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Vonbun schreibt dazu: «Das Nacht
volk als nächtliches gespenstisches
geisterheer, hat für den menschen et
was abschreckendes und grauenhaf
tes, Schutzmittel gegen dasselbe müs
sen daher willkommen sein. Weih
brunn 24 lähmt die zauberische gewalt
des Nachtvolkes.» 25
Ebenfalls in Balzers trägt sich eine
weitere Geschichte vom Nachtvolk zu:
Da lag einmal einer in Balzers schon im
bett, als er draussen vor dem hause das
Nachtvolk vorbei ziehen hörte. Er
sprang eilends auf und zum fenster, das
geisterheer zu schauen; vorerst hatte er
noch in die hosen schliefen wollen, war
aber so in der hast, dass er nur in das
eine hosenbein kam. Er schaute nun
vom fenster aus dem Nachtvolke zu,
und da war’s ein langer, langer schwar
zer zug, der unter schrecklichem tosen
und lermen vorüberfuhr, und hinten
drein gieng einer, der auch nur in einem
hosenbein stack. 26
Als «räthselhaft und dunkel» bezeich
net Vonbun «die figur, die dem Nacht
volk nachläuft». 27
Die folgende von Vonbun aus Balzers
aufgezeichnete Sage führt uns in die
Hexenzeit vor 1680;
In Balzers (Liechtenstein) zog eine frau
den butterkübel, aber es wollte nicht
scheiden; ihr mann sass daneben am
tisch, nahm zufällig einen Strohhalm
und störte im docht des kerzenlichtes,
das vor ihm stand; da trat plötzlich die
Scheidung ein und des andern tages
kam die tochter der nachbarsfrau und
bat um etwas butter für ihre mutter,
letztere habe sich nämlich gestern den
finger verbrannt. - Die nachbarin war
eine hexe. 28
Soweit die sechs Sagen Vonbuns, wel
che Balzers betreffen.
Wenden wir uns nochmals kurz den
Quellen zu, aus denen Franz Josef
Vonbun schöpfte. Schon als Student
hatte er in seinen Ferien immer wie
der seine engere Heimat, aber auch
deren weitere Umgebung durchstreift
und dabei mit dem Sammeln von Sa
gen begonnen. So dürfte er schon Mit
te der vierziger Jahre des 19. Jahrhun
derts auch unser Land kennengelernt
haben. Später erstreckten sich dann
seine Erkundungsfahrten bis nach
Graubünden. Dort hatte er unter an
deren auch einen Herrn von Sprecher
in Jenins als Gewährsmann. 29 Von
Liechtenstein kannte Vonbun natür
lich Peter Kaisers «Geschichte des
Fürstenthums Liechtenstein» von
1847. Dass er mit dieser bestens ver
traut war, beweist seine Beschreibung
der sagenhaften Erbauung der Burg
Gutenberg durch den römischen Kai
ser Kurio, der - seines Glaubens wegen
aus Rom vertrieben - Zuflucht in den
rätischen Tälern gesucht habe. Von
bun übernimmt nämlich in seiner
Publikation «Feldkirch und seine
Umgebungen» (1868) die betreffende
Passage wörtlich von Peter Kaiser. 30
Franz Josef Vonbun ehrt Peter Kaiser
in dieser Schrift mit den Worten: «Das
Land [Liechtenstein] hat auch seinen
Livius in dem verblichenen Herrn
Rektor Peter Kaiser gefunden, dessen
«Geschichte des Fürstenthums Liech
tenstein» mit Recht als «opus teres
atque rotundum» 3 ' bezeichnet wird.
Kaiser hat übrigens die Sage von der
Erbauung Gutenbergs durch Kaiser
Kurio der «Schwäbischen Chronik»
von Thomas Lirer aus Rankweil aus
dem 15. Jahrhundert entnommen.
Dass Franz Josef Vonbun auch das
Regierungsarchiv in Vaduz benützte,
geht aus einer Anmerkung in seinen
«Beiträgen zur deutschen mytho
logie» hervor. Dort heisst es auf Seite
89; «Leider stehen mir nur ... einige
vereinzelte processe aus dem archive
zu Vaduz zu geböte.»
