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Hermine Rheinberger (1864-1932)
und ihr Roman «Gutenberg-Schalun»
Petra Brunhart-Eichele
Einleitung
Eine aussergewöhnliche Frau, die in
Liechtenstein noch immer nicht recht
zur Kenntnis genommen wird, ist
Hermine Rheinberger, Schwester von
Egon Rheinberger und Nichte des
Komponisten Josef Gabriel Rhein
berger. Egon Rheinberger mag noch
einigen Liechtensteinerinnen und
Liechtensteinern bekannt sein, hat er
doch Burg Gutenberg in Balzers ab
1905 während Jahren aufgebaut und
restauriert.
Mit der Maturaarbeit 1 über Hermine
Rheinberger versuchten meine Schul
kollegin und ich aufzuzeigen, dass
grossartige Leistungen in der Familie
Rheinberger nicht nur vom männli
chen Geschlecht erbracht wurden,
sondern im Liechtenstein des 19. Jahr
hunderts auch mutige, emanzipierte
und kreative Frauen gelebt haben.
Wir hoffen zudem, Hermine Rhein
bergers historischen Roman «Guten
berg-Schalun». Eine Geschichte aus
dem 14. Jahrhundert» einem breite
ren Publikum zugänglich zu machen.
Die Geschwister Rheinberger, vor al
lem Hermine und Egon, teilten ihre
Leidenschaft für das Mittelalter. Her
mine liess ihre fundierten Kenntnisse
über die Geschichte Liechtensteins
sowie die Lebensweise des Mittelal
ters in ihren Roman «Gutenberg-
Schalun» einfliessen. Entstanden ist
ein historischer Roman, der die Ver
schwörung und Ermordung König
Albrechts sowie den Verlust der Feste
Gutenberg beinhaltet. Um diesen his
torischen Kern gruppiert sich die gut
erfundene und humorvoll beschriebe
ne Liebesgeschichte zwischen Hilda
von Gulenberg und Walter von
Schalun. Von besonderer Bedeutung
ist, dass alle historischen Begebenhei
ten im Roman geschichtswissenschaft
lich belegt werden konnten, was zeigt,
wie seriös und genau Hermine
Rheinberger gearbeitet hat. Sie ist
meiner Ansicht nach die Pionierin der
liechtensteinischen Frauenliteratur.
Hermine Rheinberger wurde von ih
rer Familie in ihrem Vorhaben, als
Schriftstellerin tätig zu sein, unter
stützt. Ihr Interesse an der Geschichte
des Mittelalters wurde von ihrem Bru
der Egon geweckt. In literarischer
Hinsicht förderte sie ihr Vetter, der
Künstler Ferdinand Nigg. Die soziale
Stellung der Eltern ermöglichte ihr
eine für die damalige Zeit überdurch
schnittliche Schulbildung - eine wei
tere Voraussetzung für ihr literari
sches Werk.
Aber warum blieb Hermine Rhein
berger, diese aussergewöhnliche und
emanzipierte Frau, die ihrem Zeit
geist offensichtlich voraus war, so un
bekannt? Eine Ursache für ihre Unbe
kanntheit dürfte mit ihrer Krank-
heitsgeschichle in engem Zusammen
hang stehen. Nach der Veröffentli
chung ihres Romans erkrankte sie an
einer Depression und wurde in ein In
stitut eingewiesen, von dem sie nicht
mehr heimkehrte. Sie hatte keine Mög-
Abb. links:
Die Schwestern Hermine, Emma und
Olga Rheinberger (v.l.n.r)
Abb. rechts:
Hermine Rheinberger, um 1890
lichkeit, weitere Bücher zu schreiben
oder sich literarisch zu entwickeln.
Überdies war in unserer Gegend die
Zeit für eine weibliche Schriftstellerin
wohl noch nicht reif. Da die wirt
schaftlichen und gesellschaftlichen
Verhältnisse im Vergleich zu Öster
reich und der Schweiz um etwa
dreissig Jahre nachhinkten, entfaltete
sich in Liechtenstein auch die Kultur
erst später. Zudem entsprach Her
mine Rheinberger nicht dem damali
gen Frauenbild, das sich noch immer
an der bürgerlichen Leitfigur des aus
gehenden 19. Jahrhunderts und einer
aufopfernden Hausfrauen- und Multer-
rolle orientierte.
Das Interesse an Ritterromanen war
zur Jahrhundertwende vorhanden.
Jedoch fehlte im Fürstentum Liech
tenstein die Leserschaft, die sich ers-