Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1996) (1996)

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In einer Sekunde waren wir aus frei 
en Leuthen Untertanen geworden... 
Die Reisebeschreibung' } 
Am (fehlt) hielt der hiesige Herr Statt 
halter Zimmermann Hochzeit, und da 
unser Herr Pfarrherr dabei zu Gast 
war; so wollten wir uns inzwischen 
auch etwas zu gute tun. Wir schlugen 
daher dem Herrn Landvogt einen Spa 
ziergang nach Balzers vor, und er wil 
ligte ein, uns dahin zu begleiten. Es 
ward daher früher und etwas eilferti 
ger gespeist als gewöhnlich, und unser 
Cassier nahm seine Cassa mit, um eine 
kleine Erfrischung daraus bestreiten 
zu können. Unseren lieben Pater 
Jeklin liessen wir nach Maienfeld ge 
hen, weil die weite Reise nach Balzers 
bei seinem kleinen Wechselfieber 
eben nicht ratsam war. Er hatte auf 
diese Weise eine eigene Freude, weil er 
die Werkfmannjbesatzung allda und 
den grossen Zusammenlauf von Zu 
schauern beiderlei Geschlechts auf 
die benachbarten Gemeinden beob 
achten und zudem des Besuchs bei 
seinem Herrn Grossvater und dessen 
Familie geniessen konnte. Wirklich 
war dieses Ihm verschaffte Vergnügen 
auch uns eine wahre Freude, denn wie 
sehr würde ohne dieses, der Gedanke, 
«dass unser lieber Pater zu Hause Lan 
geweile haben und sich nach uns seh 
nen möchte», und dessen Vergnügen 
unsere kleine Reise verbittert haben, 
ja wir würden wohl alle eher ent 
schlossen haben, ihm zu Hause Ge 
sellschaft zu halten, als ohne ihn jenes 
Vergnügen zu suchen. 
Nun aber gingen wir recht fröhlich 
von Hause, und jeder hoffte, es in 
Menge und Wichtigkeit der heutigen 
Reisebemerkungen, dem andern zu 
vorzutun. 
Wir hielten die Landstrasse, bis zum 
Kreuzweg, wo man in die Oberen Gü 
ter und gegen Rofels sich wendet. Bis 
dahin war der Weg von aufgeputzten 
Jeninser Knaben und Mädchen be 
säumt, welche nach Maienfeld wall- 
fahrteten, und sich durch den Spazier 
gang, durch die grosse Zusammen 
kunft junger Leute aus den anderen 
Gemeinden, durch ein Glas Wein und 
vielleicht auch durch ein paar lustige 
Tänze etwas zu gut getan haben wer 
den. 
Einsamer wanderten wir durch die 
Obern Güter, und bedauerten die 
Verheerungen, welche allda die Jenin 
ser Pardell Rüfe an Wiesen und Wein 
gärten bald alle Jahre erneuert. 
Maienfelder Namenkunde 
Bald öffneten sich die Magern Maien 
felder Pratafantwiesen, wo wir auf 
weiter und flacher Anhöhe die schön 
ste Aussicht auf Maien feld und auf das 
ganze Tal von Zizers bis Wangs genos 
sen. Auch «pratafant» mag, der Aus 
sprache nach, eine romanische Be 
nennung sein, denn unsre 2 romani 
schen Mitzöglinge erklären diese, 
bald in allen Dörfern einer gewissen 
Strecke magerer Wiesen zugeeignete 
Benennung, als «Prat d'avant», oder 
auf teutsch die äusseren der entfern 
ten Wiesen. Auch hier muss also nach 
diesen und andern welschen Namen, 
als Aspermont oder Rauchenberg, Pra- 
molinas oder Mühlewiesen, Bovels 
oder Ochsenried etc. zu schliessen, 
die romanische Sprache geherrscht 
haben, welches desto weniger zu wun 
dern, als solche sich ja bis über Augs 
burg hinaus erstreckt haben soll, ob 
sie jetzt schon noch alleinig in einem 
Teil des Obern Bunds und im Engadin 
zu Hause ist, und auch dort von der 
teutschen Sprache je länger je mehr in 
die Enge getrieben wird. 
