Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1996) (1996)

25 
Die Flurnamen von Gapfahl 
Toni Banzer 
Einleitung 
Unsere Bergwelt zieht Jahr für Jahr 
unzählige Wanderer an. Auf abwechs 
lungsreichen Touren kann sich der 
Erholungssuchende an der Pflanzen- 
und Tierwelt erfreuen, die Landschaft 
geniessen und Abstand vom Alltag fin 
den. Viele Wanderer sind zudem gut 
über das Gebiet, welches sie jeweils 
durchwandern, informiert. Sie wis 
sen oft Bescheid über Geschichtliches 
und Geographisches, doch was im 
mer mehr verschwindet, ist das Wis 
sen um die Flurnamen. Natürlich sind 
Grossraumbezeichnungen wie Gapfahl 
bekannt, und viele, besonders ältere 
Leute, wissen auch, wo sich kleinere 
Gebiete wie das Kolme oder das 
Garsenzele befinden. Doch weiss man 
auch, was diese Namen bedeuten? 
Weiss man, wieso die Gebiete diese 
Namen tragen? 
Wenn man sich bewusst macht, dass 
Flurnamen keine sinnleeren Gebilde 
sind, dann kann eine Wanderung, bei 
der das Augenmerk auf die Bedeutung 
der Geländebezeichnungen gelenkt 
wird, zusätzliche Einblicke bieten, 
welche die optischen ergänzen und 
den Horizont in mancher Hinsicht 
erweitern können. Die Flurnamen der 
relativ kleinen Alp Gapfahl bieten in 
dieser Beziehung einen reichen Fun 
dus, aus dem im folgenden geschöpft 
werden soll. 
Ein namenkundlicher Spaziergang 
Der Verlauf eines Alpsommers auf 
Gapfahl hat sich in wenigen Jahr 
zehnten deutlich gewandelt. Ganz 
einschneidende Änderungen brach 
ten zuletzt etwa in den Jahren 1955/56 
der Bau der Sennhütte und des Stalles 
im Obersäss sowie 1967 die endgülti 
ge Umstellung der Bewirtschaftung 
zur reinen Galtviehalp. Vorbei ist des 
halb längst die Zeit, als man das ganze 
Alpgebiet vom Undersäss aus be- 
stossen musste, und vorbei ist es auch 
mit Milch, Butter und Käse von 
Gapfahl. Ein Alpsommer am Ende des 
20. Jahrhunderts hat kaum noch Ähn 
lichkeit mit früher, und er hat erst 
recht nichts mehr gemein mit den 
Zeiten, da unsere Vorfahren über 
haupt erst begannen, ihr Vieh auf die 
Alpen zu treiben. 
Weil schriftliche Hinweise aus frühe 
ren Jahrhunderten sehr spärlich sind, 
weiss man nur wenig über die Art und 
Weise, wie die Alpen ursprünglich 
bewirtschaftet wurden. Aus Urkun 
den, Verträgen, Protokollen und an 
deren Dokumenten können zwar 
wichtige Fakten zur Geschichte ent 
nommen werden, vieles bleibt aber 
unbekannt, weil es nie Gegenstand 
eines Zwistes oder Kaufgeschäftes 
war und somit nie Eingang in irgend 
ein schriftliches Dokument gefunden 
hat. Hier kann die Flurnamenkunde 
ansetzen und weitere Mosaiksteine 
bei der Rekonstruktion einstiger Le 
bens- bzw. Alpwirtschaftsformen ans 
Tageslicht befördern. Gerade Flurna 
men, die oft viele hundert Jahre alt 
sind, enthalten nämlich Informatio 
nen, welche Rückschlüsse nicht nur 
sprachlicher Art erlauben. 
Machen wir also eine Namenwande 
rung auf Gapfahl und konzentrieren 
wir uns für einmal weder auf Natur 
schönheiten noch auf allzu viele histo 
rische Daten. Die Schreibung der 
Flurnamen, die im folgenden bespro 
chen werden, entspricht derjenigen 
auf der Balzner Flurnamenkarte von 
1987. Um dem Dialekt noch gerechter 
zu werden, schliesst dort, wo die Aus 
sprache durch die Schreibung nicht 
ausreichend wiedergegeben werden 
kann, eine Aussprachehilfe in Klam 
mern an die Nennung des Namens an. 
Der Alpname Gapfahl 
Wir beginnen den Spaziergang mit 
dem wichtigsten Flurnamen dieses 
Gebietes, mit dem Alpnamen Gapfahl, 
gesprochen [gapfool]. Gapfahl, das in 
alten Dokumenten oftmals in der 
Form Gampfal geschrieben ist, stammt 
aus der rätoromanischen Sprache 
und besteht aus zwei Wörtern. Beim 
ersten Wort, dem Grundwort, handelt 
es sich um camp, welches auf latei 
nisch campus zurückgeht und «Feld» 
bzw. «Weide» bedeutet. Weniger klar 
ist hingegen das zweite im Namen 
enthaltene Wort, das Bestimmungs 
wort. In Frage kommt etwa rätoroma 
nisch val (lateinisch vallis), «Tal», so 
dass Gapfahl vielleicht «Weide im Tal» 
bedeutet. Ebensogut könnte es sich 
beim Bestimmungswort aber auch 
um rätoromanisch anal (lateinisch 
aquale), «Bach» handeln, womit Ga 
pfahl dann «Weide beim Bach» bedeu 
ten würde. Sprachlich sind beide An 
sätze denkbar, doch scheint «Bach 
weide» (*campaual) sachlich plausi 
bler als «Talweide» (*campval), denn 
von einem eigentlichen Tal kann bei 
Gapfahl ja kaum gesprochen werden, 
während umgekehrt der Gapfahler 
bach sehr gut als Namengeber für die 
Alp in Frage kommen könnte. 
Wie dem auch sei, die Tatsache, dass 
Gapfahl rätoromanisch ist und dass 
camp die Bedeutung «Weide» hat, be 
weist, dass bereits vor der Jahrtau 
sendwende hier oben Viehwirtschaft 
betrieben wurde. Die Älpler von da 
mals sprachen rätoromanisch und 
haben das Gebiet sicher noch mit wei 
teren Namen benannt. Bis in unsere 
Zeit ist davon jedoch nur noch 
Garsenzele erhalten geblieben, wäh 
rend alle anderen Gapfahler Namen 
heute deutsch bzw. alemannisch sind 
oder zumindest Wörter enthalten, die 
zwar rätoromanischen Ursprungs 
sind, doch auch in unsere (ältere) ale 
mannische Mundart Eingang gefun 
den haben. Aus der Tatsache, dass 
praktisch alle Gapfahler Flurnamen 
deutsch sind, kann gefolgert werden, 
dass die Alp bis in die Neuzeit intensiv 
bewirtschaftet wurde. Nur wer sich in 
einem Gebiet aufhält oder dort tätig
	        

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.