Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2002) (2002)

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Erinnerungen an Balzers 
Vera Heymann Meier 
Immer wenn wir nach Liechtenstein 
fahren und bei Trübbach die Auto 
bahn verlassen, sage ich zu meinem 
Mann: «Fahr durchs Dorf!». Balzers - 
in Balzers war ich einmal daheim. 
Wir fahren über die Rheinbrücke, 
eine Brücke zu meinen Erinnerungen. 
Die neue Rheinbrücke wurde am 
23. November 1968, an einem kühlen, 
sonnigen Herbsttag, feierlich einge 
weiht. Ich war elf Jahre und sang mit 
meiner Schulklasse von bunten, we 
henden Fahnen und einer Reise. Das 
mehrstimmige Lied hatte uns Lehrer 
Gstöhl (Georg Gstöhl) beigebracht. 
Die Melodie habe ich heute noch im 
Ohr. Die neue Rheinbrücke ist eine 
breite, stabile Strasse über den Rhein. 
Die alte Rheinbrücke war aus Holz 
und sah aus wie ein Tunnel. Ich hatte 
immer ein bisschen Angst, wenn ich 
durch diesen Tunnel durch musste. 
Die Bretter schienen lose. Wenn Autos 
über die Brücke fuhren, wackelten die 
Bohlen, und es knarrte - das typische 
Brückengeräusch. Es kam auch vor, 
dass ich zu Fuss über die Brücke ging. 
Dabei konnte ich der Gefahr direkt 
ins Auge schauen. Die Spalten zwi 
schen den Holzbrettern waren so 
breit, dass ich den Rhein darunter se 
hen konnte. Das graue Wasser floss 
schnell dahin, hatte auf seinem Weg 
auch Bäume mit sich gerissen. 
Die neue Rheinbrücke nahm mir mei 
ne Angst. Gelassen kann ich den 
Rhein betrachten, schauen, ob viel 
oder wenig Wasser kommt, wo sich 
Sandbänke gebildet haben und ob 
sich dort Menschen aufhalten. Der 
Blick über den Rhein, weiter über die 
Felder von Balzers, dann zu den Häu 
sern und zum Schloss, hinauf zu den 
Bergen ist mir vertraut. Ich finde es 
schön, immer wieder. 
Wir nehmen weiter die Strasse Rich 
tung Mäls. In der grossen Kurve führt 
rechts die alte Strasse nach Trübbach, 
die Rheinstrasse, die in meinen Erin 
nerungen meistens leer ist. Es gab 
eine Ausnahme: der Jahrmarkt in 
Trübbach. Der Jahrmarkt hatte viele 
verschiedene Marktstände. Es gab 
Magenbrot und heisse Marroni, Luft 
ballons, Puppen, Gewehre, Schmuck 
und vieles mehr. In der Menschen 
menge sah ich einen weissen Bären 
aufrecht gehen und war beeindruckt. 
Balzers hat seit 1990 einen eigenen 
Jahrmarkt mit dem Motto: «Ob Räga, 
Sunna oder Pföö, am Balzner Joor- 
märt isch es schöö!» Natürlich ist es 
schön in Balzers, mit und ohne Jahr 
markt, bei jeder Witterung. Meine 
Mutter hat immer gesagt, dass 
Balzers die schönste Gemeinde im 
ganzen Land sei. 
Es war kein Jahrmarkt, aber ein ande 
res grosses Ereignis meiner frühen 
Kindheit, als auf dem Nachbargrund 
stück eine «Scheffleschaukla» aufge 
baut wurde. Bei Schlagermusik ging 
es hoch hinaus. Wir lernten die ers 
ten Schlagertexte. Dolly Gross-Kindle, 
eine liebe Freundin, hat mir den Text 
eines damals sehr populären Schla 
gers aufgeschrieben: «Ein Schiff wird 
kommen ...» 
Wenn wir auf der Rheinstrasse in der 
grossen Kurve nach links fahren, 
kommen wir ins Mälsner Dorf. Die 
vielen Häuser an der Strasse sind heu 
te neu hergerichtet. Es wurde ange 
baut und neu gebaut, verputzt und ge 
strichen. Früher wirkte die Dorf 
strasse auf mich, als wäre sie sehr alt. 
In der Schule, im Heimatunterricht, 
hatten wir ja auch gelernt, dass schon 
die Römer in Balzers waren, dass sie 
es damals «Palazoles» nannten. Was 
für ein exotischer, schöner Name, der 
dem Altsein von Balzers und seinen 
Häusern einen ganz besonderen Reiz 
verlieh. 
Beim Brunnen in Mäls geht eine 
Strasse ab zur Mariahilf-Kapelle. Un 
sere Sonntagsspaziergänge führten 
manchmal dorthin. Ich erinnere mich 
an die Stille in der Kapelle, an beten 
de Frauen und an die Sonne, wie sie 
durch die Fenster fällt und den gemal 
ten Kreuzweg beleuchtet. Wir beweg-
	        

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