Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1996) (1996)

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beiten. Ich erinnere mich noch gut an 
die harten und struppigen Leintü 
cher, auf denen wir Buben dann jahre 
lang schlafen mussten. Nach jedem 
Waschen wurden sie auf der Wiese im 
äusseren Schlosshof zum Bleichen 
ausgelegt. Es wurden auch immer so 
viele Hühner gehalten, dass der Be 
darf an Eiern für die Familie und den 
Gastbetrieb gedeckt war. Es mögen 
immer zwischen 15 und 20 Hühner 
gewesen sein. Von meiner Mutter ist 
noch die folgende Aufstellung erhal 
ten. «Eiererträgnis pro 1924; 2146 Eier. 
Für Hühnerfutter gebraucht Fr. 162,- 
ohne Kartoffeln». 
ln dem weitläufigen Gebäudekom 
plex der Burg gab es laufend Unter 
halts- und Reparaturarbeiten. Diese 
erledigte Vater Rheinberger zum 
grössten Teil selbst, wobei wir Buben 
natürlich tüchtig mithelfen mussten. 
So mussten wir nach jedem Föhn 
sturm auf die Dächer, um die fehlen 
den Ziegel zu ersetzen. Und nach je 
dem Gewitter musste die geschotterte 
Strasse wieder instand gestellt wer 
den. Selten brauchte man für solche 
Arbeiten fremde Arbeitskräfte. In den 
frühen zwanziger Jahren war mein 
Vater auch immer noch mit dem Aus 
malen verschiedener Räume beschäf 
tigt. So weiss ich noch, wie er die 
Embleme der einzelnen Handwerks 
berufe in der sogenannten Zunftstube 
malte und für jede Zunft einen eige 
nen Spruch in Gedichtform verfasste. 
In beiden Landeszeitungen erschien 
im Juni 1925 folgende Anzeige: 
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Es wurden also im Sommer 1925 vom 
Balzner Sängerbund Freilichtspiele 
auf Gutenberg durchgeführt, ein Un 
ternehmen, das ein voller Erfog wer 
den sollte. Ein Theaterplakat, entwor 
fen von Egon Rheinberger, wies an 
vielen Orten des Landes auf den 
Anlass hin. Man erstellte im inneren 
Burghof eine Zuschauertribüne auf 
schweren Eichensäulen. Diese Tribü 
ne mochte an die 200 Zuschauer 
gefasst haben. Der Schlosshof bot 
ideale Bedingungen für das Spiel. «Im 
Innern des Burghofes mit seiner un 
vergleichlichen Anlage, seinen Erkern 
und Söllern, Galerien und Treppen, 
Turm und Zinnen ... brauchte man 
keine Kulissen. Alles ist original. 
Nicht leicht hätte gerade für dieses 
Spiel eine schönere Stätte gefunden 
werden können; und die Akustik ist 
ausgezeichnet», so eine Zeitungsbe 
sprechung. I5) 
Das Stück «Der letzte Gutenberger» 
wurde von dem begabten Karl Minst, 
Lehrer in Triesen verfasst, und er 
spielte auch die Hauptrolle des Wirnt 
von Gutenberg. Seine vielseitige Be 
gabung als Schauspieler und Autor 
fand besondere Anerkennung. Alle an 
deren Mitwirkenden (gegen 70 Perso 
nen) waren Balzner. Schon allein da 
durch war der Erfolg gesichert, denn 
die Balzner konnten sich in dem Stück 
selber spielen, dazu noch am eigentli 
chen Ort der Handlung, wenn auch 
die Zeit dieser Handlung um mehr als 
400 Jahre zurücklag. Mehrere Mitglie 
der des Geschlechts der Wolfinger, 
allesamt direkte Nachkommen jenes 
Weltin Wolfinger, der im Jahre 1474 
einen grossen Teil der Gutenber- 
gischen Güter von Herzog Sigmund 
von Österreich zu Lehen erhielt, wa 
ren unter den Mitwirkenden: Emma 
Wolfinger, Augustin, Josef und Al- 
brecht Wolfinger. Viel Lob gab es in 
den Zeitungsbesprechungen; «Das 
Spiel atmet Natürlichkeit, Unge 
zwungenheit, mitreissende, urchige 
Darstellung, frisch pulsierendes Le 
ben», wie ein Kommentator seine Ein 
drücke beschrieb. Die Leistungen der 
wichtigsten Mitspieler wurden in ei 
nem Zeitungsbericht besonders her 
vorgehoben: «Mit ihm [Karl Minst] zu 
sammen wirkten eine Reihe ebenbür 
tiger Kräfte. Oberlehrer Büchel eignet 
sich mit seiner klangvollen Stimme so 
vorzüglich für die Rolle des Burgvogts 
Ulrich von Ramschwag und spielt sie 
so trefflich, dass eine bessere Beset 
zung wohl kaum möglich gewesen 
wäre; und die Burgfrau (Erl. 
