Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1998) (1998)

44 
Blick vom Mittlerspitz Richtung 
Falknis 
Der Mittlerspitz bietet mehrere Ab 
stiegsmöglichkeiten, wobei von der 
Route über den Sattel und die Hoch- 
platta abzuraten ist. Ein Umweg, der 
sich sicher lohnt, führt über die 
Mazorahöhe. Dort aber bleibt die 
Wahl: gegen Lawena mit dem gross 
artigen Talschluss oder wieder über 
Meren und Stafel nach Guscha, vorbei 
an windzerzausten Lärchen und 
Weisstannen. 
Falknis 
Die beliebteste Route zum Falknis - 
der Enderlin-Weg - führt von der Lu- 
ziensteig durch die steile Westflanke 
zum Fläscher-Fiirkle. Ist man über 
Falknishom - Mazorahöhe - Guscha 
wieder ins Tal zurückgekehrt, hat 
man nicht nur den aussichtsreich 
sten Gipfel des Rätikons, sondern 
auch einen anstrengenden, aber 
grossartigen Rundweg erlebt. 
Vor 25 Jahren durfte ich einen 
«Falknistag» geniessen, den ich in 
den folgenden Erinnerungen festge 
halten habe. 
Allein im Spätherbst auf die 
höchsten Berge unserer Heimat 
In Gold und Feuer leuchtete der Bu 
chenwald über dem Dorf, weiter 
oben lockten gelbbraun die Berge. 
Aber für meine Bergkameraden war 
die Saison zu Ende. Ich wollte sie für 
den Sardonapass begeistern, aber 
nach Allerheiligen hatten sie keine 
Lust mehr. 
Schon vor vier Uhr stand ich unter 
sternenklarem Himmel vor dem 
Haus; zügigen Schrittes ging ich über 
Prad gegen die Luziensteig. Der halb 
dösende Wachsoldat erschrak, als ich 
vor ihm stand. Ich erschrak manch 
mal weiter oben im Wald, wenn ein 
Tier durch die knackenden Zweige 
flüchtete oder ein scheuer Vogel ver 
stört wegflatterte. Oberhalb von 
Guscha begann es leicht zu grauen, 
und ich war froh, denn hier wurde 
der Bergweg schmäler und steiniger. 
Über den obersten Tannen wehte ein 
kühler Novemberwind vom Grat. 
Verschwitzt und ausgepumpt quälte 
ich mich höher und beschloss, nicht 
mehr in die Berge zu gehen. Kurze 
Zeit ruhte ich beim Mittlerspitz in 
der windgeschützten Gratsenke. Die 
Kirchenglocken von Balzers läuteten 
zur Frühmesse - weit unten lag das 
Dorf im Dunstlicht der Strassenlam- 
pen. 
Zwischen Naafkopf und Schwarz- 
hom begann violettrot der neue Tag. 
Ich ging weiter über den Grat und 
stieg, einige harte Schneeflecken vor 
sichtig begehend, gegen das Falknis- 
horn. Hier empfing mich die Sonne 
und beleuchtete grossartig die umlie 
genden Berge. Bereits an den Vor 
tagen hatte sie meinen Weg vom 
Neuschnee geräumt. Bald war ich 
auf dem Falknis. 
Über Geröllfelder und Grasborde 
näherte ich mich dem engen, steilen 
Aufstieg gegen den Grauspitz. Fast 
mechanisch reihte ich nun Schritt an 
Schritt über das endlose Geröllfeld 
bis zum Grat, der gegen den höch 
sten Punkt unseres Landes führt. 
«Ein Tag, der alle Mühen lohnt», 
habe ich ins Gipfelbuch geschrieben. 
Es war ein Kampf über mich selbst, 
und die Schönheit der spätherbstli 
chen Berge hat mich für diese 
Herausforderung grosszügig belohnt. 
Trocken und schneefrei lag die 
Südflanke des Schwarzhoms. In kur 
zer Zeit war ich gegen das Gipfel 
kreuz gekrabbelt. Hier gönnte ich 
mir eine längere Ruhepause. Die 
anstrengendsten Aufstiege hatte ich 
noch vor Mittag zurückgelegt. Vor 
einer Woche waren wir bereits hier 
gewesen. Wir hatten im harten 
Schnee unter dem lesförkle gute 
Tritte gestampft. Ich war froh, dass 
die Sonne diese steile Flanke nicht 
mehr berührt hatte, so dass die Tritte 
noch begehbar waren. Es war viel 
leicht zwei Uhr, als ich von Valüna 
gegen Steg marschierte. Ein Triesner 
wollte mich im Auto mitnehmen, 
aber ich fühlte mich noch frisch, und 
die Zeit drängte nicht. Tunnel, Lava- 
dina, Steinord waren die nächsten 
Stationen. Nachher nahm ich den 
Waldweg gegen Matruela und mar 
schierte Richtung Triesner Stein 
bruch. Schliesslich erreichte ich das 
Lawena werk. Der Flüchtlingsweg war 
wie immer angenehm zu begehen an 
diesem frühen Sonntagabend. Noch 
vor Einbruch der Nacht gelangte ich 
am äusseren Dorfrand über abgewei 
dete Wiesen und abgeerntete Äcker 
nach Mariahilf. 
Ich habe diese 15 Stunden sehr inten 
siv erlebt: der Marsch in der Nacht, 
die Kälte am Grat, dann der wunder 
bar aufsteigende Tag, die wärmende 
Sonne und die Konzentration am 
weglosen Berg und auf dem harten 
Schnee. Der Heimweg vom Schwarz 
horn war geniesserisches Wandern in 
grossartiger Gebirgswelt, im Berg 
wald und auf weichen Weidewiesen.
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.