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kost, kein festlicheres Essen. Schliess
lich aber erwiesen sich praktische und
wirtschaftliche Beweggründe sowie
der im 19. Jahrhundert einherlau
fende Prozess der Vereinheitlichung
(der auch die Zeitrechnung erfasste)
stärker als konfessionelle Orthodoxie,
stärker auch als das Beharren auf Tra
dition und alter lieber Gewohnheit.
Ebenso änderte sich die Zeitein
teilung: Hatte man bis dahin in der
landwirtschaftlich geprägten Welt mit
Tagen und Stunden gerechnet, so
zählte man in der nun zunehmend
mehr industrialisierten und arbeits
ökonomisch strukturierten Welt mit
Minuten und Sekunden.
Die Stadt Maienfeld hing, wie andere
Gemeinden der Bündner Herrschaft,
bis ins frühe 19. Jahrhundert am alten
julianischen Kalender. Die Stadt Chur
dagegen hatte den neuen gregoriani
schen Kalender auf Weihnachten
1784 eingeführt. Treibende Kraft war
nicht zuletzt der damalige Bürgermei
ster Johann Baptist von Tscharner,
der als aufgeschlossener, progressiver
Zentralist und Demokrat beschrieben
wird. Er hatte den neuen Kalender
schon 1782 als «füglicher und schik-
licher» bezeichnet. Dass aber auch bei
ihm die alte Zeitrechnung weiterhin
gebräuchlich war, zeigt der Umstand,
dass Tscharner 1795 den Empfang des
nach der alten, in Maienfeld noch gel
tenden Zeitrechnung datierten Brie
fes in Chur ebenfalls ganz selbstver
ständlich nach dem alten Kalender
datierte - obwohl er ihn um elf Tage
später auf den 23. Oktober 1795 hätte
datieren «müssen».
Für Hinweise danke ich Ursus Brunold,
Zizers, und Remo Vogelsang, Maienfeld.
Literatur
Jakob Bott: Die Einführung des neuen Ka
lenders in Graubünden. Leipzig 1863.
Felix Maissen: Der Kalenderstreit in Grau
bünden (1582-1812). In: Bündner Monats
blatt 1960, S. 253-273.
Jakob Messerli; Gleichmässig, pünktlich,
schnell. Zeiteinteilung und Zeitgebrauch in
der Schweiz im 19. Jahrhundert. Zürich
1995.
J. Jakob Simonet: Der gregorianische
Kalender und seine Einführung in Grau
bünden. In: Bündner Monatsblatt 1935,
S. 299-311 und 346-352.