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Karin Negele-Moll (1964)
Ich bin 35 Jahre alt, in Balzers geboren, aufgewachsen, und - abgesehen
von einem Aufenthalt in England und vier Jahren in Vaduz - habe ich
immer hier gewohnt. Für manche mag sich das langweilig anhören, doch
ich bin ein Nestmensch und am liebsten nahe der Familie, den Freunden
und in gewohnter Umgebung. Was natürlich nicht heisst, dass ich nicht
gerne verreise, andere Länder und Menschen kennen lerne. Schluss-
endlich kehre ich jedoch immer gerne zurück, mit neuen Erfahrungen,
Erlebnissen und Erinnerungen im Gepäck.
Die Vertrautheit in einer funktionierenden Gemeinschaft gibt mir Halt und
Kraft. Besonders heute, da ich verheiratet bin und wir zwei kleine Kinder
haben, wissen wir sehr wohl die Vorteile einer intakten «Grossfamilie» in
einer überschaubaren Dorfgemeinschaft zu schätzen. Ich suche nicht die
Anonymität einer Gressstadt. Wie jede Medaille hat aber auch diese eine
Kehrseite. Wenn jeder jeden kennt und man sich so nah ist, kippen das
gegenseitige Interesse und die Anteilnahme oft auf die unangenehmere
Seite; man wird genau beobachtet, beurteilt und kommentiert. Manchmal
empfinde ich dies als Zwang und Einschränkung meiner Persönlichkeit,
und ich weiss, dass es vielen anderen auch so ergeht. Daher wünsche ich
mir eine gehörige Portion Toleranz und Akzeptanz untereinander und
auch Neuem gegenüber.
Um unser Dorf, mit seiner Vergangenheit und Tradition einerseits und den
Zukunftschancen andererseits, so zu erhalten oder zu gestalten, wie wir
es lieben, müssen wir auch bereit sein, Aufgaben und Verantwortung zu
übernehmen. Dies scheint nicht mehr gefragt; man will nur noch unter
halten werden und konsumieren. Eine gefährliche Entwicklung! Gerade
in unserer Zeit der Globalisierung ist es ausserordentlich wichtig, dass
wir mitarbeiten und uns nicht nur treiben lassen. «Wer kein Ziel hat,
muss sich nicht wundern, wenn er dort nicht ankommt.» Dieser Aus
spruch hat sich mir eingeprägt.
Rein architektonisch fehlt mir in Balzers ein schöner Dorfkern, ein Zent
rum, ein Ort der Begegnung, wo man einfach hingeht, wenn man Lust
hat, jemanden zu treffen. Eine solche Kernzone um wichtige öffentliche
Gebäude, in gartenbaulich schön gestalteter Umgebung, eventuell auch
mit Geschäften und Cafés als Treffpunkt, erfüllt meines Erachtens eine
wichtige und wertvolle Funktion.
Schlussendlich bin ich jedoch überzeugt, dass wir in einer der schönsten,
komfortabelsten und lebenswertesten Regionen dieser Welt leben. Auch
wenn ich gerne im Ausland bin und die dortigen Vorzüge wie Naturschön
heiten, Weite oder Lebensrhythmus geniesse, bin ich mir sehr wohl
bewusst, dass unser Lebensstandard und unsere Lebensqualität in ande
ren Ländern nur sehr schwer zu erreichen sind. Wenn immer ich fort war
und auf dem Weg nach Hause ums Ellhorn herumfahre und unser Schloss
sehe, durchfährt mich ein wohliger, erleichternder Seufzer: «Dahääm!»