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In einer Sekunde waren wir aus frei
en Leuthen Untertanen geworden...
Die Reisebeschreibung' }
Am (fehlt) hielt der hiesige Herr Statt
halter Zimmermann Hochzeit, und da
unser Herr Pfarrherr dabei zu Gast
war; so wollten wir uns inzwischen
auch etwas zu gute tun. Wir schlugen
daher dem Herrn Landvogt einen Spa
ziergang nach Balzers vor, und er wil
ligte ein, uns dahin zu begleiten. Es
ward daher früher und etwas eilferti
ger gespeist als gewöhnlich, und unser
Cassier nahm seine Cassa mit, um eine
kleine Erfrischung daraus bestreiten
zu können. Unseren lieben Pater
Jeklin liessen wir nach Maienfeld ge
hen, weil die weite Reise nach Balzers
bei seinem kleinen Wechselfieber
eben nicht ratsam war. Er hatte auf
diese Weise eine eigene Freude, weil er
die Werkfmannjbesatzung allda und
den grossen Zusammenlauf von Zu
schauern beiderlei Geschlechts auf
die benachbarten Gemeinden beob
achten und zudem des Besuchs bei
seinem Herrn Grossvater und dessen
Familie geniessen konnte. Wirklich
war dieses Ihm verschaffte Vergnügen
auch uns eine wahre Freude, denn wie
sehr würde ohne dieses, der Gedanke,
«dass unser lieber Pater zu Hause Lan
geweile haben und sich nach uns seh
nen möchte», und dessen Vergnügen
unsere kleine Reise verbittert haben,
ja wir würden wohl alle eher ent
schlossen haben, ihm zu Hause Ge
sellschaft zu halten, als ohne ihn jenes
Vergnügen zu suchen.
Nun aber gingen wir recht fröhlich
von Hause, und jeder hoffte, es in
Menge und Wichtigkeit der heutigen
Reisebemerkungen, dem andern zu
vorzutun.
Wir hielten die Landstrasse, bis zum
Kreuzweg, wo man in die Oberen Gü
ter und gegen Rofels sich wendet. Bis
dahin war der Weg von aufgeputzten
Jeninser Knaben und Mädchen be
säumt, welche nach Maienfeld wall-
fahrteten, und sich durch den Spazier
gang, durch die grosse Zusammen
kunft junger Leute aus den anderen
Gemeinden, durch ein Glas Wein und
vielleicht auch durch ein paar lustige
Tänze etwas zu gut getan haben wer
den.
Einsamer wanderten wir durch die
Obern Güter, und bedauerten die
Verheerungen, welche allda die Jenin
ser Pardell Rüfe an Wiesen und Wein
gärten bald alle Jahre erneuert.
Maienfelder Namenkunde
Bald öffneten sich die Magern Maien
felder Pratafantwiesen, wo wir auf
weiter und flacher Anhöhe die schön
ste Aussicht auf Maien feld und auf das
ganze Tal von Zizers bis Wangs genos
sen. Auch «pratafant» mag, der Aus
sprache nach, eine romanische Be
nennung sein, denn unsre 2 romani
schen Mitzöglinge erklären diese,
bald in allen Dörfern einer gewissen
Strecke magerer Wiesen zugeeignete
Benennung, als «Prat d'avant», oder
auf teutsch die äusseren der entfern
ten Wiesen. Auch hier muss also nach
diesen und andern welschen Namen,
als Aspermont oder Rauchenberg, Pra-
molinas oder Mühlewiesen, Bovels
oder Ochsenried etc. zu schliessen,
die romanische Sprache geherrscht
haben, welches desto weniger zu wun
dern, als solche sich ja bis über Augs
burg hinaus erstreckt haben soll, ob
sie jetzt schon noch alleinig in einem
Teil des Obern Bunds und im Engadin
zu Hause ist, und auch dort von der
teutschen Sprache je länger je mehr in
die Enge getrieben wird.
