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tober 1919 das Balzner Amtshaus
geräumt habe, was faktisch eine
Auflösung des Mietvertrages bedeu
tet habe - man sei folglich nichts
mehr schuldig.
Die Textilfirma Kleinberger im
Amtshaus
Wenig später (1926) kam die Firma
Kleinberger & Co. mit Sitz in
St. Gallen nach Balzers, wo sie eine
Näherei und Ausrüsterei eröffnete.
Betriebsleiter der Filiale in Balzers
war Johann (Hans) Tribelhorn, des
sen Vater als gelernter Sticker in
Arbon tätig war. Im Raum Ost
schweiz spielte die Textilindustrie
damals eine wirtschaftlich dominie
rende Rolle. Der 18jährige Hans
Tribelhorn absolvierte bei der Firma
Bachert & Co. in Trübbach eine Leh
re als Textilkaufmann. Der Kompa
gnon Bacherts war jener Kleinberger,
der später die Filiale im Amtshaus
Balzers eröffnete. Bei dieser Firma
und ihrer Nachfolgerin, dem 1933 ge
gründeten Textilunternehmen Schel
lenberg, Sax & Co. AG, fand über
Jahre hinweg eine ansehnliche Zahl
von Frauen und einigen Männern aus
Balzers ihr Auskommen. Der seit
1924 mit der Balznerin Philomena
Frick verheiratete Hans Tribelhorn
kaufte die Amtshaus-Liegenschaft
zusammen mit Georg Kaufmann; sie
wurden am 23. Juli 1926 als Eigen
tümer im Grundbuch eingetragen.
Der Bongert reichte damals bis zum
Kanal hinab.
Im florierenden Textilunternehmen
Kleinberger in Balzers leitete Hans
Tribelhorn die Näherei und die Ad
ministration, seine Frau Philomena
die Ausrüsterei und Glätterei. Die
Produktionsstätten befanden sich im
ersten und dritten Stock des Amts
hauses sowie im westlichen Anbau.
Der zweite Stock diente als Wohnung
der Betriebsleiterfamilie. Die Firma
war bald die grösste Arbeitgeberin im
Dorf: 1929 beschäftigte sie schon 38
Frauen, später wuchs die Zahl der
weiblichen Angestellten auf etwa 70
Personen aus Balzers und Triesen.
Auch Heimarbeit wurde in Auftrag
gegeben, teilweise bis ins Liechten
steiner Unterland.
Die Regierung bewilligte aufgrund
der guten Ertragslage Überzeitarbei
ten, so dass teilweise von sechs Uhr
morgens bis acht Uhr abends, teil
weise sogar bis zehn Uhr abends
gearbeitet werden konnte, nur von
den Pausen unterbrochen. Je nach
Auftragslage wurde auch an Sams
tagen gearbeitet, Feiertage wurden
eingeholt. Die Überzeitarbeit wurde
um 1930 mit 25 Prozent Zuschlag auf
den normalen Stundenlohn entschä
digt.
Der Putsch von 1939 und die Folgen
Die Dreissigerjahre brachten Liech
tenstein in eine aussen- und innenpo
litisch schwierige Lage. Stichworte
sind: Arbeitsmangel, Anschluss Öster
reichs 1938, gespanntes Verhältnis
Blick vom Amtshaus (links) und vom
Getreidehandel (frühere Zuschg beim
Hotel Post) der Gebrüder Wolfinger
(rechts) Richtung Höfle, Kohlezeich
nung von Anton Gstöhl
zur Schweiz (Ellhornfrage), An
schlusspläne für Liechtenstein, Ver
teilungskampf um Arbeit und politi
sche Macht, Koalitionsregierung der
Fortschrittlichen Bürgerpartei und
der Vaterländischen Union, Grün
dung einer «Volksdeutschen Bewe
gung in Liechtenstein», Arbeitsmög
lichkeiten im Reich, Radio Liechten
stein, Abwehr des Nationalsozialis
mus, Flüchtlingspolitik, patriotische
Unterschriftensammlung, am 24.
März 1939 schliesslich ein «Putsch
versuch» in Liechtenstein.
Diesen schon in den Anfängen
gescheiterten Anschlussputschver
such, in welchen ungefähr 100 Per
sonen aktiv oder passiv involviert wa
ren, hatte die «Volksdeutsche Bewe
gung» inszeniert. Eine Gruppe von
etwa 40 Personen, die von Nendeln
Richtung Vaduz marschierte, konnte
in Schaan aufgehalten und zur
Umkehr bewegt werden. Das uner
hörte Ereignis hatte direkte Auswir
kungen auf die Balzner Filiale der
Textilfirma Kleinberger. Der in
St. Gallen wohnhafte Inhaber war
jüdischer Herkunft; er fürchtete den
Einmarsch der Nationalsozialisten in
Liechtenstein und einen damit ver
bundenen Verlust seiner Balzner
Zweigstelle. Das im Gefolge des
«Putsches» entstandene Gerücht,
Hitler marschiere in Liechtenstein
ein (oder sei schon einmarschiert),
wurde auch in St. Gallen vernommen
und verunsicherte Kleinberger so
sehr, dass er sich telefonisch erkun
digte und in der Folge mit dem
Abbau der Balzner Filiale begann.
Nach und nach wurden die Maschi
nen abgezogen, die Zulieferungen
gestoppt, die Produktionsstätte
schliesslich vollständig nach St. Mar-
grethen verlagert. Der Firmenabbau
war beschleunigt vorangetrieben
worden, nachdem seit dem Aus
bruch des Zweiten Weltkrieges (Sep
tember 1939) Exporte besonders
nach Amerika zunehmend erschwert
wurden. Balzers erlitt einen Verlust
wichtiger Arbeitsplätze.