Brunhart) spielte ihre Rolle mit viel 
Anmut und Würde. Roswitha (Erl. 
Emma Wolfinger), vollends die Hel 
din des Stückes, ist die beste Partnerin 
des Wirnt, frei von aller Übertreibung 
und doch ganz in der Handlung aufge 
hend, die ihre schwere Rolle voll be 
herrscht.» Namentlich genannt wur 
den auch die beiden über 70jährigen 
Josef Wolfinger und Robert Hasler. 
Besondere Erwähnung fanden auch 
mehrmals «die von dem Studiosus 
Rudolf Schädler stammenden gesang 
lichen und musikalischen Einlagen». 
Nach der letzten Aufführung am 13. 
September 1925 versammelten sich 
die 75 Mit wirkenden und Helfer im 
Rittersaale des Schlosses, um den 
glücklichen Abschluss gebührend zu 
feiern. Da wurden Reden gehalten 
vom Hauptdarsteller Karl Minst, von 
Regierungschef Gustav Schädler, 
dem Vereinspräsidenten Gregor Wil 
le, Oberlehrer Büchel u.a. Es gab ein 
Abendessen «vom Fürsten gespen 
det», und die Kehlen blieben auch 
nicht trocken. Am Schluss der Feier 
wurde die Volkshymne gesungen, 
«welche von Herrn Regierungschef 
auf dem Klavier begleitet wurde», wie 
ein Chronist berichtete. 
Was mir persönlich - ich war damals 
8 Jahre alt - besonders in Erinnerung 
geblieben ist: Emma Wolfinger, hoch 
zu Ross als Tochter des Burgvogts, 
und Oberlehrer Alois Büchel als Burg 
vogt, eine imponierende Gestalt. 
Dann der alte Schuhmacher Robert 
Hasler von Mäls, der, als man den in 
die Burg vor dem Feind flüchtenden 
Balznern und Mälsnern einen Hum 
pen Wein zum Willkommtrunk bot, 
sagte: «Das wollen wir üs schmecken 
loo». 
Meine beiden Brüder besuchten die 
Volksschule in Balzers und je 2 Jahre 
die Realschule in Vaduz. Im Jahre 
1925 kam der ältere Bruder Hans und 
ein Jahr später auch Peter ins Internat 
nach Schiers, während ich noch ab 
1924 die Volksschule in Balzers bei 
Schwester Zita und Oberlehrer Alois 
Büchel besuchte. Danach kam auch 
ich ins Internat, und zwar in die Stella 
Matutina in Feldkirch.Wir waren also 
von da an nur mehr in den Ferien 
zusammen auf Gutenberg. In dieser 
Ferienzeit tat sich aber vieles. Von 
1927 bis 1931 verbrachte die bekannte 
Vorarlberger Dichterin und Schrift 
stellerin Grete Gulbransson mit ihrem 
Sohn Olaf jeweils die Sommerferien
	        

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