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Grenz- und Wuhrstreitigkeiten zwischen
den Gemeinden Balzers und Wartau
Martin Gräber
Bis zum Jahr 1575
1487 klagte die Gemeinde Wartau ge
gen seine Nachbarn Balzers und
Triesen betreffend Boden beiderseits
des Rheins. Über den weiteren Verlauf
dieses Streitfalls ist nichts Genaues
bekannt. 1
Bereits sieben Jahre später klagte
Wartau wieder gegen Balzers wegen
der Wahren. Die Schiedsleute stellten
fest, dass beide Gemeinden zu gefähr
lich aufeinander gewuhrt hatten. Sie
sollten sich zukünftig an den alten
Spruch halten und durften wegen der
grossen Kosten und des Aufwandes
ihre bisherigen Wuhre behalten
(«Denn wie wol vns bedunckt, dz bed
teil ze geuarlich vffenander gewuoret
habind, wie oblut, noch dann durch
minder costungs, müy vnd arbeit wil
len, so laussen wir die wuor beliben,
wie vor geschriben staut»). Diese
durften sie aber nicht weiter in den
Rhein verlängern. Das untere Wuhr
der Balzner erklärten die Schiedsleute
für ein Strichwuhr. Wartau besass ein
oberes Wuhr (in der Nähe des Scholl-
bergs) und ein unteres, das beschä
digt und gefährlich gegen Balzers ge
richtet war. 2
1527 wurde betreffend Wuhren auf
der Balzner Seite gestritten. Ob der
Brücke durften die Balzner das Wuhr
drei Klafter breit bauen, ebenso beim
unteren Markstein. Aber das Wuhr
musste gekürzt werden und durfte
den Rhein nicht schupfen. Zwischen
den beiden Wuhren durften sie vier
Klafter breit bauen. 3
Die Gemeinde Wartau klagte 1528 ge
gen die Gemeinde Balzers betreffend
einer Au auf der Balzner Seite. Das
Urteil lautete, dass grundsätzlich der
stärkste Strom des Rheins zwischen
den beiden Gemeinden die Grenze
bilden soll. Es soll aber auf Selvaplana
(heute Lang Wesa) und auf der ande
ren Rheinseite auf dem vordersten
Hügel (gemeint ist die Lonna) je ein
Markstein gesetzt werden. Was ober
halb dieser durch die Marksteine ge
bildeten Linie liegt, soll der Gemeinde
Balzers gehören, das unterhalb der
Gemeinde Wartau. Vorbehalten blie
ben die Rechte der Gemeinde Triesen. 4
Zu einem Streit wegen eines Wartauer
Wuhrs kam es um 1530. Dieses sollte
um 14 Klafter verkürzt werden, und
mit den Steinen vom Abbruch durfte
das restliche Wuhr befestigt werden.
Weil das Wuhr ein Jahr später immer
noch nicht gekürzt war, klagte Balzers
wieder. Die Wartauer entgegneten, sie
hätten noch kein schriftliches Urteil
erhalten. Der Abbruch begann, nach
dem die Urkunde an Wartau zuge
stellt worden war. Als im Sommer ein
Hochwasser kam, rief Wartau noch
mals eine Tagung zusammen. Auf
Wunsch der Balzner wurde auch de
ren Seite begutachtet. Das Wuhr
musste nun erst im Herbst gekürzt
werden, falls Balzers dies dann ver
langte. Im Herbst drängte Balzers
wiederum auf die Kürzung. Eine
eidgenössische Tagsatzung in Sargans
bestätigte ebenfalls das Urteil. Der
weitere Verlauf des Streits ist nicht
bekannt. 5
Im Frühling 1539 wurde an einem
Wartauer Wuhr ein grosses Fach für
den Fischfang gebaut. Dieses schupfte
den Rhein auf die Balzner Seite. Auf
Bitten der Gemeinde Balzers wurde
dieses Fach wieder entfernt. Balzers
musste aber urkundlich festhalten,
dass dieser Abbruch nur aus gutem
Willen und nicht wegen eines Rechts
erfolgt war. 6
Im Jahr 1544 klagte Wartau gegen
Balzers, weil die Balzner am Ellhorn
ein Wuhr erbaut hatten. Die Notwen
digkeit dieses Wuhrs zweifelten die
Wartauer nicht an, aber sie verlangten
dessen Verkürzung. Ausserdem sollte
es nicht schupfweise sein, und es
müsse auch ein Markstein gesetzt
werden. Die Balzner entgegneten, die
ses Wuhr gehe nur sie und die Ge
meinde Sargans etwas an und einen
Markstein wollen sie nicht setzen. Die
Länge des Wuhrs wurde durch das
Schiedsgericht auf 108 Klafter festge
schrieben. Die Richtung des Wuhrs
(Scheinung) wurde mit zwei Kreuzen
am Ellhorn festgelegt, die gegen einen
Spalt (Runs) im Schollberg neben der
Brücke zeigten. Weiter wurde ein
Markstein gesetzt. 7
Der Vertrag von 1575
Im Jahr 1575 wurde zwischen den Ge
meinden Wartau und Balzers ein fort
schrittlicher und wichtiger Vertrag
betreffend der Rheinwuhre abge
schlossen. Alle alten Wuhrbriefe mit
ihren nichtssagenden Ausdrücken
wurden für ungültig erklärt. Beinahe
der gesamte gemeinsame Rheinlauf
wurde durch Hintermarken festge
legt. Das Schupfen des Rheins wurde
verboten. 8
Zusammenfassend lautet die Urkun
de wie folgt:
1. Die Breite des Rheins wird auf 118
Feldkircher Klafter festgesetzt. Man
soll den Rhein gerade leiten.
2. Es sind nur Strichwuhre erlaubt,
auch wenn der Rhein einzubrechen
droht. Das Schupfen des Rheins wird
verboten.
3. Der Schollberg soll auf der
Wartauer Seite das Ufer des Rheins
bilden.
4. Vom Rhein unbenutztes Land in
nerhalb der Wuhren soll derjenige
nutzen, der dazu Gelegenheit hat.
5. Alle alten Wuhrbriefe sollen ungül
tig sein.