Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1999) (1999)

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transigente liechtensteinische Stand 
punkt» sei nach Beratung mit dem 
Fürsten in Wien festgelegt worden. 
Dieser nehme Rücksicht auf seine 
Besitzungen im Sudetenland und in 
der Tschechoslowakei. In Liechten 
stein schreite man kaum gegen die 
NS-Propaganda ein, man lasse den 
Dingen mehr oder weniger freien 
Lauf. Das Fürstentum müsse Farbe 
bekennen. 31 Der von Liechtenstein 
noch nicht bezogene Kredit wurde 
gesperrt. Das Departement beschul 
digte Regierungschef Hoop, die posi 
tiven Angaben bezüglich der Einstel 
lung der Gemeinde Balzers gegen 
über dem Landabtausch nur ge 
macht zu haben, um die Gewährung 
des angestrebten Kredits zu erschlei 
chen. 32 Die Finanzdelegation der eid 
genössischen Räte warnte den Bun 
desrat vor weiteren Darlehen «an die 
sen Staat». 33 Interessant ist, dass 
Liechtenstein am 27. Juni 1941 vor 
schlug, die noch unbereinigte Grenze 
mit dem Kanton Graubünden zu revi 
dieren, wobei das Ellhorn allerdings 
nicht tangiert worden wäre. Die 
Schweiz lehnte ab. Die politische 
Lage sei zu unsicher und Liechten 
stein selbst zu unzuverlässig, was sol 
che Verträge verunmögliche. 34 
Als Reminiszenz über die Verbitte 
rung des Militärs sei angefügt, dass 
der Direktor der Schweizer Volks 
bank, E. Schoch, sich gegenüber Re 
gierungschef Hoop darüber empört 
zeigte, dass «ein eidg. Oberst in frevel 
hafter Weise Behauptungen aufstel 
len kann, welche die Ehre Ihres Lan 
des berühren». 35 Der Korpskommis 
sär Pfister, Sekretär des schweizeri 
schen Müllerverbandes, hatte in die 
Welt gesetzt, dass zwischen der 
Schweiz und der liechtensteinischen 
Regierung «über die Abtretung des 
Ellhorn ein Vertrag bestanden» habe. 
Dieser Vertrag sei vom Fürstentum 
nicht erfüllt worden, weil Berlin «ab 
gewunken» habe. Schoch schrieb 
Pfister, seine Behauptung sei so «gro 
tesk wie empörend», und behielt sich 
vor, ihn in Bern einer militärgericht- 
lichen Untersuchung unterwerfen zu 
lassen. 
Das Ellhorn kam bis auf weiteres 
nicht mehr auf den Tisch. Solche Be 
strebungen erschienen erfolglos, so 
lange sich Liechtenstein «gegen jede, 
auch die geringste und wenn auch 
nur technisch motivierte Verschie 
bung der Grenze» am Ellhorn aus 
sprach und diese für die nächsten 
fünf bis zehn Jahre als «sakrosankt» 
bezeichnete. 36 
Die Sarganser Festungspläne dulde 
ten jedoch in militärischer Sicht kei 
nen Aufschub. Es wurde weiter 
gebaut. Am 5. Dezember 1940 besich 
tigten Bundesrat Rudolf Minger und 
General Henri Guisan die Anlagen in 
Sargans. Für den weiteren Ausbau 
wurde vom Bundesrat ein Kredit in 
Höhe von 29 Millionen Franken be 
willigt. 
