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Die Flurnamen von Gapfahl
Toni Banzer
Einleitung
Unsere Bergwelt zieht Jahr für Jahr
unzählige Wanderer an. Auf abwechs
lungsreichen Touren kann sich der
Erholungssuchende an der Pflanzen-
und Tierwelt erfreuen, die Landschaft
geniessen und Abstand vom Alltag fin
den. Viele Wanderer sind zudem gut
über das Gebiet, welches sie jeweils
durchwandern, informiert. Sie wis
sen oft Bescheid über Geschichtliches
und Geographisches, doch was im
mer mehr verschwindet, ist das Wis
sen um die Flurnamen. Natürlich sind
Grossraumbezeichnungen wie Gapfahl
bekannt, und viele, besonders ältere
Leute, wissen auch, wo sich kleinere
Gebiete wie das Kolme oder das
Garsenzele befinden. Doch weiss man
auch, was diese Namen bedeuten?
Weiss man, wieso die Gebiete diese
Namen tragen?
Wenn man sich bewusst macht, dass
Flurnamen keine sinnleeren Gebilde
sind, dann kann eine Wanderung, bei
der das Augenmerk auf die Bedeutung
der Geländebezeichnungen gelenkt
wird, zusätzliche Einblicke bieten,
welche die optischen ergänzen und
den Horizont in mancher Hinsicht
erweitern können. Die Flurnamen der
relativ kleinen Alp Gapfahl bieten in
dieser Beziehung einen reichen Fun
dus, aus dem im folgenden geschöpft
werden soll.
Ein namenkundlicher Spaziergang
Der Verlauf eines Alpsommers auf
Gapfahl hat sich in wenigen Jahr
zehnten deutlich gewandelt. Ganz
einschneidende Änderungen brach
ten zuletzt etwa in den Jahren 1955/56
der Bau der Sennhütte und des Stalles
im Obersäss sowie 1967 die endgülti
ge Umstellung der Bewirtschaftung
zur reinen Galtviehalp. Vorbei ist des
halb längst die Zeit, als man das ganze
Alpgebiet vom Undersäss aus be-
stossen musste, und vorbei ist es auch
mit Milch, Butter und Käse von
Gapfahl. Ein Alpsommer am Ende des
20. Jahrhunderts hat kaum noch Ähn
lichkeit mit früher, und er hat erst
recht nichts mehr gemein mit den
Zeiten, da unsere Vorfahren über
haupt erst begannen, ihr Vieh auf die
Alpen zu treiben.
Weil schriftliche Hinweise aus frühe
ren Jahrhunderten sehr spärlich sind,
weiss man nur wenig über die Art und
Weise, wie die Alpen ursprünglich
bewirtschaftet wurden. Aus Urkun
den, Verträgen, Protokollen und an
deren Dokumenten können zwar
wichtige Fakten zur Geschichte ent
nommen werden, vieles bleibt aber
unbekannt, weil es nie Gegenstand
eines Zwistes oder Kaufgeschäftes
war und somit nie Eingang in irgend
ein schriftliches Dokument gefunden
hat. Hier kann die Flurnamenkunde
ansetzen und weitere Mosaiksteine
bei der Rekonstruktion einstiger Le
bens- bzw. Alpwirtschaftsformen ans
Tageslicht befördern. Gerade Flurna
men, die oft viele hundert Jahre alt
sind, enthalten nämlich Informatio
nen, welche Rückschlüsse nicht nur
sprachlicher Art erlauben.
Machen wir also eine Namenwande
rung auf Gapfahl und konzentrieren
wir uns für einmal weder auf Natur
schönheiten noch auf allzu viele histo
rische Daten. Die Schreibung der
Flurnamen, die im folgenden bespro
chen werden, entspricht derjenigen
auf der Balzner Flurnamenkarte von
1987. Um dem Dialekt noch gerechter
zu werden, schliesst dort, wo die Aus
sprache durch die Schreibung nicht
ausreichend wiedergegeben werden
kann, eine Aussprachehilfe in Klam
mern an die Nennung des Namens an.
Der Alpname Gapfahl
Wir beginnen den Spaziergang mit
dem wichtigsten Flurnamen dieses
Gebietes, mit dem Alpnamen Gapfahl,
gesprochen [gapfool]. Gapfahl, das in
alten Dokumenten oftmals in der
Form Gampfal geschrieben ist, stammt
aus der rätoromanischen Sprache
und besteht aus zwei Wörtern. Beim
ersten Wort, dem Grundwort, handelt
es sich um camp, welches auf latei
nisch campus zurückgeht und «Feld»
bzw. «Weide» bedeutet. Weniger klar
ist hingegen das zweite im Namen
enthaltene Wort, das Bestimmungs
wort. In Frage kommt etwa rätoroma
nisch val (lateinisch vallis), «Tal», so
dass Gapfahl vielleicht «Weide im Tal»
bedeutet. Ebensogut könnte es sich
beim Bestimmungswort aber auch
um rätoromanisch anal (lateinisch
aquale), «Bach» handeln, womit Ga
pfahl dann «Weide beim Bach» bedeu
ten würde. Sprachlich sind beide An
sätze denkbar, doch scheint «Bach
weide» (*campaual) sachlich plausi
bler als «Talweide» (*campval), denn
von einem eigentlichen Tal kann bei
Gapfahl ja kaum gesprochen werden,
während umgekehrt der Gapfahler
bach sehr gut als Namengeber für die
Alp in Frage kommen könnte.
Wie dem auch sei, die Tatsache, dass
Gapfahl rätoromanisch ist und dass
camp die Bedeutung «Weide» hat, be
weist, dass bereits vor der Jahrtau
sendwende hier oben Viehwirtschaft
betrieben wurde. Die Älpler von da
mals sprachen rätoromanisch und
haben das Gebiet sicher noch mit wei
teren Namen benannt. Bis in unsere
Zeit ist davon jedoch nur noch
Garsenzele erhalten geblieben, wäh
rend alle anderen Gapfahler Namen
heute deutsch bzw. alemannisch sind
oder zumindest Wörter enthalten, die
zwar rätoromanischen Ursprungs
sind, doch auch in unsere (ältere) ale
mannische Mundart Eingang gefun
den haben. Aus der Tatsache, dass
praktisch alle Gapfahler Flurnamen
deutsch sind, kann gefolgert werden,
dass die Alp bis in die Neuzeit intensiv
bewirtschaftet wurde. Nur wer sich in
einem Gebiet aufhält oder dort tätig