Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1998) (1998)

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Überraschend ist der Fund einer 
Dicken Flussmuschel (unio crassus 
ssp.). Bisher gingen die Zoologen 
davon aus, dass diese Spezies erst in 
neuerer Zeit durch das Aussetzen 
bestimmter Fischarten in unseren 
Gewässern heimisch wurde. Durch 
ihre eindeutige Fundlage in den 
römerzeitlichen Schichten zeigt sich, 
dass die Dicke Flussmuschel schon 
viel früher als bisher angenommen 
im Gebiet des heutigen Liechten 
stein vorgekommen sein muss. Sie 
gilt hier bereits wieder als ausgestor 
ben. 
Das Grab 
Die Gräberfelder lagen in römischer 
Zeit in der Regel entlang der Ausfall 
strassen der Siedlungen. Ungewöhn 
lich ist daher die Entdeckung eines 
Grabes inmitten des römerzeitlichen 
Gebäudes auf dem Areal Amtshaus. 
Die anthropologischen Untersuchun 
gen haben ergeben, dass es sich bei 
der Bestatteten um eine 35- bis 45- 
jährige Frau mit zierlichem Wuchs 
handelte. Sie dürfte zu Lebzeiten ca. 
1,50 m gross gewesen sein. Beach 
tenswert ist eine Zahnfehlstellung im 
Unterkiefer und die Verknöcherung 
eines Gehirntumors oder Blutgerinn 
sels im Kopf. Aussagen über die To 
desursache können nicht gemacht 
werden. Die Tote wurde in gestreck 
ter Rückenlage in Süd(Kopf)-Nord 
(Füsse)-Orientierung bestattet. Mög 
licherweise war das Grab mit grösse 
ren Dachziegelstücken abgedeckt. 
Ein Sarg oder ein Totenbrett wurde 
nicht festgestellt. Da die verstürzten 
Mauerreste direkt über dem Grab 
lagen, kann davon ausgegangen wer 
den, dass die Tote kurze Zeit nach der 
Aufgabe des Gebäudes in einem sei 
ner Innenräume bestattet worden ist. 
Als Beigaben fanden sich der Becken 
knochen eines jungen Pferdes oder 
Maultiers auf der Brust der Toten 
und eine eiserne Lanzenspitze neben 
deren linker Schulter. Von einem 
knöchernen Armring konnte nur 
noch ein kleines Fragment beim 
Flandgelenk festgestellt werden. 
Beinerne Armringe waren seit dem 
zweiten Drittel des 4. Jahrhunderts 
als Schmuckstücke in Gebrauch. 
Daraus kann geschlossen werden, 
dass unsere Römerin gegen Ende des 
4. Jahrhunderts hier zur letzten Ruhe 
gebettet worden ist. Sie ist somit 
ungefähr zur gleichen Zeit bestattet 
worden wie jene Römerin, deren 
Grab 1932 beim Bau des Kanals in 
rund 100 m Entfernung zum Amts 
haus entdeckt wurde. Als Beigaben 
fanden sich dort eine Zwiebelknopf 
fibel aus Bronze, eine eiserne Gürtel 
schnalle und ein Messer. 
Die Eisenzeit 
Einige Einzelfunde belegen die Prä 
senz des Menschen im Gebiet des 
heutigen Ortsteils Höhe bereits in 
der jüngeren Eisenzeit. Die Archäo 
logen benennen aufgrund ihrer lo 
kalen Kulturausprägung die Be 
völkerung, die ab dem 6. Jahrhun 
dert v. Chr. bis um Christi Geburt die 
Gegend vom Flinterrhein bis an den 
Bodensee besiedelte, als Alpenrhein 
talgruppe. Auf dem Runden Büchel 
in Balzers ist das bisher einzige in 
Liechtenstein bekannte Brandgrä 
berfeld dieser Kultur gefunden wor 
den. Einige Funde aus dem Areal 
Amtshaus - Keramikfragmente und 
das Bruchstück eines gelben Glas 
armringes - können dieser Kultur 
zugeschrieben werden. Sie entstam 
men dem 2./1. Jahrhundert v. Chr. 
Die Neuzeit 
Die jüngsten Funde und Befunde 
auf dem Areal Amtshaus gehören 
der Neuzeit an. Ihnen können die 
Nordwest-Ecke eines gemauerten 
Gebäudes mit daran anschliessen 
der Hofpflästerung und die Funda 
mente eines Stalles zugeordnet wer 
den. Mitte des 19. Jahrhunderts ist 
das Flaus im Zuge der Errichtung 
des heutigen Amtshauses abgebro 
chen worden. Fragmente von be 
malter Bauernkeramik, Eisenob 
jekte und Kachelfunde, die in den 
obersten Planierungsschichten zum 
Vorschein gekommen sind, datieren 
ins 18./19. Jahrhundert. Bei den 
Stallfundamenten handelte es sich 
nach Angaben von Alt-Gemeindevor 
steher Emanuel Vogt möglicherweise 
um die letzten Überreste des 
Wirtschaftsgebäudes von Haus Nr. 42 
(Georg Frick). 
Schlussbemerkung 
Durch die Resultate aus der Notgra 
bung im Areal Amtshaus kann das 
Wissen um die römische Besiedlung 
des heutigen Balzers um weitere 
Puzzleteile ergänzt werden. Die um 
fassenden Analysen der botanischen 
und zoologischen Reste ermöglichen 
neue, wichtige Erkenntnisse zur 
Lebensweise der Römer in unserem 
Gebiet. Die grossen Fundmengen an 
Münzen und Terra Sigillata geben 
Einblick in die weitreichenden Han 
delsverbindungen der römischen 
Siedlung. Fragen nach den Lebens 
umständen der damaligen Bewohner, 
nach dem Namen der Siedlung in der 
Antike, nach der Lokalisierung der 
Gräber, nach der Funktion des erst 
zum Teil dokumentierten Gebäudes 
sowie nach Beginn und Ende dieser 
Siedlung sind noch offen. Standort 
und Aussehen der Gebäude der ein 
heimischen Bevölkerung in der Spät 
antike sind ebenso unbekannt wie die 
Siedlung der eingewanderten Ala 
mannen. 
Die Archäologen versuchen durch 
ihre Arbeit auf dem Areal Amtshaus 
nicht nur einen Einblick in die mate 
rielle Hinterlassenschaft der frühe 
ren Bewohner von Balzers zu geben. 
Vielmehr stellen sie den Menschen in 
den Mittelpunkt ihrer Betrachtun 
gen. Unmittelbar lässt dieser sich 
durch seine Knochen und durch die 
Nennung seines Namens, z. B. auf 
den Gefässen, fassen. Jede Grabung 
öffnet neue Einblicke in die Ver 
gangenheit und ermöglicht das Er 
kennen und Verstehen politischer, 
wirtschaftlicher und sozialer Vorgän 
ge in früheren Zeiten und deren 
Auswirkungen auf die Gegenwart. 
Einige der oben beschriebenen Fun 
de aus der Grabung im Areal Amts 
haus sind als Kopien in den Vitrinen 
des Kundenraumes der Geschäfts 
stelle der Liechtensteinischen Lan 
desbank AG in Balzers zu besichti 
gen.
	        

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