Feuersbrünste und Feuerwehr 
Unter diesen Unterredungen kamen 
wir unvermerkt in dem kleinen Dörf 
chen Rofels an, welches nach 
Maienfeld gehört und nur 1/2 Stunde 
ob der Stadt liegt. Auch dieser Namen 
scheint von romanischer Abkunft, ob 
uns schon seine Bedeutung nicht be 
kannt ist. Vor einigen Jahren brann 
ten hier einige Häuser ab, und auch 
dieses Unglück, wie bald alle Feuers 
brünste, hatte seine Entstehung der 
Unbehutsamkeit zu verdanken. Dass 
die Menschen doch durch so vieles 
Unglück nicht klüger werden. Bei 
Menschengedenken sollen in diesem 
Tal schon zu Ems, Chur, Haldenstein, 
Trimmis, Zizers, Igis, Maienfeld, 
Jenins, Ragaz und Rofels solche Feu 
ersbrünste gewütet haben, wo so viele 
Unschuldige die Schuld eines einzi 
gen Unvorsichtigen tragen müssen. 
Aber ganz unschuldig dürften die üb 
rigen doch auch nicht sein, wenn sie 
nicht durch gute Feuerordnungen sol 
che Unglücksfälle möglichst zu verhü 
ten suchen. Man rühmt in diesem 
Stück die Stadt Chur ausnehmend. 
Dennoch hat Schaden auch die ande 
ren klüger gemacht, und man trifft 
nun doch bald überall neue Feuer- 
sprützen, nebst der Menge von leder 
nen Wasser-Eimern oder Feuerkü 
beln an. Aber die Ordnung oder 
zweckmässige Einrichtung und Sub 
ordination fehlt überall, ausser zu 
Chur. 
Kalkbrennen am Falknisgebirge 
Rofels grenzt auf der Mittagsseite an 
den Steigwald, welcher sich von hier 
bis an die Steigwiesen in einer Länge 
von einer 1/2 Stunde erstreckt und 
gegen Aufgang an den Hof Monzvic, 
dem Stammgut des adeligen Ender- 
lins Hauses, gegen Abend aber an die 
Maienfelder Neubrüche und Fläscher 
Güter grenzt. Die Nähe des Holzes 
und des Falknis Gebirges, welches ein 
ganzes Kalk-Gebirg ist, veranlasst 
hier alljährlich Kalkbrände. Wir tra 
fen einen eingefallenen Ofen an der 
Strasse an. Bekanntlich werden die 
Kalköfen auf mehrerlei Weise einge 
richtet. Einige bauen alle Jahre neue 
Öfen aus Kalkstein, wölben solche 
oben, und füllen die Höhlung mit 
Brennholz an, welches sie fortzu mit 
frischem Holz ersetzen, bis das be 
ständige Feuer den Kalkofen durch 
brennt hat, welches in 3 Tagen ge 
schieht. Das Gewölbe selbst und die 
Seitenmauern sind dann der Kalk, der 
fuderweise verkauft wird. Andere 
pflegen von festen Kalksteinen die 
Kalköfen zu bauen, und sie schon 
mehrsteils rund, und von einigen vier 
eckig erbaut; unten ob der Mündung 
wird in der Tiefe ein Gewölbe gebaut, 
welches viele Luftlöcher enthält, und 
auf dieses füllt man erst die Kalksteine 
ein. Diese Öfen, welche bei hundert 
Jahren dauern, kosten zwar in ihrem 
ersten Anbau mehr und erfordern viel 
längere Zeit zum Brennen als jene er 
ste Art; sie haben aber den Vorteil, 
keine jährliche Erneuerung zu bedür 
fen, in Zufüllung der Steinen viel Zeit 
zu gewinnen und wegen Kleinheit des 
Feuerbehältnisses viel Holz zu erspa 
ren. Wo also das Holz kostbar und die 
Taglöhner wohlfeil sind, sollen diese 
letzten Öfen den Vorzug verdienen. 
Bei wohlfeilem Holz und teuerer Ar 
beit aber sollen die erstem nützlicher 
sein. Hier ist die erste Methode in 
Übung. Der hiesige Kalk soll sehr gut 
1) Für den Hinweis auf diesen Text danke 
ich Lic. phil. Ursus Brunold, Bündner 
Staatsarchiv, Chur. Manuskript im Staats 
archiv Graubünden, Chur. Sign.: FA 
Tscharner-St. Margrethen D V 3 235/36.
	        

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