Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1997) (1997)

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kost, kein festlicheres Essen. Schliess 
lich aber erwiesen sich praktische und 
wirtschaftliche Beweggründe sowie 
der im 19. Jahrhundert einherlau 
fende Prozess der Vereinheitlichung 
(der auch die Zeitrechnung erfasste) 
stärker als konfessionelle Orthodoxie, 
stärker auch als das Beharren auf Tra 
dition und alter lieber Gewohnheit. 
Ebenso änderte sich die Zeitein 
teilung: Hatte man bis dahin in der 
landwirtschaftlich geprägten Welt mit 
Tagen und Stunden gerechnet, so 
zählte man in der nun zunehmend 
mehr industrialisierten und arbeits 
ökonomisch strukturierten Welt mit 
Minuten und Sekunden. 
Die Stadt Maienfeld hing, wie andere 
Gemeinden der Bündner Herrschaft, 
bis ins frühe 19. Jahrhundert am alten 
julianischen Kalender. Die Stadt Chur 
dagegen hatte den neuen gregoriani 
schen Kalender auf Weihnachten 
1784 eingeführt. Treibende Kraft war 
nicht zuletzt der damalige Bürgermei 
ster Johann Baptist von Tscharner, 
der als aufgeschlossener, progressiver 
Zentralist und Demokrat beschrieben 
wird. Er hatte den neuen Kalender 
schon 1782 als «füglicher und schik- 
licher» bezeichnet. Dass aber auch bei 
ihm die alte Zeitrechnung weiterhin 
gebräuchlich war, zeigt der Umstand, 
dass Tscharner 1795 den Empfang des 
nach der alten, in Maienfeld noch gel 
tenden Zeitrechnung datierten Brie 
fes in Chur ebenfalls ganz selbstver 
ständlich nach dem alten Kalender 
datierte - obwohl er ihn um elf Tage 
später auf den 23. Oktober 1795 hätte 
datieren «müssen». 
Für Hinweise danke ich Ursus Brunold, 
Zizers, und Remo Vogelsang, Maienfeld. 
Literatur 
Jakob Bott: Die Einführung des neuen Ka 
lenders in Graubünden. Leipzig 1863. 
Felix Maissen: Der Kalenderstreit in Grau 
bünden (1582-1812). In: Bündner Monats 
blatt 1960, S. 253-273. 
Jakob Messerli; Gleichmässig, pünktlich, 
schnell. Zeiteinteilung und Zeitgebrauch in 
der Schweiz im 19. Jahrhundert. Zürich 
1995. 
J. Jakob Simonet: Der gregorianische 
Kalender und seine Einführung in Grau 
bünden. In: Bündner Monatsblatt 1935, 
S. 299-311 und 346-352.
	        

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