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beiten. Ich erinnere mich noch gut an
die harten und struppigen Leintü
cher, auf denen wir Buben dann jahre
lang schlafen mussten. Nach jedem
Waschen wurden sie auf der Wiese im
äusseren Schlosshof zum Bleichen
ausgelegt. Es wurden auch immer so
viele Hühner gehalten, dass der Be
darf an Eiern für die Familie und den
Gastbetrieb gedeckt war. Es mögen
immer zwischen 15 und 20 Hühner
gewesen sein. Von meiner Mutter ist
noch die folgende Aufstellung erhal
ten. «Eiererträgnis pro 1924; 2146 Eier.
Für Hühnerfutter gebraucht Fr. 162,-
ohne Kartoffeln».
ln dem weitläufigen Gebäudekom
plex der Burg gab es laufend Unter
halts- und Reparaturarbeiten. Diese
erledigte Vater Rheinberger zum
grössten Teil selbst, wobei wir Buben
natürlich tüchtig mithelfen mussten.
So mussten wir nach jedem Föhn
sturm auf die Dächer, um die fehlen
den Ziegel zu ersetzen. Und nach je
dem Gewitter musste die geschotterte
Strasse wieder instand gestellt wer
den. Selten brauchte man für solche
Arbeiten fremde Arbeitskräfte. In den
frühen zwanziger Jahren war mein
Vater auch immer noch mit dem Aus
malen verschiedener Räume beschäf
tigt. So weiss ich noch, wie er die
Embleme der einzelnen Handwerks
berufe in der sogenannten Zunftstube
malte und für jede Zunft einen eige
nen Spruch in Gedichtform verfasste.
In beiden Landeszeitungen erschien
im Juni 1925 folgende Anzeige:
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Es wurden also im Sommer 1925 vom
Balzner Sängerbund Freilichtspiele
auf Gutenberg durchgeführt, ein Un
ternehmen, das ein voller Erfog wer
den sollte. Ein Theaterplakat, entwor
fen von Egon Rheinberger, wies an
vielen Orten des Landes auf den
Anlass hin. Man erstellte im inneren
Burghof eine Zuschauertribüne auf
schweren Eichensäulen. Diese Tribü
ne mochte an die 200 Zuschauer
gefasst haben. Der Schlosshof bot
ideale Bedingungen für das Spiel. «Im
Innern des Burghofes mit seiner un
vergleichlichen Anlage, seinen Erkern
und Söllern, Galerien und Treppen,
Turm und Zinnen ... brauchte man
keine Kulissen. Alles ist original.
Nicht leicht hätte gerade für dieses
Spiel eine schönere Stätte gefunden
werden können; und die Akustik ist
ausgezeichnet», so eine Zeitungsbe
sprechung. I5)
Das Stück «Der letzte Gutenberger»
wurde von dem begabten Karl Minst,
Lehrer in Triesen verfasst, und er
spielte auch die Hauptrolle des Wirnt
von Gutenberg. Seine vielseitige Be
gabung als Schauspieler und Autor
fand besondere Anerkennung. Alle an
deren Mitwirkenden (gegen 70 Perso
nen) waren Balzner. Schon allein da
durch war der Erfolg gesichert, denn
die Balzner konnten sich in dem Stück
selber spielen, dazu noch am eigentli
chen Ort der Handlung, wenn auch
die Zeit dieser Handlung um mehr als
400 Jahre zurücklag. Mehrere Mitglie
der des Geschlechts der Wolfinger,
allesamt direkte Nachkommen jenes
Weltin Wolfinger, der im Jahre 1474
einen grossen Teil der Gutenber-
gischen Güter von Herzog Sigmund
von Österreich zu Lehen erhielt, wa
ren unter den Mitwirkenden: Emma
Wolfinger, Augustin, Josef und Al-
brecht Wolfinger. Viel Lob gab es in
den Zeitungsbesprechungen; «Das
Spiel atmet Natürlichkeit, Unge
zwungenheit, mitreissende, urchige
Darstellung, frisch pulsierendes Le
ben», wie ein Kommentator seine Ein
drücke beschrieb. Die Leistungen der
wichtigsten Mitspieler wurden in ei
nem Zeitungsbericht besonders her
vorgehoben: «Mit ihm [Karl Minst] zu
sammen wirkten eine Reihe ebenbür
tiger Kräfte. Oberlehrer Büchel eignet
sich mit seiner klangvollen Stimme so
vorzüglich für die Rolle des Burgvogts
Ulrich von Ramschwag und spielt sie
so trefflich, dass eine bessere Beset
zung wohl kaum möglich gewesen
wäre; und die Burgfrau (Erl.
Brunhart) spielte ihre Rolle mit viel
Anmut und Würde. Roswitha (Erl.
Emma Wolfinger), vollends die Hel
din des Stückes, ist die beste Partnerin
des Wirnt, frei von aller Übertreibung
und doch ganz in der Handlung aufge
hend, die ihre schwere Rolle voll be
herrscht.» Namentlich genannt wur
den auch die beiden über 70jährigen
Josef Wolfinger und Robert Hasler.
Besondere Erwähnung fanden auch
mehrmals «die von dem Studiosus
Rudolf Schädler stammenden gesang
lichen und musikalischen Einlagen».
Nach der letzten Aufführung am 13.
September 1925 versammelten sich
die 75 Mit wirkenden und Helfer im
Rittersaale des Schlosses, um den
glücklichen Abschluss gebührend zu
feiern. Da wurden Reden gehalten
vom Hauptdarsteller Karl Minst, von
Regierungschef Gustav Schädler,
dem Vereinspräsidenten Gregor Wil
le, Oberlehrer Büchel u.a. Es gab ein
Abendessen «vom Fürsten gespen
det», und die Kehlen blieben auch
nicht trocken. Am Schluss der Feier
wurde die Volkshymne gesungen,
«welche von Herrn Regierungschef
auf dem Klavier begleitet wurde», wie
ein Chronist berichtete.
Was mir persönlich - ich war damals
8 Jahre alt - besonders in Erinnerung
geblieben ist: Emma Wolfinger, hoch
zu Ross als Tochter des Burgvogts,
und Oberlehrer Alois Büchel als Burg
vogt, eine imponierende Gestalt.
Dann der alte Schuhmacher Robert
Hasler von Mäls, der, als man den in
die Burg vor dem Feind flüchtenden
Balznern und Mälsnern einen Hum
pen Wein zum Willkommtrunk bot,
sagte: «Das wollen wir üs schmecken
loo».
Meine beiden Brüder besuchten die
Volksschule in Balzers und je 2 Jahre
die Realschule in Vaduz. Im Jahre
1925 kam der ältere Bruder Hans und
ein Jahr später auch Peter ins Internat
nach Schiers, während ich noch ab
1924 die Volksschule in Balzers bei
Schwester Zita und Oberlehrer Alois
Büchel besuchte. Danach kam auch
ich ins Internat, und zwar in die Stella
Matutina in Feldkirch.Wir waren also
von da an nur mehr in den Ferien
zusammen auf Gutenberg. In dieser
Ferienzeit tat sich aber vieles. Von
1927 bis 1931 verbrachte die bekannte
Vorarlberger Dichterin und Schrift
stellerin Grete Gulbransson mit ihrem
Sohn Olaf jeweils die Sommerferien