Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1999) (1999)

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selbst. Einige Kinder tranken zu 
schnell, und anderen war ein Glas zu 
viel und schoben es desshalb dem 
Nachbarn oder der Nachbarin zu. Die 
Kinder waren ungemein gut aufge 
legt, lachten und scherzten und hat 
ten grosse Freude, - das alles bewirk 
te, dass der wenige Wein ihnen in den 
Kopf stieg. Als ich bezahlt hatte und 
mit den Kindern wieder auf der Stras 
se mich befand, musste ich leider 
Gottes die Beobachtung machen, 
dass einige zu viel getrunken hatten 
und desshalb nicht mehr recht auf 
den Beinen waren. Ich hatte im Sinn 
gehabt, mit ihnen noch die herrliche 
Schlossruine zu besuchen, aber aus 
dem gab es nichts mehr. Die Buben 
prügelten einander, warfen sich über 
das Strassenbord, einige kleinere 
Mädchen konnten kaum mehr recht 
stehen und lachten noch darüber. Ich 
musste zwei an den Händen führen, 
und die ganze kleine Schaar war 
ausser Rand und Band, dass ich mir 
nicht mehr zu helfen wusste. Ich hät 
te mich in die Erde verkriechen mö 
gen vor Scham, und nun musste ich 
mit ihnen wieder durch das refor- 
mirte Trübbach, durch das wir etwa 
vor 2° Stunden so wohlgeordnet und 
stolz gezogen waren. Gott sei Dank, 
dass die halbe Stunde Weges die Klei 
nen wieder ein bischen ernüchterte. 
Aber in Trübbach angekommen, ver- 
liess ich die Kinder so geschwind als 
möglich und ging zu Fuss heim mit 
dem festesten Vorsatz, keinen Spa 
ziergang mehr mit den Kindern zu 
machen. Ich hatte genug an diesem 
Vergnügen.» 7 
Die erste Predigt in Vaduz 
Das Kapuzinerkloster Meis war die 
erste Station des neugeweihten Prie 
sters. In seinen Erinnerungen be 
schreibt er drastisch, wieviel Mühe 
ihm das Predigen bereitet habe, zu 
mal die Predigten damals auswendig 
gehalten wurden. Das erste Mal 
musste Pater Keust in Vaduz predi 
gen, wo zu dieser Zeit der spätere 
Kanonikus Josef Anton Wolfinger als 
Kurat wirkte. Die Schilderung dieser 
Begebenheit zeigt deutlich die An 
strengungen auf, welche die Patres 
zu dieser Zeit auf sich nehmen 
mussten, um in den weit verstreuten 
Kirchen und Kapellen des Kloster 
kreises Meis ihren Aufgaben nachzu 
kommen. Offenbar war der neu 
geweihte Priester mit seiner rhetori 
schen Leistung gar nicht zufrieden. 
Er vermerkt aber, dass ihn Pfarrer 
Wolfinger getröstet habe, indem er 
meinte, es werde mit der Zeit schon 
besser. 8 
«Als ich am Vorabend in Trübbach 
über den Rhein fuhr und dann fast 2 
Stunden weit demselben entlang auf 
dem einsamen Damm, von Weiden 
und Erlengebüschen umgeben, wan 
dern musste, da schrie und gesti- 
kulirte ich meine Predigt wieder, dass 
ich den brausenden und tobenden 
Rhein übertönte und überall die Vö 
gel aufschreckte, dass sie auf- und 
davonflogen. In Vaduz erwartete 
mich eine grosse Enttäuschung, - ich 
fand nur ein gewöhnliches Dorf, 
oberhalb welchem ein Schloss sich 
befindet und eine Kirche, die mehr 
eine recht armselige Kapelle genannt 
werden durfte.» 9 Trotzdem trat er am 
anderen Morgen beim Gottesdienst 
klopfenden Herzens auf die Kanzel. 
«Wenn die guten Leute gewusst ha 
ben würden, wie es mit mir stehe, sie 
hätten ganz bestimmt Erbarmen ge 
habt mit mir. Als ich einmal losgelas 
sen hatte, haspelte sich freilich die 
ganze eingetrüllte Materie ab bis 
zum letzten Wörtlein. Ich wusste fast 
nicht, wo mir der Kopf stund, der 
aber kaum mehr in Betracht kom 
men konnte, weil es von selbst lief, 
wie ein sich abwickelnder Faden. Und 
geschrien habe ich, dass mir selber 
die Ohren weh thaten, von der armen 
Brust gar nicht zu reden.» 10 
Anmerkungen 
1 Raphael Hogg: Geschichte des Kapuziner 
klosters Meis. Meis 1935, S. 38. 
2 Ebenda. 
3 Ebenda, S. 56. 
4 Ebenda, S. 65. 
5 Paul Hugger: Der schöne Augenblick - 
Schweizer Photographen des Alltags. 
Zürich 1989, S. 47. 
6 Zitiert nach Hugger, wie Anm. 5, S. 60. 
7 Zitiert nach Hugger, wie Anm. 5, S. 78f. 
8 Ebenda, S. 59. 
9 Zitiert nach Hugger, wie Anm. 5, S. 59. 
10 Ebenda.
	        

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