hat er 
doch Burg Gutenberg in Balzers ab 
1905 während Jahren aufgebaut und 
restauriert. 
Mit der Maturaarbeit 1 über Hermine 
Rheinberger versuchten meine Schul 
kollegin und ich aufzuzeigen, dass 
grossartige Leistungen in der Familie 
Rheinberger nicht nur vom männli 
chen Geschlecht erbracht wurden, 
sondern im Liechtenstein des 19. Jahr 
hunderts auch mutige, emanzipierte 
und kreative Frauen gelebt haben. 
Wir hoffen zudem, Hermine Rhein 
bergers historischen Roman «Guten 
berg-Schalun». Eine Geschichte aus 
dem 14. Jahrhundert» einem breite 
ren Publikum zugänglich zu machen. 
Die Geschwister Rheinberger, vor al 
lem Hermine und Egon, teilten ihre 
Leidenschaft für das Mittelalter. Her 
mine liess ihre fundierten Kenntnisse 
über die Geschichte Liechtensteins 
sowie die Lebensweise des Mittelal 
ters in ihren Roman «Gutenberg- 
Schalun» einfliessen. Entstanden ist 
ein historischer Roman, der die Ver 
schwörung und Ermordung König 
Albrechts sowie den Verlust der Feste 
Gutenberg beinhaltet. Um diesen his 
torischen Kern gruppiert sich die gut 
erfundene und humorvoll beschriebe 
ne Liebesgeschichte zwischen Hilda 
von Gulenberg und Walter von 
Schalun. Von besonderer Bedeutung 
ist, dass alle historischen Begebenhei 
ten im Roman geschichtswissenschaft 
lich belegt werden konnten, was zeigt, 
wie seriös und genau Hermine 
Rheinberger gearbeitet hat. Sie ist 
meiner Ansicht nach die Pionierin der 
liechtensteinischen Frauenliteratur. 
Hermine Rheinberger wurde von ih 
rer Familie in ihrem Vorhaben, als 
Schriftstellerin tätig zu sein, unter 
stützt. Ihr Interesse an der Geschichte 
des Mittelalters wurde von ihrem Bru 
der Egon geweckt. In literarischer 
Hinsicht förderte sie ihr Vetter, der 
Künstler Ferdinand Nigg. Die soziale 
Stellung der Eltern ermöglichte ihr 
eine für die damalige Zeit überdurch 
schnittliche Schulbildung - eine wei 
tere Voraussetzung für ihr literari 
sches Werk. 
Aber warum blieb Hermine Rhein 
berger, diese aussergewöhnliche und 
emanzipierte Frau, die ihrem Zeit 
geist offensichtlich voraus war, so un 
bekannt? Eine Ursache für ihre Unbe 
kanntheit dürfte mit ihrer Krank- 
heitsgeschichle in engem Zusammen 
hang stehen. Nach der Veröffentli 
chung ihres Romans erkrankte sie an 
einer Depression und wurde in ein In 
stitut eingewiesen, von dem sie nicht 
mehr heimkehrte. Sie hatte keine Mög- 
Abb. links: 
Die Schwestern Hermine, Emma und 
Olga Rheinberger (v.l.n.r) 
Abb. rechts: 
Hermine Rheinberger, um 1890 
lichkeit, weitere Bücher zu schreiben 
oder sich literarisch zu entwickeln. 
Überdies war in unserer Gegend die 
Zeit für eine weibliche Schriftstellerin 
wohl noch nicht reif. Da die wirt 
schaftlichen und gesellschaftlichen 
Verhältnisse im Vergleich zu Öster 
reich und der Schweiz um etwa 
dreissig Jahre nachhinkten, entfaltete 
sich in Liechtenstein auch die Kultur 
erst später. Zudem entsprach Her 
mine Rheinberger nicht dem damali 
gen Frauenbild, das sich noch immer 
an der bürgerlichen Leitfigur des aus 
gehenden 19. Jahrhunderts und einer 
aufopfernden Hausfrauen- und Multer- 
rolle orientierte. 
Das Interesse an Ritterromanen war 
zur Jahrhundertwende vorhanden. 
Jedoch fehlte im Fürstentum Liech 
tenstein die Leserschaft, die sich ers-
	        

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