Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1998) (1998)

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tober 1919 das Balzner Amtshaus 
geräumt habe, was faktisch eine 
Auflösung des Mietvertrages bedeu 
tet habe - man sei folglich nichts 
mehr schuldig. 
Die Textilfirma Kleinberger im 
Amtshaus 
Wenig später (1926) kam die Firma 
Kleinberger & Co. mit Sitz in 
St. Gallen nach Balzers, wo sie eine 
Näherei und Ausrüsterei eröffnete. 
Betriebsleiter der Filiale in Balzers 
war Johann (Hans) Tribelhorn, des 
sen Vater als gelernter Sticker in 
Arbon tätig war. Im Raum Ost 
schweiz spielte die Textilindustrie 
damals eine wirtschaftlich dominie 
rende Rolle. Der 18jährige Hans 
Tribelhorn absolvierte bei der Firma 
Bachert & Co. in Trübbach eine Leh 
re als Textilkaufmann. Der Kompa 
gnon Bacherts war jener Kleinberger, 
der später die Filiale im Amtshaus 
Balzers eröffnete. Bei dieser Firma 
und ihrer Nachfolgerin, dem 1933 ge 
gründeten Textilunternehmen Schel 
lenberg, Sax & Co. AG, fand über 
Jahre hinweg eine ansehnliche Zahl 
von Frauen und einigen Männern aus 
Balzers ihr Auskommen. Der seit 
1924 mit der Balznerin Philomena 
Frick verheiratete Hans Tribelhorn 
kaufte die Amtshaus-Liegenschaft 
zusammen mit Georg Kaufmann; sie 
wurden am 23. Juli 1926 als Eigen 
tümer im Grundbuch eingetragen. 
Der Bongert reichte damals bis zum 
Kanal hinab. 
Im florierenden Textilunternehmen 
Kleinberger in Balzers leitete Hans 
Tribelhorn die Näherei und die Ad 
ministration, seine Frau Philomena 
die Ausrüsterei und Glätterei. Die 
Produktionsstätten befanden sich im 
ersten und dritten Stock des Amts 
hauses sowie im westlichen Anbau. 
Der zweite Stock diente als Wohnung 
der Betriebsleiterfamilie. Die Firma 
war bald die grösste Arbeitgeberin im 
Dorf: 1929 beschäftigte sie schon 38 
Frauen, später wuchs die Zahl der 
weiblichen Angestellten auf etwa 70 
Personen aus Balzers und Triesen. 
Auch Heimarbeit wurde in Auftrag 
gegeben, teilweise bis ins Liechten 
steiner Unterland. 
Die Regierung bewilligte aufgrund 
der guten Ertragslage Überzeitarbei 
ten, so dass teilweise von sechs Uhr 
morgens bis acht Uhr abends, teil 
weise sogar bis zehn Uhr abends 
gearbeitet werden konnte, nur von 
den Pausen unterbrochen. Je nach 
Auftragslage wurde auch an Sams 
tagen gearbeitet, Feiertage wurden 
eingeholt. Die Überzeitarbeit wurde 
um 1930 mit 25 Prozent Zuschlag auf 
den normalen Stundenlohn entschä 
digt. 
Der Putsch von 1939 und die Folgen 
Die Dreissigerjahre brachten Liech 
tenstein in eine aussen- und innenpo 
litisch schwierige Lage. Stichworte 
sind: Arbeitsmangel, Anschluss Öster 
reichs 1938, gespanntes Verhältnis 
Blick vom Amtshaus (links) und vom 
Getreidehandel (frühere Zuschg beim 
Hotel Post) der Gebrüder Wolfinger 
(rechts) Richtung Höfle, Kohlezeich 
nung von Anton Gstöhl 
zur Schweiz (Ellhornfrage), An 
schlusspläne für Liechtenstein, Ver 
teilungskampf um Arbeit und politi 
sche Macht, Koalitionsregierung der 
Fortschrittlichen Bürgerpartei und 
der Vaterländischen Union, Grün 
dung einer «Volksdeutschen Bewe 
gung in Liechtenstein», Arbeitsmög 
lichkeiten im Reich, Radio Liechten 
stein, Abwehr des Nationalsozialis 
mus, Flüchtlingspolitik, patriotische 
Unterschriftensammlung, am 24. 
März 1939 schliesslich ein «Putsch 
versuch» in Liechtenstein. 
Diesen schon in den Anfängen 
gescheiterten Anschlussputschver 
such, in welchen ungefähr 100 Per 
sonen aktiv oder passiv involviert wa 
ren, hatte die «Volksdeutsche Bewe 
gung» inszeniert. Eine Gruppe von 
etwa 40 Personen, die von Nendeln 
Richtung Vaduz marschierte, konnte 
in Schaan aufgehalten und zur 
Umkehr bewegt werden. Das uner 
hörte Ereignis hatte direkte Auswir 
kungen auf die Balzner Filiale der 
Textilfirma Kleinberger. Der in 
St. Gallen wohnhafte Inhaber war 
jüdischer Herkunft; er fürchtete den 
Einmarsch der Nationalsozialisten in 
Liechtenstein und einen damit ver 
bundenen Verlust seiner Balzner 
Zweigstelle. Das im Gefolge des 
«Putsches» entstandene Gerücht, 
Hitler marschiere in Liechtenstein 
ein (oder sei schon einmarschiert), 
wurde auch in St. Gallen vernommen 
und verunsicherte Kleinberger so 
sehr, dass er sich telefonisch erkun 
digte und in der Folge mit dem 
Abbau der Balzner Filiale begann. 
Nach und nach wurden die Maschi 
nen abgezogen, die Zulieferungen 
gestoppt, die Produktionsstätte 
schliesslich vollständig nach St. Mar- 
grethen verlagert. Der Firmenabbau 
war beschleunigt vorangetrieben 
worden, nachdem seit dem Aus 
bruch des Zweiten Weltkrieges (Sep 
tember 1939) Exporte besonders 
nach Amerika zunehmend erschwert 
wurden. Balzers erlitt einen Verlust 
wichtiger Arbeitsplätze.
	        

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