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Eine Parkanlage
im Junkerriet
Wilfried Kaufmann
Kriegsjahre 1939 - 1945. Ein brüten
der Sommertag. Mit staunenden Kin
deraugen verfolge ich jeden Griff ei
nes schrundhändigen, schweißtrie
fenden Mannes auf einem riesigen
Bagger. Er gräbt das Schilf des
Junkerrietes um. Ein Wort fällt, das
ich nicht verstehe: «Drainage». Hat es
wohl, frage ich mich, mit «trainieren»
zu tun? Im Fußball kenne ich mich
nämlich aus. Das Schilf, in dem wir oft
gespielt haben, fällt schweigend.
Braune Erde bedeckt das Riet. Ein
Netz von Gräben durchzieht den wei
chen Torfboden. Darin liegen Tonröh
ren. «Das also» sagt mein Vater, «ist
Drainage. Mit dem blöden Tschutten
hat dies nichts zu tun.»
Das war der Anfang eines wechselvol
len Naturschicksals und das Ende ei
ner zehntausend Jahre alten Ge
schichte. Das Junkerriet ist «melio
riert», wie es damals in der Anbausch
lacht hieß. Die Drainage ist längst er
drückt. Als Ackerland bald aufgelas
sen, verkam das Junkerriet zum Ab
falleimer der Gemeinde. Es wurde in
Müll und Geschiebe erstickt. Dann
wurde das ehemalige Feuchtgebiet
zum Gras- und Weideland umgestal
tet. Nun liegt das Junkerriet da, sich
selbst entfremdet, eine Einöde vor
dem Balzner Wahrzeichen, dem
Schloßhügel. Das Junkerriet wartet
auf neue Ideen. Was bisher getan wur
de, möchte ich Ihnen vorstellen:
Das Gutenberg-Seelein im Junkerriet
Ein Seelein im Junkerriet wurde
schon zu Beginn der siebziger Jahre in
die Ortsplanung integriert. Der Vor
schlag wurde teilweise bekämpft, teil
weise nicht weiter verfolgt. 1981 ergab
eine Bevölkerungsumfrage eine Mehr
heit für das Gutenberg-Seelein. Im
November 1983 skizzierte unser Mit
bürger Wilfried Wolfinger das Guten
berg-Seelein im Liechtensteiner Um
weltbericht Nr. 14. Er schlägt im we
sentlichen einen illustrierten Rund
weg mit Aussagen über die Natur- und
Kulturwerte des Burghügels vor. Das
Gutenberg-Seelein wird als Parallele
zum idyllischen Werdenberg-Seelein
dargestellt. In beiden Seen könnten
sich zwei Schlösser spiegeln. Das Pro
jekt des Gutenberg-Seeleins wird
durch vier Argumente gestützt:
1. Eine Überbauung auf der Südseite
des Gutenberghügels ist aus raum
planerischen Gründen abzulehnen,
zumal der Baugrund sehr schlecht ist.
2. Der Burghügel mit seiner markan
ten Erscheinung wird durch ein See
lein noch attraktiver.
3. Das Naherholungsangebot wird
durch das Gutenberg-Seelein verbes
sert. Die einstigen Feuchtgebiete und
Fließgewässer sind größtenteils ver
schwunden. Wasser kann den Er
holungswert des Junkerrietes wesent
lich erhöhen.
4. Zwar wäre das Gutenberg-Seelein
vorwiegend für Erholungszwecke
und die höhere Attraktivität von
Balzers gedacht. Im Seelein selbst
und rund um das Seelein herum
könnten jedoch die einheimische Flo
ra und Fauna profitieren.
Das Junkerriet als Thema einer Di
plomarbeit
1986 schrieb der junge Balzner
Landschaftsarchitekt Günther Vogt
seine Diplomarbeit: «Freiraumpro
jekt Parkanlage Junkerriet Balzers».
Die Vorstellungen des jungen Fach
mannes können das Junkerriet nicht
nur in seinen Naturwerten aufwerten.
Es könnte als vorgelagertes Land
schaftselement darüber hinaus eine
sinnvolle natürliche Ergänzung des
Schloßhügels werden.
Raumplanung
In der Ortsplanung 1981 der Gemein
de Balzers gilt das Junkerriet als
Freihaltezone. Das Junkerriet soll als
Grünanlage im Gemeindezentrum
erhalten bleiben. Günther Vogt
schreibt; «Nach dem Kauf der Burg
Gutenberg durch den Staat Liechten
stein und der Erarbeitung eines neuen
Nutzungskonzeptes für das histori
sche Gebäude als Kultur- und Tou
rismusangebot soll nun auch ein
Freiraumkonzept für das benachbarte
Junkerriet erstellt werden. Nach der
Vorstellung der Gemeindebehörden
soll im Gebiet ‘Junkerriet’ eine Was
serfläche mit den entsprechenden Er
schließungseinrichtungen und Spa
zierwegen entstehen, die der Gemein
de als Erholungsflächen zur Verfü
gung stehen... Die Gemeinde leistet
sich ein Stück Landschaft mit den At
tributen einer natürlichen und ro
mantischen, kleinbäuerlichen Struk
tur als Teil ihrer Umgebung, einge
rahmt von jenen Flächen, auf denen
tatsächlich produziert bzw. gewohnt
wird. Damit liegt der Vergleich zum
klassischen Landschaftsgarten auf
der Hand.»
Landschaftsgarten
Das Junkerriet soll nach Günther
Vogts Vorschlag ein Landschafts
garten werden, ein zentraler Ort zwi
schen Balzers und Mäls, ein Naherho
lungsgebiet. Kinderspielplätze, Park
anlage, Wasserflächen, Feucht
wiesen, Trockenrasen, Weinberg
mauern, Allmeindweiden mit maleri
schen Einzelbäumen, Obstwiesen
und -gärten: Das alles soll den Besu
cher des Junkerrietes am Ort selbst
und in der Umgebung erfreuen. Gün
ther Vogt charakterisiert den Land
schaftsgarten u.a. wie folgt:
«In einem Landschaftsgarten soll die
Schönheit des gesamten umliegenden
Landstrichs kulminieren. Seine Anla
ge setzt im allgemeinen eine schon mit
natürlichen Reizen ausgestattete Ge
gend voraus.
Das hervorragende Element soll der
künstliche See werden. Es soll nicht
Natur imitiert werden - etwa im Ge
gensatz zur Naturanlage St. Katha-