Volltext: Balzner Neujahrsblätter (1995) (1995)

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nichtet war. Doch hören wir unsern 
Gewährsmann, Pfarrer Mähr. Er 
schreibt also: 
«Der 22. Oktober (1795) war jener 
verhängnißvolle Tag, an welchem 
Nachmittags nach 4 Uhr durch ab 
scheuliche Sorglosigkeit der Leute 
eine Feuersbrunst entstand, welche 
durch die Heftigkeit des Windes der 
artig gefördert wurde, daß in sieben 
Minuten über 30 Gebäude in Flam 
men standen, und aus dem Pfarrhofe, 
der am weitesten vor dem Orte, wo es 
zu brennen begonnen hatte, entfernt 
war, fünf Personen durch Sprung aus 
den Fenstern sich retten mußten. Aus 
der Kirche konnte durch den Pfarrer, 
welcher allein derselben zu Hülfe eil 
te, nur der Speisekelch mit dem Aller 
heiligsten, sowie die Monstranz und 
ein Kelch geflüchtet werden. 
Ueberdies konnten dieses vorliegende 
Buch (Tauf-, Sterbe- und Ehebuch in 
einem Bande) mit zwei andern Bü 
chern, nämlich dem Jahrzeiten- 
(Urbarium) und Rechnungsbuch, so 
wie die Kapitalbriefe gerettet werden. 
Der Gottesdienst mußte fortan theils 
im St. Peter, theils in Maria-Hilf ge 
halten werden.» 
Hier müssen wir billig staunen über 
die ganz außerordentliche Geistesge 
genwart des Pfarrers. In einer solchen 
Verwirrung, wo kaum mehr Zeit zu 
einem Gedanken war, rettete er aus 
der Kirche und dem Pfarrhofe das 
Allerheiligste, das, worauf es vor Al 
lem ankam. Zuerst dachte er an den 
lieben Heiland, welchen damals jener 
schöne Speisekelch barg, aus dem 
euch heute noch das Brot des Lebens 
in der hl. Kommunion gereicht wird. 
Dieser Speisekelch ist ein Geschenk 
eines Balzner Priesters, wie die in la 
teinischer Sprache auf demselben 
eingegrabene Widmung mittheilt. 
Dieselbe lautet: 
«Johann Baptist Ulrich Hopp, Doctor 
der hl. Theologie, immatrikulierter 
Apostolischer Protonotar, Kapitular- 
domherr der erlauchten Kollegiat- 
kirche zum hl. Vitus in Freysing und 
Hofkaplan zu Vaduz - schenkt dieses 
Gefäß als Sühne*) seinem hl. Niko 
laus in Balzers. 1738.» 
Und wie freut es uns, noch im Besitze 
der schönen gothischen Monstranz zu 
*) «pro expiatione transgreßionis» 
sein, die jetzt wie damals einen 
Schmuck unserer Kirche bildet! Ihr 
seht jetzt dieselbe wieder vor euch, 
schön hergerichtet in ihrer ursprüng 
lichen Gestalt (gothische Zylinder- 
Monstranz). Welcher von den Kelchen 
der damals gerettete ist, kann ich nicht 
bestimmen. 
Von wie großer Wichtigkeit endlich 
die Rettung der nothwendigsten Pfarr- 
bücher war, ist jedem begreiflich. Was 
wäre das für die Nachfolger für eine 
Schwierigkeit gewesen, wenn diese 
verbrannt wären! Ich muß gestehen, 
daß ich dem edlen Priester für Erhal 
tung derselben herzlich dankbar bin. 
Was nun die Entstehung des verhee 
renden Brandes anbelangt, kann die 
selbe nicht mehr festgestellt werden; 
ihr wisset, daß darüber verschiedene 
Gerüchte gehen. Pfarrer Mähr schreibt 
denselben, wie ihr gehört habt, einer 
«abscheulichen Sorglosigkeit der Leu 
te» zu; es müssen also jedenfalls Er 
wachsene nähere oder entferntere 
Schuld daran gehabt haben, wenn 
auch vielleicht das Feuer durch Kin 
deshand angefacht wurde. 
