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Blick vom Mittlerspitz Richtung
Falknis
Der Mittlerspitz bietet mehrere Ab
stiegsmöglichkeiten, wobei von der
Route über den Sattel und die Hoch-
platta abzuraten ist. Ein Umweg, der
sich sicher lohnt, führt über die
Mazorahöhe. Dort aber bleibt die
Wahl: gegen Lawena mit dem gross
artigen Talschluss oder wieder über
Meren und Stafel nach Guscha, vorbei
an windzerzausten Lärchen und
Weisstannen.
Falknis
Die beliebteste Route zum Falknis -
der Enderlin-Weg - führt von der Lu-
ziensteig durch die steile Westflanke
zum Fläscher-Fiirkle. Ist man über
Falknishom - Mazorahöhe - Guscha
wieder ins Tal zurückgekehrt, hat
man nicht nur den aussichtsreich
sten Gipfel des Rätikons, sondern
auch einen anstrengenden, aber
grossartigen Rundweg erlebt.
Vor 25 Jahren durfte ich einen
«Falknistag» geniessen, den ich in
den folgenden Erinnerungen festge
halten habe.
Allein im Spätherbst auf die
höchsten Berge unserer Heimat
In Gold und Feuer leuchtete der Bu
chenwald über dem Dorf, weiter
oben lockten gelbbraun die Berge.
Aber für meine Bergkameraden war
die Saison zu Ende. Ich wollte sie für
den Sardonapass begeistern, aber
nach Allerheiligen hatten sie keine
Lust mehr.
Schon vor vier Uhr stand ich unter
sternenklarem Himmel vor dem
Haus; zügigen Schrittes ging ich über
Prad gegen die Luziensteig. Der halb
dösende Wachsoldat erschrak, als ich
vor ihm stand. Ich erschrak manch
mal weiter oben im Wald, wenn ein
Tier durch die knackenden Zweige
flüchtete oder ein scheuer Vogel ver
stört wegflatterte. Oberhalb von
Guscha begann es leicht zu grauen,
und ich war froh, denn hier wurde
der Bergweg schmäler und steiniger.
Über den obersten Tannen wehte ein
kühler Novemberwind vom Grat.
Verschwitzt und ausgepumpt quälte
ich mich höher und beschloss, nicht
mehr in die Berge zu gehen. Kurze
Zeit ruhte ich beim Mittlerspitz in
der windgeschützten Gratsenke. Die
Kirchenglocken von Balzers läuteten
zur Frühmesse - weit unten lag das
Dorf im Dunstlicht der Strassenlam-
pen.
Zwischen Naafkopf und Schwarz-
hom begann violettrot der neue Tag.
Ich ging weiter über den Grat und
stieg, einige harte Schneeflecken vor
sichtig begehend, gegen das Falknis-
horn. Hier empfing mich die Sonne
und beleuchtete grossartig die umlie
genden Berge. Bereits an den Vor
tagen hatte sie meinen Weg vom
Neuschnee geräumt. Bald war ich
auf dem Falknis.
Über Geröllfelder und Grasborde
näherte ich mich dem engen, steilen
Aufstieg gegen den Grauspitz. Fast
mechanisch reihte ich nun Schritt an
Schritt über das endlose Geröllfeld
bis zum Grat, der gegen den höch
sten Punkt unseres Landes führt.
«Ein Tag, der alle Mühen lohnt»,
habe ich ins Gipfelbuch geschrieben.
Es war ein Kampf über mich selbst,
und die Schönheit der spätherbstli
chen Berge hat mich für diese
Herausforderung grosszügig belohnt.
Trocken und schneefrei lag die
Südflanke des Schwarzhoms. In kur
zer Zeit war ich gegen das Gipfel
kreuz gekrabbelt. Hier gönnte ich
mir eine längere Ruhepause. Die
anstrengendsten Aufstiege hatte ich
noch vor Mittag zurückgelegt. Vor
einer Woche waren wir bereits hier
gewesen. Wir hatten im harten
Schnee unter dem lesförkle gute
Tritte gestampft. Ich war froh, dass
die Sonne diese steile Flanke nicht
mehr berührt hatte, so dass die Tritte
noch begehbar waren. Es war viel
leicht zwei Uhr, als ich von Valüna
gegen Steg marschierte. Ein Triesner
wollte mich im Auto mitnehmen,
aber ich fühlte mich noch frisch, und
die Zeit drängte nicht. Tunnel, Lava-
dina, Steinord waren die nächsten
Stationen. Nachher nahm ich den
Waldweg gegen Matruela und mar
schierte Richtung Triesner Stein
bruch. Schliesslich erreichte ich das
Lawena werk. Der Flüchtlingsweg war
wie immer angenehm zu begehen an
diesem frühen Sonntagabend. Noch
vor Einbruch der Nacht gelangte ich
am äusseren Dorfrand über abgewei
dete Wiesen und abgeerntete Äcker
nach Mariahilf.
Ich habe diese 15 Stunden sehr inten
siv erlebt: der Marsch in der Nacht,
die Kälte am Grat, dann der wunder
bar aufsteigende Tag, die wärmende
Sonne und die Konzentration am
weglosen Berg und auf dem harten
Schnee. Der Heimweg vom Schwarz
horn war geniesserisches Wandern in
grossartiger Gebirgswelt, im Berg
wald und auf weichen Weidewiesen.