Feuersbrünste und Feuerwehr
Unter diesen Unterredungen kamen
wir unvermerkt in dem kleinen Dörf
chen Rofels an, welches nach
Maienfeld gehört und nur 1/2 Stunde
ob der Stadt liegt. Auch dieser Namen
scheint von romanischer Abkunft, ob
uns schon seine Bedeutung nicht be
kannt ist. Vor einigen Jahren brann
ten hier einige Häuser ab, und auch
dieses Unglück, wie bald alle Feuers
brünste, hatte seine Entstehung der
Unbehutsamkeit zu verdanken. Dass
die Menschen doch durch so vieles
Unglück nicht klüger werden. Bei
Menschengedenken sollen in diesem
Tal schon zu Ems, Chur, Haldenstein,
Trimmis, Zizers, Igis, Maienfeld,
Jenins, Ragaz und Rofels solche Feu
ersbrünste gewütet haben, wo so viele
Unschuldige die Schuld eines einzi
gen Unvorsichtigen tragen müssen.
Aber ganz unschuldig dürften die üb
rigen doch auch nicht sein, wenn sie
nicht durch gute Feuerordnungen sol
che Unglücksfälle möglichst zu verhü
ten suchen. Man rühmt in diesem
Stück die Stadt Chur ausnehmend.
Dennoch hat Schaden auch die ande
ren klüger gemacht, und man trifft
nun doch bald überall neue Feuer-
sprützen, nebst der Menge von leder
nen Wasser-Eimern oder Feuerkü
beln an. Aber die Ordnung oder
zweckmässige Einrichtung und Sub
ordination fehlt überall, ausser zu
Chur.
Kalkbrennen am Falknisgebirge
Rofels grenzt auf der Mittagsseite an
den Steigwald, welcher sich von hier
bis an die Steigwiesen in einer Länge
von einer 1/2 Stunde erstreckt und
gegen Aufgang an den Hof Monzvic,
dem Stammgut des adeligen Ender-
lins Hauses, gegen Abend aber an die
Maienfelder Neubrüche und Fläscher
Güter grenzt. Die Nähe des Holzes
und des Falknis Gebirges, welches ein
ganzes Kalk-Gebirg ist, veranlasst
hier alljährlich Kalkbrände. Wir tra
fen einen eingefallenen Ofen an der
Strasse an. Bekanntlich werden die
Kalköfen auf mehrerlei Weise einge
richtet. Einige bauen alle Jahre neue
Öfen aus Kalkstein, wölben solche
oben, und füllen die Höhlung mit
Brennholz an, welches sie fortzu mit
frischem Holz ersetzen, bis das be
ständige Feuer den Kalkofen durch
brennt hat, welches in 3 Tagen ge
schieht. Das Gewölbe selbst und die
Seitenmauern sind dann der Kalk, der
fuderweise verkauft wird. Andere
pflegen von festen Kalksteinen die
Kalköfen zu bauen, und sie schon
mehrsteils rund, und von einigen vier
eckig erbaut; unten ob der Mündung
wird in der Tiefe ein Gewölbe gebaut,
welches viele Luftlöcher enthält, und
auf dieses füllt man erst die Kalksteine
ein. Diese Öfen, welche bei hundert
Jahren dauern, kosten zwar in ihrem
ersten Anbau mehr und erfordern viel
längere Zeit zum Brennen als jene er
ste Art; sie haben aber den Vorteil,
keine jährliche Erneuerung zu bedür
fen, in Zufüllung der Steinen viel Zeit
zu gewinnen und wegen Kleinheit des
Feuerbehältnisses viel Holz zu erspa
ren. Wo also das Holz kostbar und die
Taglöhner wohlfeil sind, sollen diese
letzten Öfen den Vorzug verdienen.
Bei wohlfeilem Holz und teuerer Ar
beit aber sollen die erstem nützlicher
sein. Hier ist die erste Methode in
Übung. Der hiesige Kalk soll sehr gut
1) Für den Hinweis auf diesen Text danke
ich Lic. phil. Ursus Brunold, Bündner
Staatsarchiv, Chur. Manuskript im Staats
archiv Graubünden, Chur. Sign.: FA
Tscharner-St. Margrethen D V 3 235/36.