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Grenzstein von 1699 mit dem Balzner
Förggle. Eni solches Gemeindezeichen
ist in Liechtenstein bisher allein für
die Gemeinde Balzers verbürgt. Mit
dem Förggle wurden Besitzstände und
Eigentumsgrenzen des Dorfes mar
kiert. Es fand auch als Siegel für
Gemeindeurkunden Verwendung. Das
Balzner Förggle wurde von Pfarrer Fri
dolin Tschugmell entdeckt und be
kannt gemacht.
Um das Jahr 1600
Die Jahre um 1600 waren die Zeit des
europäischen Späthumanismus, der
Barock befand sich im Aufwind. Die
Zeit hatte zwar bereits Ansätze eines
modernen Wissenschafts- und Men
schenbildes in sich, sie galt aber als
Ende einer Epoche. Ein deutscher
Pfarrer schrieb 1595, dass die Welt
dunkel geworden sei: «Wie in einem
alten Hauss die Fenster dunckel wer
den, und an einem verlebten Cörper
das Gesicht abnimpt, also gehets itzt
mit der Alten und kalten Weid auch,
die nimpt Zusehens ab» - alles schien
früher besser gewesen zu sein. Die
Zeit um 1600 wird in Zeugnissen als
eine Spätzeit reflektiert. Ein Jahrhun
dert ging zu Ende.
Das «Jahrhundert» allerdings war vor
1600 als Begriff noch nicht allgemein
gebräuchlich, man dachte noch nicht
in solchen Zeitkategorien. Wenn man
von gewissen Vorformen und kalen
darischen Anwendungen absieht, so
wurde der Begriff des «Jahrhunderts»
erst im 16. Jahrhundert geprägt. Für
die Katholiken überschnitt sich der
Termin des Jahrhundertwechsels mit
dem «Heiligen Jahr» oder «Jubel
jahr», das dem reuigen Rompilger den
Ablass der Sündenstrafen versprach.
Die Protestanten empfanden solch ein
römisch katholisches «Jubeljahr» als
Provokation, stand doch in seinem
Mittelpunkt der eigentliche Stein des
reformatorischen Anstosses: der Ab
lass. Für 1600 war vom Papst erneut
ein «Jubeljahr» ausgerufen worden.
Von der reformierten Seite wurde ent
sprechend reagiert. Man dachte sogar
an die Einführung eines eigenen «Ju
beljahres» und bezeichnet,e das Jahr
1600 als ein «. evangelisches Jubiläum
unter den Vox Zeichen des 1600ten
Jahres nach Christi Geburt». Zum
Schluss des Jahrhunderts, welches
ganz im Zeichen des konfessionellen
Gegensatzes katholisch-protestantisch
stand, waren wenig apokalyptische
Töne zu hören. Die Jahrhundertwen
de fand wenig Beachtung.
In Balzers und Mäls waren unterdes
sen die Konturen der Gemeinde deut
licher geworden Das T.egerbnch, ein
Verzeichnis der schnitzzahlcndcn
(= steuerzahlenden) Leute in der Graf
schaft Vaduz und in der Herrschaft
Sehellenberg wurde 1584 angelegt.
Für die Bezahlung des jährlichen
Schnitzes übernahm der Landesherr,
damals ein Graf von Sulz, die Reiehs-
und Kreisauflagen, also die Beitrags
leistungen, die Vaduz und Schellen
berg an das Reich und den schwäbi
schen Kreis abzuführen hatte. Balzers
und Mäls zählten 83 schnitzzahlende
Leute, die nach der Anlage von 1584
jährlich insgesamt rund 72 Gulden be
zahlen mussten. Das Gesamtvermö
gen dieser Leute betrug nach Abzug
der Schulden rund 20000 Gulden.
Viele der damals existierenden Fami
liennamen sind heute verschwunden.
Genannt sind (bei Peter Kaiser) als
Einzelpersonen Hans Gurtnatsch, Ital
Ballisar, Jakob Plenki, Hans Nutt,
Wolf Ballisar, Jos Steger und dazu die
Geschlechter Frick, Moy, Nigg, Gasner,
Eberle, Bendter, Schedler, Mazenstei-
ner, Geist, Span; Wolfinger, Will,