Volltext: Balzner Neujahrsblätter (2000) (2000)

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Siegfried Poser (1947) 
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ich in Balzers als ältestes Kind von Balzner El 
tern geboren. Die Nachkriegszeit war - rückblickend betrachtet - karg, aber dennoch 
wurde sie von mir nicht als belastend und entbehrungsreich empfunden. Das Leben war 
von der Landwirtschaft, etwas Handwerk und der damals aufstrebenden Gerätebau 
anstalt Balzers geprägt. Auch meine Familie betrieb eine Nebenerwerbslandwirtschaft, 
die unseren Alltag und den Rhythmus im Jahresablauf bestimmte. Langeweile kannte 
man nicht. Neben der Ausbildung wurde man voll in den Familienarbeitsplan integriert. 
Nach unserem Verständnis kam dadurch die Freizeit oft ein bisschen zu kurz. Die Tätig 
keit auf Wiese und Feld konnte Spass machen, aber auch belastend sein. Im Herbst 
mussten wir das Vieh hüten und vertrieben dabei die Zeit gerne mit «Stägglera». Vieh 
hüten war damals ein Kleinverdienst für die männliche Jugend, verdingten sich doch 
Buben, die zu Hause keine Landwirtschaft hatten, bei anderen Bauern und verdienten 
sich so ein Paar Schuhe oder Stiefel, die jeweils an Martini ausbezahlt wurden. Von 
grossem Interesse war für die technikhungrige Jugend natürlich der Einzug der Mecha 
nisierung in der Landwirtschaft. 
Das Bildungsangebot war damals sehr karg. Als weiterführende Schulen waren nebst der 
Sekundarschule nur Privatorganisationen tätig, die aber auch bezahlt werden mussten. 
Ich bin heute noch meinen Eltern dankbar, dass sie damals keinen Aufwand gescheut 
haben, um meine Geschwister und mich in eine dieser Schulen zu schicken. 
In den sechziger Jahren setzte ein enormer wirtschaftlicher Aufschwung ein. Industrie und 
Dienstleistungsbereich entwickelten sich gleichauf. Überall wurden Arbeitskräfte benö 
tigt, die jedoch im Inland nicht mehr gefunden werden konnten. Speziell die Spitzenkräf 
te in der Industrie mussten aus dem Ausland geholt werden, weil das Bildungsangebot in 
unserem Lande nicht in genügendem Umfang gegeben war. Aber auch die Massenarbeit 
in der Industrie konnte nur mit Grenzgängern oder Zuwanderern bewältigt werden. Das 
schaffte bald einmal ein Überfremdungsproblem. 
Mit der Industrialisierung und der Entwicklung der übrigen wirtschaftlichen Sektoren än 
derte sich das Bild von Balzers und des übrigen Landes gewaltig. Die Nebenerwerbs 
landwirtschaft trat völlig in den Hintergrund; ein immer kleiner werdender Teil der Be 
völkerung beschäftigte sich noch mit Landwirtschaft. 
Balzers ist heute nicht mehr das Dorf der fünfziger Jahre: Wo damals Rinder weideten 
oder Reben gepflegt wurden, steht heute eine Menge schmucker Häuser. Wo sich früher 
Schilf- und Strohwiesen befanden, ist heute die Industrie- und Gewerbezone angesiedelt. 
Wo ich früher mit meinem Vater die ersten Kirschen pflückte und Äpfel erntete, steht 
heute unser Bürohaus. Ja, Balzers ist anders geworden. 
Für das Balzers von 2000 und später wünsche ich mir, dass doch einige typische Merkmale 
des Balzers meiner Generation erhalten werden können. Die Integration in wirtschaftli 
cher und politischer Hinsicht möge auf das Notwendige beschränkt werden. Geld- und 
Lustgewinn sollen nicht als Maxime gelten. Die kommenden Generationen sollen sich 
noch an der herrlichen Umwelt erfreuen können und die wirtschaftlichen Ressourcen 
möglichst lange eine Existenz in diesem unserem Lebensraum garantieren. Auch möge 
in den kommenden Jahrzehnten der typische Balzner in Balzers und in Liechtenstein 
weiterhin anzutreffen sein.
	        

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