Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1999) (1999)

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Kriegsfall, Grenzwachtkorps und Zoll 
vertrag. 48 An der Sitzung vom 15. Ok 
tober 1948 der beiden Verhand 
lungsdelegationen wurde der liech 
tensteinischen Seite klargemacht, 
dass eine starke Festung auch in ih 
rem Interesse liege. Der Vorschlag, 
das Ellhorn auf längere Zeit für mili 
tärische Zwecke zu verpachten, lehn 
te die Schweiz aufgrund neutralitäts 
rechtlicher Bedenken ab. 49 Ebenso 
konnten die Liechtensteiner mit ih 
rem Wunsch nach einer Zusicherung 
der Evakuierung der Bevölkerung im 
Kriegsfall in die Schweiz nicht durch 
dringen. 
Die Frage der Entschädigung der im 
Krieg durch das Militär verursachten 
Schäden, vornehmlich in Balzers, so 
wie die Frage nach der Zukunft des 
wichtigen Balzner Steinbruchs waren 
ebenso Bestandteil der Verhandlun 
gen. Wichtiger war jedoch die In 
rechnungstellung und Begleichung 
der liechtensteinischen Schulden in 
der Schweiz aufgrund der schweize 
rischen Aufwendungen zu Gunsten 
der wirtschaftlichen Landesversor 
gung des Fürstentums Liechtenstein 
in den Kriegsjahren (Brotschuld). Die 
geforderte Summe von etwa 2,6 Mil 
lionen Franken erschien als zu hoch. 
Die Schweiz gab hier, zumal eine ge 
naue Summe nicht errechnet werden 
konnte und verschiedene Punkte 
strittig waren, nach und verzichtete 
auf 1,8 Millionen Franken. 50 Die Ge 
meinde Balzers oder einzelne Bürger 
sollten für erlittene Schäden wäh 
rend des Krieges eine globale Abfin 
dung erhalten. 
An der erwähnten Sitzung vom 15. 
Oktober, gefolgt von weiteren Bespre 
chungen am 9. und 10. November, ka 
men die Delegationen schliesslich 
überein, dass Liechtenstein ein Ge 
biet von 45 Hektaren (zuerst war von 
über 70 Hektaren die Rede) im Wert 
von 80’000 Franken gegen eine Flä 
che im Wert von 120’000 Franken ab 
treten solle. Die liechtensteinische 
Delegation verlangte, dass der Lenza- 
wald davon ausgeschlossen bleibe 
und zudem die Fläche der abzutre 
tenden Ellwiesen bedeutend zu ver 
mindern sei. Liechtenstein räumte der 
Schweiz ausserdem «für die 250 Me 
ter südwestlich St. Katharina Brun 
nen und 90 Meter westlich des Lu- 
ziensteigs gelegene Quelle ein unbe 
schränktes Benützungs- und Zutritts 
recht ein». 51 
Wie der damalige Forstmeister Eu 
gen Bühler berichtet, war das Ver 
handlungsklima unterkühlt. 52 Von 
Balzers waren Vorsteher Fidel Brun 
hart und Kassier Peter Vogt Mitglie 
der der liechtensteinischen Sieb- 
nerdelegation. Regierungschef Frick 
schien bedrückt und befürchtete, 
nachdem die Kantone St. Gallen und 
Graubünden ihr Desinteresse am 
Weiterbestehen des Zollvertrages be 
kundet hätten, die Aufhebung dieses 
Vertrags Werkes. 
Empörte Balzner Bevölkerung 
In der Bevölkerung von Balzers wur 
de die Verärgerung immer spürbarer. 
Unmut und Verdruss hatten sich ja 
schon früher aufgestaut. Die Ge 
meinde besass einige hundert Hekt 
aren Güter auf Bündner Kantons 
gebiet, darunter viel Wald, die der 
schweizerischen Gesetzgebung un 
terworfen waren. Im Zweiten Welt 
krieg (seit April 1941) mussten aus 
den Gemeindewäldern Graubündens 
bestimmte Kontingente an Brenn 
holz an den Kanton geliefert werden. 