Ultimative Forderungen nach 1945 
Nach dem Krieg war die Situation für 
die Schweiz in bezug auf das Ellhorn 
günstig. Man war heil aus dem Krieg 
herausgekommen und wurde von der 
Geschichte erst fünf Jahrzehnte spä 
ter ganz eingeholt. Das Fürstentum 
Liechtenstein wiederum hatte, wie in 
einer Schrift über die Festung Sar 
gans geschrieben wurde, «in bezug 
auf einen Landabtausch an seiner 
südlichen Landesgrenze keine Rük- 
kenstärkung mehr, stand alleine und 
musste wohl oder übel mit der 
Schweiz Ellhorn-Verhandlungen auf 
nehmen». 37 Auf Anregung von Gene 
ral Guisan schlug Bundesrat Karl 
Kobelt am 17. März 1945 seinem Kol 
legen Max Petitpierre vom Politi 
schen Departement vor, Abtretungs 
verhandlungen mit Liechtenstein auf 
zunehmen. 38 Der Moment sei gün 
stig. 39 Der Kommandant der Festung 
Sargans hielt damals die Aussage der 
liechtensteinischen Regierung, sie sei 
1938/39 von den Deutschen unter 
Druck gesetzt worden, als «nicht un 
glaubhaft». 40 
Neue Verhandlungen 1947/48 
Am 14. Februar 1947 wurde im Zu 
sammenhang mit einer Konferenz 
über fremdenpolizeiliche Massnah 
men die Diskussion über das Ellhorn 
in ultimativ anmutender Weise wie 
der aufgenommen. Den Liechtenstei 
nern wurde, wie es in den Quellen 
heisst, 41 «etwas der Kopf gewaschen», 
gleichzeitig aber ein Entgegenkom 
men signalisiert. 
Darauf stieg Liechtenstein widerwil 
lig in die Ellhorn-Verhandlungen ein. 
Für die Schweiz war klar, dass sie das 
Ellhorn bekommen würde. Liechten 
stein konnte es nur noch darum ge 
hen, ein gutes Verhandlungsergebnis 
zu erzielen. Die liechtensteinische 
Delegation skizzierte an der oben er 
wähnten Konferenz ihre Forderun 
gen, nachdem ihr die militärischen 
Gründe des angestrebten Geländeab 
tausches erläutert worden waren. Sie 
hielt fest, dass ein Abschluss nur zu 
erzielen sei, wenn Projekte vorgelegt 
würden, welche den Abtausch gleich 
grosser Gebiete vorsahen, und eine 
ausgeglichene wertmässige Kompen 
sation angeboten werde. 42 
Die Verknüpfung der Ellhorn-Frage 
mit fremdenpolizeilichen, finanziel 
len, wirtschafts- und auch sicher- 
heitspolitischen Bedingungen gab 
der Schweiz die Möglichkeit, in allen 
Bereichen Druck auszuüben. 43 Insbe 
sondere die teilweise auf blossen Ver 
dacht hin ausgesprochene Einreise 
sperre gegen prominente Liechten 
steiner entpuppte sich vorerst als 
Hürde. 
Opposition der Gemeinde Balzers 
Die Gemeinde Balzers, die schon in 
den Dreissigerjahren der Schweiz auf 
mehr oder minder starken Druck hin 
beträchtliche Flächen für militäri 
sche Zwecke hatte verkaufen müs 
sen, 44 wurde nach dem Krieg erneut 
mit solchen Anträgen konfrontiert. 
Die Gemeindeversammlung vom 19. 
April 1947 jedoch fasste den Be 
schluss, «grundsätzlich keinen Bo 
den mehr für Festungsbauten zu ver 
kaufen». 45 Sie befürchtete auch, im 
Falle eines Gebietsabtausches gegen 
das Ellhorn würde sie im Kriegsfall 
im Feuerbereich von drei Festungen 
stehen. 46 Die Position der Gemeinde 
war eindeutig. 
Bei einem Essen in der italienischen 
Gesandtschaft wurde der liechten 
steinische Botschafter in der Schweiz, 
Prinz Heinrich von Liechtenstein, 
gemäss einem Brief an die Regierung 
in Vaduz von Bundesrat Kobelt auf 
die Ellhorn-Frage angesprochen. 47 
Der Gesandte legte dar, dass das 
grosse Hindernis nicht Landtag, Fürst 
und Regierung seien, sondern die Ge 
meinde Balzers, deren Zustimmung 
man laut Verfassung einholen müsse. 
Er wisse, dass eine Ablehnung beim 
Schweizer Militär «eine ungeheure 
Verstimmung hervorrufen würde».
	        

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