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Das Caravacakreuz
Geschichte - Form - Kult
Rita Vogt
Anfang der 1960er Jahre hat Josef
Foser, Elgagass 12, ehemals Haus
Nr. 146, Balzers, in seinem Tend
(Abb. 1) in ca. 50 cm Tiefe ein soge
nanntes Caravacakreuz (Abb. 2 und 3)
entdeckt, als er einen Teil des Lehm
bodens abtrug, um den Niveauunter
schied zum Stall auszugleichen. Das
Kreuzchen hing dann lange Zeit im
Stall von Josef Foser, bevor er cs im
Herrgottswinkel seiner Stube an
brachte. In den folgenden Ausführun
gen soll es nun - neben einer kurzen
Einleitung zum Aufkommen des
Kreuzkultes sowie allgemeinen Be
merkungen zum Caravacakreuz - ge
nauer betrachtet werden.
Der 28. Oktober 312 brachte für Kon
stantin den Grossen an der Milvi-
schen Brücke den Sieg über Maxen
tius, einen seiner Widersacher in den
Auseinandersetzungen um die Vor
herrschaft im Römischen Reich, und
entschied zugleich den Kampf zwi
schen Heidentum und Christentum
zugunsten der neuen Lehre. Durch
Eusebius (gest. um 339/340), Histori
ker und altkirchlicher Theologe, ist
uns überliefert, dass Kaiser Konstan
tin unmittelbar nach der Schlacht sei
ne Bildsäule «mit der langen Lanze in
Kreuzform» in der Hand errichten
liess, deren Inschrift lautete: «Durch
dies Zeichen des Heils ... habe ich eure
Stadt... errettet.» Diese Ereignisse be
deuteten die Geburtsstunde des
Kreuzkultes.
Das Kreuz entwickelte sich zum
massgeblichen Symbol der christli
chen Kirche und ihrer Weltanschau
ung. Als solches geriet es im Zusam
menhang mit der dämonistischen
Erklärung zahlreicher Lebenser
scheinungen auch in den Bannkreis
magischer Vorstellungen und wurde
zum wirksamsten und weit verbreite
ten Schutzzeichen und Amulett, des
sen Geschichte eine reiche Entfaltung
abergläubischen Brauchtums auf
weist. Wenn auch das Kreuz mit reli
giös-magischer Bedeutung schon in
vorchristlicher Zeit und in ausser-
christlichen Religionen bekannt ist, so
gewinnt es seine überragende und
umfassende Geltung doch erst mit der
Anknüpfung an das Sinnbild des To
des Christi. Es hat die Fülle anderer
überlieferter Schutz- und Sicherungs
zeichen zwar nicht verdrängt, aber
immerhin in die zweite Linie zurück
gewiesen. In einer Welt, von der man
glaubte, dass sie durch den Teufel und
die bösen Geister unsicher gemacht
werde, galt das Symbol des Kreuzes
von seinen vorchristlichen Anfängen
an auch immer - und in zunehmendem
Masse - als magisch wirksames Mittel;
selbst heute verbinden noch viele
Menschen einen unheilabwendenden
Sinn mit diesem einfachen, aber
gedankenschweren Zeichen.
Abb. 1:
Wohnhaus Elgagass 12, ehemals
Haus Nr. 146, Balzers, mit Stall und
Tend.