Menschenleben forderte das entfessel 
te Element drei, wovon zwei im glei 
chen Hause: nämlich die 59jährige 
Wittwe Franziska Nigg geb. Frick und 
ihr ISjähriger Sohn Eusebius Nigg. 
Von ihnen heißt es im Sterbebuch, sie 
seien durch das Feuer erstickt und 
durch die Trümmer zerschlagen wor 
den: einige Ueberreste von ihnen seien 
aus den Trümmern herausgegraben 
und am 28. Oktober beerdigt worden. 
Das dritte Opfer war ein 3 Jahre und 5 
Monate alter Knabe, Josef Andreas, 
Sohn des Andreas Wolfinger und der 
Anna Maria Willi. 
Groß war nun das Elend, welches in 
folge dieses Brandes und wegen ande 
rer unglücklicher Ereignisse, die in 
nächster Zeit über die schwergeprüfte 
Gemeinde hereinbrachen, entstand. 
So wurde dieselbe gleich das folgende 
Jahr von einer großen Sterblichkeit 
besonders unter den Kindern heimge 
sucht: es starben in diesem Jahre 73 
Personen, wovon 53 Kinder; die drei 
Monate Märze, April und Mai allein 
hatten 58 Personen zur ewigen Ruhe 
gebettet. Dann folgten schlimme 
Kriegszeiten, welche das Maaß des 
Jammers voll machten. Wahrhaft er 
greifend ist das Bild, welches über die 
se auf den Brand folgende Zeit von 
dem edlen Seelsorger entworfen wird. 
Er schreibt: «Die Feuerbrunst fand 
statt am 22. Okt. 1795. Es entstand 
nun eine Armuth, ja Noth und Elend 
im höchsten Grade. Die Gemeinde 
bürger, durch das Brandunglück nie 
dergedrückt, mühten sich ab, so viel 
sie konnten, strengten alle Kräfte an, 
um ihre Wohnungen wieder herzu 
stellen, theils aus eigenem, theils aus 
gesammeltem Gelde, theils durch 
Schuldenmachen. Um die Kirche und 
die Pfarrhäuser bekümmerten sich 
die Leute inzwischen wenig. 
Zu all dem kamen noch das Kriegs 
getümmel, die Verwüstungen und 
Plünderungen der Franzosen, welche 
am 6. März 1799 (am gleichen Tage 
fand der Einfall der Franzosen bei 
Bendern statt) von der Schweiz her 
bei Trübbach in’s Land einbrachen, 
die Festung Luziensteig erstürmten 
und 19 Tage hindurch ganz nach 
Kriegsbrauch bei uns hausten, nach 
dem wir vorher von den befreundeten 
Soldaten sehr viel gelitten hatten. 
Die Verwaltung der Pfarrei war inzwi 
schen außerordentlich schwierig we 
gen Mangel und völligem Abgang der 
krichlichen Gewänder, ja von allem, 
was zum Gottesdienst gehört, wegen 
der Entfernungen und der Wohnungs 
verhältnisse, was sich hier alles gar 
nicht beschreiben läßt. Die Unterwei 
sung der Jugend, die Spendung der 
Sakramente, das Versehen der Kran 
ken war mit tausend und tausend 
Schwierigkeiten verbunden.» 
Eine interessante Beleuchtung zu 
letzterem Punkte liefert uns eine Be 
merkung zum 15. Mai dieses Jahres, 
anläßlich des Todes eines Jünglings 
Joseph Eberle; dieselbe lautet: «An 
diesem Tage wurde die Luziensteig 
von den Kaiserlichen mit ungeheurer 
Anstrengung aber nicht großem Ver 
luste eingenommen.» Kanonendon 
ner und Seufzer eines Sterbenden! 
Feldgeschrei und Sterbegebete! 
Noch mehr aber eine andere Bemer 
kung bei der Eintragung des Sterbe 
falles eines gewissen Konrad Fröm 
melt am 18. Oktober. «Dieser war, 
liest man da, am 11. Oktober versehen 
worden, gerade als das russische 
Heer, 23’000 Mann stark, aus Grau 
bünden hier ankam und in Balzers 
übernachtete.» Gewiß ein interessan 
ter Versehgang, während 23’000 Rus-
	        

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