Es bleiben an Gewährsleuten in
Liechtenstein noch die beiden Schwe
stern Lucretia und Laura und deren
Vater, Altpostmeister Josef Ferdinand
Wolfinger aus Balzers.
Eine vorzügliche Gesamtdarstellung
von Leben und Werk Franz Josef Von
buns gibt Peter Strasser aus Schruns
in seinem Buch «Ein Sohn des Tha
ies», welches 1993 erschienen ist. 32
Anmerkungen
1 Peter Kaiser: Geschichte des Fürsten
thums Liechtenstein. Nebst Schilderun
gen aus Chur-Rätien’s Vorzeit. Chur
1847, S. 292 «Uh Mariss», S. 399 «Das
Ende der Hexenverfolgung», S. 400
«Die Tobelhocker», S. 424 f. «Der Land
ammann muss geistern».
2 Vonbun wurde neben von Bergmann
auch zum bedeutendsten Walser
forscher Österreichs im 19. Jahrhun
dert.
3 Lucretia Wolfinger ist am 11. März 1836
in Balzers geboren. Ihr Taufpate war
der bekannte Arzt, Philanthrop und
Gründer der Realschule Vaduz, Dr. Jo
sef Ludwig Grass. Die Taufpatin war
Salome Rheinberger, Frau des Adler
wirtes Johann Nepomuk Rheinberger in
Vaduz.
4 Dieser Deputation gehörten ausser Josef
Ferdinand Wolfinger auch Rektor Peter
Kaiser und Advokat Anton Rheinberger,
Löwenwirt in Vaduz, an.
5 Siehe Rupert Quaderer-Vogt: «... wird
das Contingent als das Unglück des
Landes angesehen. Liechtensteinische
Militärgeschichte von 1814 bis 1849. In:
JBL 90 (1991), S. 114.
6 Im Haus «Zum Ochsen» in der Markt
gasse in Feldkirch war früher das erz
herzogliche Rentamt untergebracht.
Um 1800 wurde in dem Gebäude eine
Gastwirtschaft eingerichtet. Der «Och
sen» war auch Zunft- und Studenten
lokal.
7 Mündliche Mitteilung von Frau Else
Feger, Feldkirch.
8 Robert, Josef, Alfons, Ludwig, Ida.
9 Peter Strasser: Ein Sohn des Thaies.
Frankfurt 1993. (Beiträge zur europäi
schen Ethnologie und Folklore. Bd. 2),
S. 26.
10 Wir wissen, dass auch nach der Verhei
ratung Lauras die Beziehungen zwi
schen der Familie Vonbun in Schruns
und den Verwandten in Liechtenstein
nie abrissen.
11 Strasser (wie Anm. 9), S. 94, Anm. 7.
12 Franz Josef Vonbun: Beiträge zur deut
schen mythologie. Chur 1862, S. 27.
13 Franz Josef Vonbun: Feldkirch und sei
ne Umgebungen. Innsbruck 1868.
14 Hermine Rheinberger: Gutenberg -
Schalun. Chur 1897, S. 269 f.
15 Albert Schädler: Liechtensteinische
Volksbräuche und Volkssagen. In:
JBL 16 (1916), S. 99.
16 Otto Seger: Sagen aus Liechtenstein. In:
JBL 65 (1965), S. 13-175.
17 Hans F. Walser: Sagenumwobene
Heimat, Schaan 1948, S. 85 ff.
18 Loretta Federspiel-Kieber: Die Riesin
auf Schloss Gutenberg. Triesen 1995.
19 Vonbun (wie Anm. 13), S. 86.
20 Laura Wolfinger
21 Vonbun (wie Anm. 12), S. 79 f.
22 Ebenda, S. 80.
23 Vonbun (wie Anm. 12), S. 12.
24 Weihwasser
25 Vonbun (wie Anm. 12), S. 12.
26 Ebenda, S. 8.
27 Ebenda.
28 Ebenda, S. 82.
29 Strasser (wie Anm. 9), S. 59.
30 Kaiser (wie Anm. 1), S. 155.
31 Ein feines und in sich abgerundetes
Werk.
32 Strasser (wie Anm. 9).