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Bild, das sich mir bot, war eindrück
lich. Die armen verbrannten Kühe la
gen seitlich am Boden, die Augen weit
offen. Das Fell war ganz dunkel, die
Körper starr und so, als hätte man sie
aufgeblasen. Ich bin schnell wieder
nach Hause gegangen.
Am besten beobachten konnte ich die
Kühe auf der Nachbarwiese. Ich sah
ihnen zu, wie sie kauten und kauten
und mich dabei anschauten, ohne
dass ihr Blick verriet, was sie womög
lich dachten. Obwohl ich die Kühe nie
etwas anderes als Gras und Heu fres
sen sah und später in der Schule auch
ihre komplizierte Art des Verdauens
und Wiederkauens lernte, geriet eine
Kuh auf der Nachbarwiese in einen
schrecklichen Verdacht meinerseits.
Unser Hund war verschwunden, und
unsere Suche verlief ohne Erfolg. Ich
war traurig, und in meinen traurigen
Blick fiel die wiederkäuende Kuh.
Vielleicht hatte die ja den Hund ver
schluckt? Wo er sich jetzt wohl in ih
rem grossen Magen befand? Die Kuh
schaute mich mit einem beharrlich
ruhigen Blick an und hatte auch sonst
keine äusseren Anzeichen eines ver
schluckten Hundes. Ich liess den Ver
dacht fallen. Später ist unser Pudel
von sich aus wieder aufgetaucht.
In Mäls gehörte das Anwesen der drei
Brüder Vogt (Hans, Elias, Gebhard)
zu dem, was ich in meiner Kindheit
als geheimnisvoll und gefährlich emp
fand. Das Haus liegt nicht direkt an
der Strasse und wirkte, zusammen
mit dem Grundstück davor, unbelebt
und verwunschen. Elias kam ab und
zu auf die Post. Er ging gebeugt. Die
Hände ineinander liegend auf dem
Rücken, war jeder seiner Schritte eine
grosse Hin- und Herbewegung. Mit
viel Eifer half Elias, die Postsäcke in
den Anhänger vom Postauto zu tra
gen. Er kam aber eigentlich wegen sei
nes immer gleichen Anliegens: Er
wünschte sich einen Traktor. Trotz
fehlendem Sprachvermögen konnte
er uns diesen seinen Wunsch gut deut
lich machen. Wir sollten ihm helfen
und telefonieren. Wenn er sich freute,
lachte er sein unvergesslich tiefes La
chen und strahlte mit seinen klaren
blauen Augen. Trotz dieser ungefähr
lichen, freundlichen Begegnung mit
Elias hatte das Haus, in dem er mit sei
nen Brüdern wohnte, das Geheimnis
volle für mich damals nicht verloren.
Schloss Gutenberg und die Pfarrkir
che kommen in unser Blickfeld. Für
mich war das der Dorfmittelpunkt.
Das Schloss und der Schlossböchel
faszinierten mich. An vielen Nachmit
tagen habe ich mit anderen Kindern
dort gespielt, haben wir uns den Wald
erschlossen. Tabu war das Schloss
innere; es blieb verschlossen. Das Ge
heimnis war gelüftet, als ich einmal
meinen Vater beim Briefzustellen be
gleiten durfte.
Was mich immer wieder erschaudern
lässt, wenn ich an den Schlossböchel
denke, das sind unsere Höhlengänge
im Felsen. Lieber nicht daran denken,
wie tief wir gefallen wären, hätten un
sere Schutzengel nicht aufgepasst!
Schutzengel, die gab es! Ich hatte ein
Bild gesehen, auf dem ein Schutzen
gel, mit rosa Flügeln, ein Mädchen
über eine gefährliche Brücke führt.
Das Bild hat mir als Kind besonders
gut gefallen. Uns wurde erklärt, dass,
obwohl die Schutzengel da sind, wir
sie nicht sehen können.
Der Glaube und die Religion waren in
unserem Leben sehr wichtig. Die Reli-