Die Balzner versuchten erfolglos, von 
dieser Belastung, die zusätzliche Ar 
beit erforderte, Zeit raubte und den 
Holzertrag aus den eigenen Wäldern 
minderte, befreit zu werden. Vergeb 
lich. Die Gemeinde hatte pro Jahr 
zwischen 250 und 350 Ster Brenn 
holz in die Schweiz abzugeben, wobei 
die Lieferungen sortiert an fahrbarer 
Strasse oder bahnverladen bereitzu 
stellen waren. 53 
Und nun das! Den Ellberg mit dem 
Ellhorn sollte man abtreten! War 
man nicht sonst schon genug gestraft 
mit dem ungeliebten Nachbarn, dem 
Schweizer Militär? Hatte man nicht 
schon genug Boden abgeben müssen, 
Beschädigungen, Lärm, Behinderun 
gen und Übergriffe ertragen? Waren 
nicht Schiessscharten und Kanonen 
auf das Dorf gerichtet? Sollte das 
Ellhorn wirklich verlorengehen? Es 
entstanden hitzige und wochenlange 
Diskussionen, und man begann, auch 
in den Gasthäusern der benachbar 
ten Schweiz, über die Behörden und 
die Schweiz verbittert herzuziehen. 
Der Gömer Wilhelm Frick schrieb am 
10. November 1948 besorgt an den 
Regierungschef, dass ihm das Pro 
blem Ellhorn «Kummer und Sorgen» 
bereite. 54 Die Gemeinde habe schon 
zehn Hektaren an das Militär abge 
treten und das zu so niedrigen Prei 
sen, dass man an keinen Ersatz den 
ken könne. Er machte den unge 
wöhnlichen Vorschlag, dass es mora 
lisch gerechtfertigt wäre, wenn «eini 
ge der mit viel Waldbesitz gesegneten 
Gemeinden» kleine Waldungen ab 
treten würden, zumal auch sie vom 
Wirtschaftsaufschwung dank des Zoll 
vertrages profitierten. Zudem beste 
he auch das Problem, dass wegen des 
Schiessplatzes auf der Steig drei 
Hektaren Wald nicht bewirtschaftet 
werden könnten. Der Schiessplatz 
werde ständig erweitert, deshalb sei 
in den Ellhorn-Verhandlungen dar 
auf zu dringen, ihn aufzuheben. 55 
Interessant ist auch ein weiterer 
Brief vom 15. November 1949. 56 Dem 
Briefschreiber war klar, dass die 
Mälsner gegen die Abtretung des 
Ellhorns seien, auch wenn ein schö 
ner Batzen Geld herausspringen wür 
de, «aber was haben die späteren Ge 
nerationen vom Geld, jede Spanne 
Boden ist mehr wert als Geld». Sollte 
es dennoch zur Abtretung kommen, 
so sei die Bedingung zu stellen, dass 
alle «Balzner Verurteilten und Ver 
bannten mit dem Kauf fristlos entlas 
sen werden». Immerhin sei die 
Schweizer Armee die Käuferin, und 
diese Armee habe sie verurteilt. Der 
Zweite Weltkrieg, in welchem die 
Schweiz mit wirklichen oder auch 
nur angeblichen Spionen und Spit 
zeln hart verfuhr, war ja noch nicht 
weit weg. 
Spannungsgeladene 
Gemeindeversammlung 
In der Gemeinde Balzers stand die 
Entscheidung am 21. November 1948 
an. Wie Emanuel Vogt in «Mier z 
Balzers» berichtet, 57 war alles «ner 
vös und aufgeregt. Niemand sass, die 
Balzner standen alle, es war eine ge 
fährliche, brodelnde Situation.» Der 
Balzner Gymnasiallehrer Dr. Josef 
Kriss habe in der Versammlung aus 
gerufen, «nun werde auch der <Lore- 
leifelsem ausgebohrt und zu einer Fe 
stung gemacht. Das wurde zwar 
dann vom Podium her verneint, aber 
ein halbes Jahr später wurde doch im 
besagten Felsen für den Festungs 
ausbau gebohrt! Der damalige 
Versammlungsleiter Regierungschef 
Alexander Frick erzählte mir später
	        

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